Schweizerisches Abgabensystem: Das sind die zehn gravierendsten Nachteile

Die Schweiz gilt immer noch als attraktiver Steuerstandort. Dabei haben sich vor allem im Bereich der mittleren und höheren Einkommen (drittes Quartil) einige Abgabennachteile entwickelt, welche im Extremfall zu einer Steuerbelastung von rund 50% führen können.

Zuerst werden Sozialabgaben analysiert, welche keine Sozialabgaben mehr sind, da ihnen keine Gegenleistung gegenübersteht, womit diese Beträge voraussetzungslos geschuldet sind und damit eine reine Steuer bilden. Dann werden spezifische Steuerarten und Steuerfaktoren beurteilt, welche im Vergleich zum Ausland aussergewöhnlich sind.

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1. Unlimitierte AHV-Beiträge

Das rentenbildende Maximum liegt bei CHF 84‘600. Auf einem Lohn von CHF 250‘000 beträgt der AHV Beitrag CHF 25‘625. Die Versicherungsprämie für eine Rentenleistung beträgt CHF 8‘671. Der verbleibende Beitrag von CHF 16‘953 bringt keinen Nutzen oder persönlichen Vorteil. Es handelt sich somit um eine reine Steuer. Die Steuerbelastung beträgt 6.225% vom Einkommen und dies zusätzlich zur Einkommenssteuer für Bund und Kanton, welche etwa 30% ausmacht. Somit ergibt sich ein Total von rund 37% an Abgaben!

Die AHV-Beiträge dürfen ohne weiteres als Reichtumssteuer qualifiziert werden.

2. Nichtanspruchsberechtigte ALV-Beiträge

Das versicherungsbildende Maximum liegt bei CHF 148‘200.

Der Beitragssatz an die ALV beträgt 2.20% bei einem Einkommen bis CHF 148‘200. Bei Einkommen ab CHF 148‘201 beträgt der Beitragssatz 1.00%. Bei einem Lohn von CHF 250‘000 ergibt sich somit ein ALV-Beitrag von CHF 4‘278 (CHF 3‘260 + CHF 1‘018).

Organe von Gesellschaften sind nicht berechtigt, Arbeitslosengelder zu beziehen, da man sie faktisch als Selbstständige beurteilt. Dies geschieht aber nur im Hinblick auf eine allfällige Arbeitslosenleistung. Trotzdem ist die Versicherungsprämie der ALV geschuldet.

Die Versicherungsprämie für eine Rentenleistung beträgt somit CHF 0. Der Anteil der Steuer beträgt bis 2.2% und das zusätzlich zur Einkommenssteuer für Bund und Kanton, welche ca. 30% ausmacht. Somit ergibt sich ein Total mit der AHV von rund 40% an Abgaben!

Die ALV Beiträge für Unternehmer dürfen ohne weiteres als Reichtumssteuer qualifiziert werden.

3. Vermögenssteuer als weltweite Rarität

Viele Länder kennen Steuern auf Grundbesitz. Eine Allgemeine Steuer auf dem Vermögen ist jedoch selten.

Keine Vermögenssteuer wird in folgenden Ländern erhoben: Deutschland, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Grossbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Osterreich, Rumänien, Spanien, Schweden, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Zypern, Monaco, Australien, Kanada und in den USA.

Diese Länder kennen eine Vermögenssteuer: Frankreich, Norwegen, Schweiz, Griechenland, Ungarn, Japan und Türkei. Teilweise sind bestimmte Vermögenswerte davon ausgenommen.

In der Schweiz ist die Vermögenssteuer progressiv und geht bis zu einem Prozent. Die allgemeine Vermögenssteuer führt auch zu einer Einkommenskontrolle, wie sie in keinem anderen Land üblich ist. Die Gleichung lautet: Steuerliches Vermögen des Vorjahres plus steuerbares Einkommen minus allgemeine Lebenskosten ergibt den neuen Vermögensstand. Diese Gleichung wird jährlich von jedem Steuerbeamten geprüft und das führt zu einer Steuerkontrolle, wie es die allermeisten Länder nicht kennen. Die hier Ansässigen kommen in die weltweit strengste regelmässige Steuerkontrolle.

4. 50%-Steuerbelastung

Die meisten europäischen Länder kennen eine Limitierung der Sozialversicherungsabgaben bei etwa 60‘000 bis 70‘000 Euro. Wohl sind die Sozialversicherungsbeiträge prozentual höher, aber limitiert. Wenn man im internationalen Vergleich die schweizerischen unlimitierten Sozialabgaben und die Vermögenssteuer der Einkommenssteuer hinzurechnet, da diese vom Einkommen bezahlt werden sollte, erreicht die Abgabenlast 45-50% des Einkommens. Damit gehört die Schweiz für Vermögende mit einem höheren Einkommen zu den teuersten Steuerländern der Welt.

5. Hypothetisches Einkommen für Liegenschaften

Der viel diskutierte Eigenmietwert ist eine zusätzliche Belastung für die Grundeigentumsbesitzer. In anderen Ländern ist diese Besteuerung unüblich und es wäre problemlos möglich, darauf zu verzichten. Man kann wohl Hypothekarzinsen vom Einkommen abziehen, der Abzug ist jedoch limitiert.

6. Heiratsstrafe

Die progressive Ausgestaltung der Steuern führt bei zahlreichen Doppelverdiener-Ehepaaren zu einer kostenintensiven und progressiven Steuerbelastung. Man kann Beiträge als Ehepaar vom Einkommen abziehen und es gibt einen speziellen Ehepaarsteuertarif. Der steuerliche Nachteil bleibt jedoch bestehen.

Die meisten Länder besteuern entweder jeden Ehepartner (Individualbesteuerung) oder gewähren den Ehepaaren ein Wahlrecht.

7. Untaugliche Steuerjustiz

Die Chancen im Steuerprozess stehen 10 zu 1 gegen den Steuerpflichtigen.

Im Veranlagungsverfahren sehen die Erfolgsmöglichkeiten wie folgt aus:

• Veranlagung gemäss Steuererklärung: 95% Chance einer Gutheissung für den Steuerpflichtigen
Im Rechtsmittelverfahren ist es gerade umgekehrt:
• Einsprache: 5-10% Chance einer Gutheissung
• Steuerkommission: 15-20% Chance einer Gutheissung
• Obergericht: 5-10% Chance einer Gutheissung
• Bundesgericht: 10% Chance einer Gutheissung

Das Bundesgericht hat 2015 7‘853 Beschwerden behandelt. Vor fünfzig Jahren waren es 1‘732 Beschwerden bei gleicher Richterzahl. Während zuvor die Nichteintretensquote bei 23% lag, sind es 2015 38%. Es scheint, dass das Bundesgericht seine Aufgabe als Gericht nicht wahrnimmt, indem es seine Geschäftslast durch eine massive Steigerung der Nichteintretensquote reduziert und das zulasten einer ordnungsgemässen richterlichen Tätigkeit. Es stellt sich die Frage, ob das Bundesgericht für den Bürger oder den Staat da ist.

Wenn über 90% aller Rechtsmittel abgewiesen werden, kommt es zu einem erheblichen Justizleerlauf.

8. Kein Konzernsteuerrecht

Die Schweiz kennt kein Konzernsteuerrecht. Jede juristische Person wird separat beurteilt. Ein Unternehmer, welcher drei Gesellschaften besitzt und in einem Unternehmen einen Gewinn von CHF 100‘000 erwirtschaftet und in den beiden anderen Gesellschaften einen Verlust von je CHF 50‘000, hat konsolidiert keinen Gewinn, zahlt aber dennoch eine Gewinnsteuer auf CHF 100‘000 Gewinn. Andere Länder kennen ein Konzernsteuerrecht und die Gesellschaften werden zusammen besteuert. In dieser Ausgangslage würde der Unternehmer in Ländern mit Konzernbesteuerung keine Gewinnsteuer bezahlen.

9. Kapitalsteuer für juristische Personen

Nicht genug, dass wir als Privatpersonen sowohl eine Vermögenssteuer für unser Vermögen, wie auch für die Kapitalgesellschaften, die wir besitzen, zahlen müssen. Nein, auch die Gesellschaften selbst zahlen noch auf ihrem Kapital eine Kapitalsteuer. Der Bund hat diese Doppelbesteuerung erkannt und die Kapitalsteuer abgeschafft. Die Kantone haben diesen Schritt leider noch nicht vollzogen.

10. Prohibitive Besteuerung von Liegenschaftsgewinnen

Der Kauf und Verkauf von Liegenschaften werden steuerlich besonders geächtet. Insbesondere in den kurzfristigen Gewinnen unter fünf Jahren werden Kapitalgewinne aus Liegenschaftsverkäufen bis zu 60% besteuert. Hinzu kommt bei den Selbstständigerwerbenden die AHV von 10%, womit die Abgabenbelastung bei 70% liegt.

Wird in einem Kanton ein Gewinn von CHF 100‘000 und in einem anderen Kanton ein Verlust von CHF 100‘000 realisiert, so werden dennoch Abgaben bis zu CHF 70‘000 fällig, obwohl man gar nichts verdient hat. Gewisse Verlustverrechnungen sind möglich, jedoch nur beschränkt. Zwischenzeitlich gibt es meistens keine Verlustverrechnung, da Verlustvorträge auf Objektsteuern in der Regel nicht gewährt werden. In einigen Städten hat dies dazu geführt, dass attraktive Projekte für die Umwandlung in Stockwerkeigentum nicht realisiert werden.

Schlussbemerkung

Der Steuerzahler ist in anderen Staaten in Europa nicht wesentlich schlechter oder besser gestellt als in der Schweiz. Die Eidgenossenschaft bietet wohl auch viele Steuervorteile, doch insgesamt ist das schweizerische Steuersystem für die Mittel- und Oberschicht nicht attraktiv und die Steuern bilden die wesentlichen Ausgaben des Haushaltes.
Leider ist es unseren politischen Exponenten nicht gelungen, die Steuerwahrheit zu erklären. Die Schweiz wird meiner Meinung nach vom Ausland, zu Unrecht, immer noch als Steuerparadies angesehen.

 

Quelle: artax Fide Consult, Mitglied von Morison KSi / www.artax.ch
Titelbild: Labrador Photo Video – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. iur. Bernhard Madörin

Seit 2000 ist Dr. iur. Madörin Partner und langjähriges Mitglied des Verwaltungsrates der artax Fide Consult AG. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer hat er als Steuer- und Treuhandexperte die Gesamtverantwortung für die Bereiche Steuern, Recht und Unternehmungsberatung inne und kann heute auf rund 30 Jahre Berufserfahrung als Treuhänder und selbständiger Unternehmer zurückblicken.

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