Die neue Radio/TV-Abgabe – ausländische Unternehmen werden kräftig abkassiert
VON lic.rer.pol. Urs Fischer Finanzen
Am 14. Juni 2015 hat das Volk das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) angenommen und sich damit für eine Neuregelung der Empfangsgebühren hin zu einem geräteunabhängigen Modell entschieden.
Diese werden ab Anfang 2019 in ihrer neuen Form erhoben, und unterdessen ist weitgehend klar, wie die Erhebung umgesetzt wird. Leider gibt es dabei ein paar bisher wenig beachtete Eigenheiten, die aus unserer Sicht unsinnig geregelt sind und zu Problemen führen werden.
Damit Sie wissen, was nächstes Jahr auf Sie zukommt, möchten wir Ihnen aber zunächst einen Überblick über die Funktionsweise der neuen Radio- und Fernsehgebühren geben:
Privatpersonen
Der Bundesrat hat sich für eine Jahresgebühr von CHF 365 pro Haushalt entschieden. Radio hören und Fernsehen kostet also in Zukunft einen Franken pro Tag, und in Schaltjahren kriegen Sie sogar einen Tag gratis dazu. Dies im Vergleich zur bisherigen Billag-Gebühr von CHF 451.10. Die Abgabe wird neu von jedem Haushalt erhoben, unabhängig davon ob tatsächlich Empfangsgeräte vorhanden sind. Zuständig ist neu nicht mehr die Billag, sondern eine neue Firma namens SERAFE. Damit haben die No-Billag-Befürworter zwar inhaltlich verloren, können aber wenigstens vom Namen her einen „Erfolg“ verbuchen.
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Die Erhebung stützt sich auf die staatlichen Melderegisterdaten, so dass die mühsamen An- und Abmeldungen und die Schwarzseh-Kontrollen aus der Billag-Zeit weitgehend entfallen dürften (die SERAFE hat die neuen Abläufe allerdings noch nicht im Detail kommuniziert). Neu muss für Ferienwohnungen keine zusätzliche Abgabe mehr bezahlt werden, und für Alters-, Pflege- und Studentenwohnheime wurde eine neue Kategorie „Kollektivhaushalt“ geschaffen, für die der Träger des Heims eine Jahresabgabe von CHF 730 bezahlt, dafür die einzelnen Bewohner aber keine eigene Abgabe mehr bezahlen müssen. Weiterhin gibt es auf Antrag eine Befreiung für Bezüger von Ergänzungsleistungen, und befristet bis Ende 2023 können sich auch Haushalte ohne Empfangsgeräte noch befreien lassen.
Insgesamt wurde für Private also eine pragmatische Lösung gefunden, die die Bürokratie deutlich reduzieren dürfte und für die meisten auch eine finanzielle Entlastung bringt.
Unternehmen
Unternehmen sind dann abgabepflichtig, wenn sie bei der Mehrwertsteuer (MWST) angemeldet sind und einen Jahresumsatz von mehr als CHF 500’000 haben. Für Unternehmen ist die SERAFE nicht zuständig, sondern die Abgabe wird zusammen mit der MWST durch die Eidgenössische Steuerverwaltung erhoben. Da dort die Umsätze ohnehin deklariert werden müssen, geschieht dies ganz ohne Zutun des Abgabepflichtigen – dieser erhält einfach einmal im Jahr eine Rechnung.
Die Höhe der Abgabe richtet sich nach dem gesamten deklarierten Jahresumsatz ohne die bei der MWST übliche Unterscheidung in Inland / Ausland oder steuerpflichtig / ausgenommen. Anhand von diesem Umsatz erfolgt eine Einteilung in eine der sechs Kategorien:
Umsatz CHF | Abgabe CHF | Umsatz CHF | Abgabe CHF | |
ab 500’000 | 365 | ab 20 Mio | 5’750 | |
ab 1 Mio | 910 | ab 100 Mio | 14’240 | |
ab 5 Mio | 2’280 | ab 1 Mrd | 35’590 |
Die Abgabe wird nur noch einmal pro Unternehmen erhoben – zusätzliche Abgaben für Filialen und Betriebsstätten entfallen damit. Ebenso entfällt die Unterscheidung in gewerblichen und kommerziellen Empfang und die Staffelung nach Anzahl Geräten. Zu beachten ist aber, dass selbstständig Erwerbende mit mehr als CHF 500’000 Umsatz die Abgabe doppelt bezahlen: einmal als Privatperson und einmal als Unternehmen – dies selbst dann, wenn sich beides in derselben Wohnung abspielt.
Auf den ersten Blick wurde also auch für Unternehmen eine pragmatische Lösung gefunden, die die Bürokratie deutlich reduziert und kleinere Unternehmen eher entlastet, und wohl nur ganz grosse stärker belastet.
Auf den zweiten Blick müssen wir diese Aussage allerdings eingrenzen auf inländische Unternehmen, die nur MWST-pflichtige Umsätze haben bzw. nach der effektiven Methode abrechnen. Und damit sind wir bei den unerwünschten Nebenwirkungen:
Mehr Bürokratie für Ärzte und andere Saldosteuersatz-Abrechner
Unternehmen, die nur einen geringen Anteil MWST-pflichtige und viele MWST-ausgenommene Umsätze haben, wählen der Einfachheit halber meist die Abrechnung nach der Saldosteuersatzmethode. Dies betrifft fast alle Ärzte mit eigener Praxisapo¬theke (medizinische Heilbehandlungen sind ausgenommen, die Medikamenten¬abgabe und ein paar weitere Nebenschauplätze pflichtig). Ebenso betroffen sind Vereine, die neben ihren Mitgliederbeiträgen (die als ausgenommene Umsätze gelten) noch eine kommerzielle Nebentätigkeit (pflichtig) haben.
Es ist in diesen Fällen gängige Praxis, nur die tatsächlich MWST-pflichtigen Umsätze auf der Abrechnung aufzuführen und mit dem Saldosteuersatz zu multiplizieren, und alle ausgenommenen sowie Auslandumsätze einfach wegzulassen. Da die geschuldete MWST damit korrekt ermittelt werden konnte und auch in Zukunft korrekt ermittelt werden kann, hat die Eidg. Steuerverwaltung das bisher akzeptiert und auch in Kontrollen nie beanstandet.
Für die Ermittlung der RTV-Abgabe genügt das jedoch nicht mehr, und es ist davon auszugehen, dass in Zukunft auch auf Saldosteuerabrechnungen alle ausgenommenen und alle Auslandumsätze mitdeklariert werden müssen und deren Fehlen zu Rückfragen und Kontrollen führt. Es ist noch unklar, ob das wirklich in jeder Abrechnung erfolgen muss, oder ob das ähnlich wie die Fahrzeug-Privatanteile einmalig am Ende des Jahres erfolgen kann. Jedenfalls dürfte in solchen Konstellationen der Abrechnungsaufwand deutlich steigen. Finanziell werden sich die Auswirkungen aber in Grenzen halten – da der Saldosteuersatz nur bis zu Jahresumsätzen von knapp über CHF 5 Mio verwendet werden darf, kommen hier nur die untersten drei Tarifstufen der RTV-Abgabe in Frage, und auch die dritte nur in Ausnahmefällen.
Mehr Bürokratie und massive Mehrkosten für ausländische Unternehmen
Wesentlich schlimmer trifft es ausländische Unternehmen, die in der Schweiz MWST-pflichtig werden, und davon gibt es immer mehr: Nach der im Jahr 2015 erfolgten Volksabstimmung zum RTVG hat der Gesetzgeber nämlich im Eiltempo die MWST-Regeln geändert und auf 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt. Nach diesen neuen Regeln ist für die Bestimmung der Steuerpflicht neu der weltweite Umsatz massgebend, was zu rund 30’000 neu steuerpflichtigen ausländischen Unternehmen führt.
Darunter fallen Bau- und Montagefirmen mit Aufträgen in der Schweiz, aber auch Firmen, die Internet- oder Kommunikationsdienstleistungen für Schweizer Kunden anbieten, und ab 2019 in gewissen Fällen auch Versandhändler, die nur Pakete in die Schweiz schicken. Allen ist gemeinsam, dass sie in der Schweiz keinerlei eigene Strukturen haben, und oft nicht einmal physisch in die Schweiz kommen. Durch die Verknüpfung der RTV-Abgabe mit der MWST-Pflicht sind auch diese Unternehmen voll in der Schweiz abgabepflichtig, und ihre Tarifstufe bemisst sich nach dem weltweiten Umsatz!
Ein extremes Beispiel aus unserer Praxis
Ein grosses deutsches Infrastrukturunternehmen erwirtschaftet rund CHF 1.2 Mrd. Umsatz weltweit. Darunter sind ein paar kleinere Wartungsaufträge für Kunden in der Schweiz, die zusammen etwa CHF 80’000 Umsatz ergeben. Seit 01.01.2018 besteht deshalb in der Schweiz MWST-Pflicht. Dies ist kein Problem, da die Umsatzsteuern auf die allesamt steuerpflichtigen Schweizer Kunden überwälzt werden können und zudem voller Vorsteuerabzug für das importierte Material besteht. Neu kommt aber noch die RTV-Abgabe dazu, und zwar aufgrund des weltweiten Umsatzes auf der höchsten Tarifstufe zu CHF 35’590 pro Jahr. Das sind immerhin knapp 45% des Schweizer Umsatzes!
Auch bei solchen ausländischen Unternehmen, die alle einen in der Schweiz ansässigen Fiskalvertreter brauchen, ist es üblich, nur die in der Schweiz MWST-pflichtigen Umsätze auf der Abrechnung aufzuführen und alle Umsätze im Ausland einfach wegzulassen. Auch hier kann die geschuldete Steuer so korrekt ermittelt werden, und die Eidg. Steuerverwaltung hat das bisher so akzeptiert und auch in Kontrollen nie beanstandet.
Um die RTV-Abgabe korrekt zu ermitteln, müssten aber auch die Auslandumsätze mit deklariert (und gleich wieder als MWST-befreit abgezogen) werden. Es ist uns schleierhaft, wie dies in der Praxis funktionieren soll: Das ausländische Unternehmen ist nicht verpflichtet, Aufzeichnungen über seine ausländischen Geschäfte in der Schweiz zu führen, und den MWST-Kontrolleuren ist es selbst auf Wunsch des Steuerpflichtigen verboten, im Ausland tätig zu werden. Somit ist es weder dem Fiskalvertreter noch dem Kontrolleur wirklich möglich, diese Auslandumsätze zuverlässig zu ermitteln oder gar zu kontrollieren.
Die finanziellen Auswirkungen für ausländische Unternehmen sind aber enorm: Um diese abzuschätzen, gehen wir davon aus, dass von den 30’000 neuen ausländischen Steuerpflichtigen die Hälfte unterhalb der Grenze für die RTV-Abgaben bleibt (kleine Handwerker im grenznahen Raum), und je 7’000 in die erste und zweite RTV-Tarifstufe fallen. Die verbleibenden 1000 Unternehmen wiederum sind grosse Bau- oder Montagefirmen oder grosse Versandhändler, die wegen mehr als CHF 1 Mrd. weltweitem Umsatz in die höchste Stufe fallen.
Zusammengezählt führt das zu rund CHF 44.5 Mio RTV-Abgaben, die ausländische Unternehmen in der Schweiz zahlen müssen, ohne dass es dafür einen ersichtlichen Grund oder gar eine fassbare Gegenleistung gibt (das in die Schweiz gesandte Paket oder die vom Schweizer heruntergeladene Software schaut kein Fernsehen!), und ganz sicher auch ohne dass der damalige Gesetzgeber diese Auswirkung auf dem Radar gehabt haben kann, denn die MWST-Gesetzesänderung kam erst viel später.
Weitere Absurditäten
Die neue RTV-Abgabe kennt aber noch ein paar weitere Absurditäten:
- Massgeblich für die Tarifeinstufung ist jeweils der Umsatz des Vorjahres. Die im Jahr 2020 erhobene RTV-Abgabe richtet sich also nach dem Umsatz 2019. Für die Abgabe im Jahr 2019 werden aber nicht etwa die Umsätze 2018 verwendet, sondern die Umsätze 2017. Dummerweise war 2017 das letzte Jahr vor der MWST-Gesetzesänderung und ist somit, was die Steuerpflicht angeht, nicht mit den seit 2018 geltenden Regeln vergleichbar. Dadurch bleiben zwar einige ausländische Unternehmen ein Jahr länger verschont, aber ein Grund für diese Unregelmässigkeit ist nicht ersichtlich.
- Unternehmensgruppen unter einheitlicher Leitung können sich für die RTV-Abgabe (ähnlich der in der MWST möglichen Gruppenbesteuerung, aber völlig unabhängig von dieser) zu einer Abgabegruppe zusammenschliessen, und zahlen dann nur einmal aufgrund der Summe aller Umsätze. Dies ist jedoch nur möglich für Konzerne, die aus mindestens 30 Unternehmen bestehen. Noch fehlt die Praxiserfahrung, um abzuschätzen, ob und für wen so ein Zusammenschluss überhaupt sinnvoll ist. Es ist aber nicht erkennbar, wieso diese Möglichkeit einem aus nur 29 Unternehmen bestehenden Konzern verwehrt werden muss.
Fazit
Über Sinn und Unsinn einer vom allgemeinen Staatshaushalt losgelösten Radio- und Fernsehabgabe sowie der Finanzierung öffentlich-rechtlicher Sender lässt sich wunderbar streiten. Diese Debatte wurde intensiv geführt und der Souverän hat sich in zwei Volksabstimmungen 2015 (RTVG) und 2018 (No-Billag) für die heutige Lösung ausgesprochen. Unter dieser Ausgangslage erscheint uns die vorgesehene Umsetzung in Bezug auf Privatpersonen wie auch die meisten Schweizer Unternehmen pragmatisch und vertretbar, und dürfte neben einer bürokratischen Vereinfachung auch für viele eine finanzielle Entlastung bringen. Für eine Gruppe von Schweizer Unternehmen wird der Erfassungsaufwand für die MWST allerdings zunehmen, da eine weit verbreitete und zumindest inoffiziell tolerierte Vereinfachung bei der Deklaration wegfallen wird.
Für ausländische Unternehmen hingegen entsteht durch das Zusammentreffen zweier Gesetzesänderungen eine deutliche und nicht zu rechtfertigende Mehrbelastung ohne nachvollziehbaren Grund, ohne Gegenleistung und ohne eine vernünftige Möglichkeit der Kontrolle. Aufgrund des zeitlichen Ablaufs kann sich der Gesetzgeber unmöglich dieser Konsequenzen bewusst gewesen sein.
Als einzigen Ausweg sehen wir daher eine baldige Gesetzesänderung, mit der ausländische Unternehmen ohne Niederlassung in der Schweiz entweder ganz von der RTV-Abgabe befreit werden oder für diese zumindest nur der in Schweiz erzielte Umsatz für die RTV-Tarifkategorie berücksichtigt wird. Dies scheint uns zusätzlich notwendig, weil andere Länder die neue Regelung früher oder später als nichttarifäres Handelshemmnis und Verstoss gegen Freihandelsabkommen sehen werden und damit zusätzlicher WTO- und EU-Ärger vorprogrammiert ist.
Falls der Gesetzgeber wirklich die RTV-Abgabe auch von ausländischen Unternehmen auf dem weltweiten Umsatz erheben will, dann braucht es wenigstens eine pragmatische Regelung, dass weiterhin die Deklaration der für die korrekte MWST-Erhebung völlig ausreichenden Schweizer Umsätze genügt, und die Tarifstufe für die RTV-Abgabe anderweitig geschätzt bzw. gemeldet werden kann.
Quelle: artax Fide Consult / www.artax.ch
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