Lohndiskriminierung von Frauen – noch lange nicht vom Tisch

Die Beseitigung von Diskriminierung ist in allen Industriegesellschaften ein Thema. Das Credo unserer Zeit lautet: Gleiches Chancen und gleiches Recht für alle. Auf dem Papier stimmt diese These in der Regel auch. In der Praxis sieht es leider nicht selten anders aus.

Auch bei der Lohndiskriminierung von Frauen wird dieses Faktum deutlich. In der Schweizer Privatwirtschaft ist das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen in den letzten 20 Jahren zwar geschrumpft, sein Ausmass ist jedoch nach wie vor gravierend.

Im Jahr 1994 verdienten Schweizerinnen im Schnitt 23,8 % weniger als ihre männlichen Kollegen. Die „Schweizerische Lohnstrukturerhebung 2012“ des Bundesamtes für Statistik (BfS) wies einen Wert von 18,9 % aus. In absoluten Zahlen: Der Medianlohn von Frauen belief sich 2012 brutto auf 5317 Franken, Männer verdienten dagegen im Schnitt 6553 Franken monatlich. Zwischen den einzelnen Branchen gibt es jedoch grosse Unterschiede.

Geschlechterspezifisches Lohngefälle – in der Finanzbranche am grössten

Relativ nahe beieinander liegen demnach die Löhne weiblicher und männlicher Beschäftigter im Hotellerie- und Gastgewerbe. Die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen lag hier bei 7,8 %. Ähnlich gelagert ist sie mit 10 % im Baugewerbe. Ganz andere Dimensionen weist das Lohngefälle im Bereich der Finanzdienstleistungen auf: Der Brutto-Medianlohn von Frauen belief sich 2012 bei Banken, Versicherungen und anderen Unternehmen in der Branche auf 7568 Franken, bei Männern dagegen auf 11’054 Franken. Der geschlechtsbedingte Lohnunterschied lag hier bei 31,5 %.

Lohndiskriminierungs-Zahlen für die Schweiz sollen im Laufe des Jahres folgen

Diese Zahlen liefern noch keine Anhaltspunkte für das tatsächliche Ausmass sowie die Gründe der Lohndiskriminierung zwischen den Geschlechtern. Lohngleichheit würde heissen, dass Menschen mit gleichen Merkmalen – identischem Bildungsstand oder vergleichbarer Berufserfahrung – auch ein gleich hohes Salär beziehen. Als Differenzierungsmerkmale kommen hier natürlich die allgemeine Lohnstruktur der Branche sowie die Lohnpolitik des jeweiligen Unternehmens hinzu. Als Lohndiskriminierung bezeichnen Statistiker den Rest, der sich nicht aus solchen objektiv gegebenen Faktoren erklären lässt. Das BfS will die gerade veröffentlichte Lohnstrukturerhebung jetzt durch Berechnungen zu geschlechterspezifischer Lohndiskriminierung ergänzen, die im Lauf dieses Jahres erscheinen sollen.

Lohnabstand zwischen Frauen und Männern – auf qualifizierten Positionen grösser

Aus Sicht der Statistiker war das geschlechterspezifische Lohngefälle in der Schweiz bisher zwar langsam, aber kontinuierlich zurückgegangen. 2010 lag der Brutto-Medianlohn von Männern um 677 Franken über dem von Frauen – in der Lohnstrukturerhebung 2008 betrug dieser Unterschied noch 745 Franken. Eine objektive Erklärung – etwa durch unterschiedliche Bildungsstandards – gibt es für beide Werte nicht.

Für 2012 kommt das BfS nun zu einem etwas anderen Schluss: Demnach wird der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern der Tendenz nach umso grösser, je höhere Anforderungen und Verantwortlichkeiten mit einem Job verbunden sind. In den höchsten Lohngruppen respektive auf Management-Positionen fanden sich geschlechterspezifische Lohnunterschiede von 26,5 %, im untersten Lohnsegment schlugen diese dagegen nur mit 12,6 % zu Buche.


Frauenberufe
. (Bild: Goodluz / Shutterstock.com)
Frauenberufe
. (Bild: Goodluz / Shutterstock.com)


Niedrigere Einstiegsgehälter, Frauenberufe, Teilzeit und Familienarbeit

Die Ursachen für die geschlechterspezifischen Unterschiede der Entlohnung finden sich in verschiedenen Dimensionen. Die Gewerkschaft Unia nennt einige Fakten:

  • Frauen erhalten oft bereits beim Einstieg in den Beruf ein niedrigeres Salär als Männer. Die Voraussetzungen für Lohnungleichheit werden also schon früh geschaffen und setzen sich danach während des gesamten Arbeitslebens fort.
  • Typische Frauenarbeiten werden gesellschaftlich weniger geschätzt und dementsprechend auch schlechter bezahlt als die Arbeit in „typisch männlichen“ Berufen.
  • Den grössten Teil der Familienarbeit leisten auch heute Frauen, die sich deshalb deutlich öfter als Männer für eine Teilzeitstelle entscheiden. Teilzeit arbeiten in der Schweiz derzeit 57 % aller erwerbstätigen Frauen, bei den Männern sind es gerade einmal 12 %. Aufstiegsmöglichkeiten und damit auch die Chance auf einen höheren Verdienst sind auf den Teilzeitarbeitsplätzen kaum gegeben.
  • Unabhängig von ihrer Qualifikation erreichen Frauen im Vergleich zu Männern deutlich seltener eine Vorgesetztenposition oder steigen in die Unternehmensleitung auf. Nur 23 % aller berufstätigen Frauen besetzen Führungspositionen. Bei den Männern schaffen immerhin 37 % diesen Aufstieg.

Hinzu kommt, dass sich Frauen bei ihrer Berufswahl auch heute noch vorrangig für die sogenannten „Frauenberufe“ entscheiden und für ihre Aufstiegs- und Entlohnungschancen damit grundsätzlich die Weichen stellen. Naturwissenschaftliche und technische Berufe mit vergleichsweise hohen Durchschnittslöhnen sind dagegen auch heute eine vorwiegend männliche Domäne.

Zurückhaltung bei Gehaltsverhandlungen und Loyalität zum Arbeitgeber

Auch in Gehaltsverhandlungen punkten Frauen oft nicht durch Selbstbewusstsein. Verschiedene Studien zeigen, dass Frauen selbst auf höheren Positionen dazu neigen, ihre eigenen Leistungen zurückzustellen – in ihrer Aussendarstellung fokussieren sie sich vor allem auf „die Sache“ und den Erfolg ihres gesamten Teams. Ausserdem arbeiten Frauen überdurchschnittlich häufig in kleineren Unternehmen, die in der Regel neben einem vergleichsweise niedrigeren Verdienstniveau auch geringere Aufstiegschancen bieten.

Auch die wenig ausgeprägte Bereitschaft vieler Frauen zu einem gezielten Stellenwechsel zeigt hier Wirkung: Bei Männern – zumal in Führungspositionen – ist es gang und gäbe, den eigenen Marktwert regelmässig auszutesten und sich gegebenenfalls für eine besser bezahlte Stelle zu entscheiden. Der Gehaltszuwachs bei einem solchen Wechsel beläuft sich normalerweise auf mindestens 10 %. Für viele Frauen sind dagegen Loyalität zum aktuellen Arbeitgeber sowie Sicherheit die dominanten Werte.

Lohndiskriminierung von Frauen – nicht auf die Schweiz begrenzt

Lohndiskriminierung von Frauen ist im Übrigen nicht nur in der Schweiz ein Thema. Im Durchschnitt der Europäischen Union verdienen Frauen rund 17 % weniger als Männer. Die Gründe dafür sind die gleichen wie in der Schweiz: Die unterschiedliche Verteilung von Frauen und Männern auf verschiedene Wirtschaftszweige mit unterschiedlichen Lohnstrukturen, die nicht linearen Erwerbsbiografien von Frauen durch längere oder auch mehrfache Familienpausen sowie – gerade vor diesem Hintergrund – die unterschiedliche Bewertung „männlicher“ und „weiblicher“ Karrieren durch die Arbeitgeber.

 

Oberstes Bild: © Mellimage – Shutterstock.com

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