Gefahren für den Arbeitsmarkt, Grundsatzurteil zum Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer

Die Auswirkungen des starken Frankens auf die Schweizer Wirtschaft sind ein Dauerthema – der Einfluss auf den Arbeitsmarkt wird sich sehr wahrscheinlich erst in der zweiten Jahreshälfte in vollem Ausmass zeigen.

Das Bundesgericht hat in der vergangenen Woche ein Grundsatzurteil verabschiedet, das den Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer verbessern soll, ohne deren Arbeitsmarktchancen durch allzu strikte Auflagen für die Unternehmen zu verkleinern. Die Credit Suisse publizierte eine Studie, in der es darum geht, ob Kapitalverkehrskontrollen den Aufwertungsdruck auf den Franken mindern könnten. In Grossbritannien rückt das Referendum über die EU-Mitgliedschaft der Briten näher, die Abstimmung über den „Brexit“ könnte schon 2016 auf der Tagesordnung stehen.

Verliert die Schweiz in absehbarer Zukunft bis zu 50´000 Jobs?

Auf dem Schweizer Arbeitsmarkt herrscht derzeit trügerische Ruhe. Besorgt blicken vor allem Firmen aus der Elektro-, Maschinenbau- und Metallindustrie in die Zukunft. Durch die Aufhebung des Mindestwechselkurses haben sich ihre Produkte schlagartig um rund 15 % verteuert. Beobachter

befürchten, dass in diesen Branchen bis zum Jahresende rund 4.000 Jobs verloren gehen werden. In welchem Masse der Arbeitsmarkt der Schweiz unter der Franken-Stärke leidet, dürfte sich erst in der zweiten Jahreshälfte zeigen. Bisher wurden deren Folgen durch saisonale Effekte abgemildert. Hinzu kommt, dass sich die Auswirkungen veränderter Marktbedingungen auf den Arbeitsmarkt generell erst zeitverzögert zeigen.

Die Zahl der Stellenausschreibungen Schweizer Unternehmen hat seit dem Jahresanfang deutlich abgenommen. Die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich prognostiziert anhand von Modellrechnungen den Abbau von 30´000 bis 50´000 Stellen. Die Arbeitslosenquote dürfte sich damit im nächsten Jahr von derzeit 3,1 % auf – im internationalen Vergleich immer noch sehr niedrige – 3,5 % erhöhen. Neue Jobs entstehen derzeit vor allem in staatsnahen Bereichen und im Gesundheitswesen, aber auch im Finanzsektor.


Verliert die Schweiz in absehbarer Zukunft bis zu 50´000 Jobs? (Bild: © bloomua – shutterstock.com)

Wenig Kurzarbeit und stagnierende Saläre

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) nennt einige weitere Zahlen. Demnach leiden rund zwei Drittel der Unternehmen in der Eidgenossenschaft unter dem starken Franken. Von diesen haben wiederum etwa zwei Drittel bis Anfang Juni Entscheidungen über längere Arbeitszeiten, Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland oder Personalabbau getroffen. Dieser Trend wird sich in der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich verstärken. Auf Kurzarbeit greifen die Firmen anders als in den Krisenjahren 2009 bis 2011 bisher seltener zurück. Der Grund liegt darin, dass sie nicht unter mangelnder Nachfrage, sondern unter Kostenproblemen leiden.

Auf die Löhne hat sich der starke Franken bisher nur wenig ausgewirkt – Experten rechnen im Gegenteil damit, dass die Nominallöhne in diesem Jahr noch um 0,5 bis 1 % steigen. 2016 müssen viele Beschäftigte jedoch mit Nullrunden rechnen, was den Sozialpartnern nach einer langen Zeit des Einvernehmens einen „heissen Herbst“ bescheren könnte. Viele Politiker und die Arbeitgeber sind sich allerdings darüber einig, dass eine restriktive Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative auf lange Sicht gravierendere Auswirkungen auf die Dynamik und Flexibilität des Schweizer Arbeitsmarktes haben wird.

Grundsatzurteil: „Letzte Chance“ für ältere Arbeitnehmer vor der Kündigung

Eine OECD-Studie hat der Schweiz kürzlich bescheinigt, dass die Eidgenossenschaft Nachholbedarf im Hinblick auf den Schutz ihrer Arbeitnehmer vor Altersdiskriminierung hat. Das Bundesgericht hat jetzt ein vorinstanzliches Urteil bestätigt, das einen besseren Kündigungsschutz für ältere Mitarbeiter sichern soll. Konkret geht es dabei um den Fall eines 59-jährigen, der mit einigen Unterbrechungen 35 Jahre „gut und loyal“ für sein Unternehmen tätig war und vor Gericht eine recht bescheidene Abfindung in Höhe von zwei Monatslöhnen erstritten hatte. Mit seinem Grundsatzurteil verbietet das Bundesgericht die Entlassung älterer Arbeitnehmer nicht grundsätzlich, sondern definiert drei Pflichten für die Unternehmen: Vor einer Kündigung müssen die Firmen ältere Entlassungs-Kandidaten informieren, anhören und ihnen danach eine letzte Chance gewähren.


Vor einer Kündigung müssen die Firmen ältere Entlassungs-Kandidaten informieren, anhören und ihnen danach eine letzte Chance gewähren. (Bild: © Minerva Studio – fotolia.com)

Damit haben die Bundesrichter den Unternehmen nur recht moderate Pflichten aufgebürdet. Ab welchem Alter und nach welcher Anzahl von Dienstjahren ein Mitarbeiter eine solche letzte Chance verdient, bleibt offen – sehr wahrscheinlich aus einem guten Grund: Klare Regelungen in dieser Hinsicht könnten durchaus dazu führen, dass sich die Firmen kurz vor dem Erreichen dieser Grenzen für eine Kündigung entscheiden. Eine Studie der KOF kam erst kürzlich zu dem Ergebnis, dass ältere Arbeitnehmer in der Schweiz zwar nicht häufiger arbeitslos werden als in den 1990er Jahren – falls sie entlassen werden, tragen sie jedoch ein sehr hohes Risiko, langzeitarbeitslos zu werden.

Credit-Suisse-Studie: Absage an Kapitalverkehrskontrollen 

Kapitalverkehrskontrollen sind nicht nur im krisengeplagten Griechenland, sondern angesichts des starken Frankens auch in der Schweiz ein Thema. Auch SNB-Chef Thomas Jordan hat diese Möglichkeit schon öffentlich erwähnt. Durch die Publikation der Exportstatistik für das erste Halbjahr 2015, die der Eidgenossenschaft einen Rückgang ihrer Ausfuhren um 2,6 % bescheinigt, wurden die Debatten darüber wieder angeheizt. Eine Studie der Credit Suisse beschreibt, worum es in der Eidgenossenschaft bei solchen Massnahmen gehen würde – die Analysten meinen jedoch, dass ihre Einführung schwierig und ihre Wirksamkeit beschränkt ist.

Im Gegensatz zu Griechenland und anderen Krisenstaaten (Island 2009, Zypern 2013) hätten Kapitalverkehrskontrollen in der Schweiz nicht die Aufgabe, Kapitalabflüsse zu verhindern, sondern müssten in der Lage sein, den Zustrom ausländischen Kapitals zu limitieren. Zur Debatte stünden sie in der Eidgenossenschaft allerdings nur dann, wenn sich die Krise in der Europäischen Gemeinschaft abermals verschärft und der Euro-Kurs auf 95 oder sogar 90 Rappen fällt. Möglich wären in diesem Fall die Begrenzung von Geldabhebungen auf 100 oder 500 Franken sowie die Erhebung einer Gebühr von 2 % pro Transaktion.

Die Regierung und die SNB haben bereits 2011 eine Task Force installiert, die sich mit der Möglichkeit von Kapitalverkehrskontrollen beschäftigt, zu einem unveröffentlichten Bericht des Gremiums gibt es seither immer wieder Spekulationen. Möglicherweise kamen die Task-Force-Analysten ja zum gleichen Ergebnis wie die Credit Suisse: Kapitalverkehrskontrollen würden den Aufwertungsdruck auf den Franken nicht reduzieren, zumal sie auf den internationalen Märkten gar nicht greifen, wohl aber durch Restriktionen für ausländische Anleger der Reputation des Finanzplatzes Schweiz empfindlich schaden. Die Credit Suisse bescheinigt der SNB in diesem Kontext, mit ihrer bisherigen Strategie auf dem richtigen Weg zu sein.


Die Credit Suisse publizierte eine Studie, in der es darum geht, ob Kapitalverkehrskontrollen den Aufwertungsdruck auf den Franken mindern könnten. (Bild: © Simon Zenger – shutterstock.com)

Negativzinsen und Fremdwährungskäufe – die richtige Strategie gegen das Franken-Hoch?

Bei diesem Punkt geht es um die von der SNB längst eingeführten Negativzinsen, die geltenden Restriktionen für Immobilienkäufe von Ausländern ohne Schweizer Wohnsitz sowie Fremdwährungskäufe der Nationalbank zur Beeinflussung des Wechselkurses – im weiteren Sinne können auch diese Massnahmen als Kapitalverkehrskontrollen gelten. Bei einer weiteren Aufwertung des Frankens würde die SNB sehr wahrscheinlich zunächst diese Interventionsmöglichkeiten noch stärker nutzen als bisher. Darüber hinausgehende Restriktionen fallen aus Sicht der SNB zudem nicht unter das Mandat der SNB, sondern in die direkte Zuständigkeit des Bundes und des Parlamentes, da sie Gesetzesänderungen sowie Neuverhandlungen diverser internationaler Vereinbarungen der Schweiz erfordern würden.

Kommt das „Brexit“-Referendum schon im nächsten Jahr?

Ob sich das Abkommen zwischen der Euro-Zone und Athen als tragfähig erweist, steht in den Sternen. Viele Beobachter gehen davon aus, dass es den Beteiligten an Überzeugung und dem Reformprogramm an Realismus mangelt. Mit anderen Worten: Die von Griechenland ausgehenden Gefahren für den Bestand der Euro-Zone sind keineswegs vorbei, zumal anhand des Griechenland-Debakels überdeutlich wird, wie tief die Gräben zwischen den einzelnen Euro-Ländern zum Teil sind.

Inzwischen gibt es auch eine recht konkrete Frist für eine andere Entscheidung, die für die Einheit der Europäischen Union mindestens ebenso problematisch werden könnte. Zu den Wahlversprechen des britischen Premierministers David Cameron gehörte ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft der Briten, das jetzt statt 2017 schon im nächsten Jahr auf der Agenda steht. Der exakte Termin soll laut einem Bericht der britischen Zeitung „The Independent“ auf dem Parteikongress der Tories im Oktober 2015 offiziell verkündet werden. Eine Bestätigung durch Cameron oder seine Tories gibt es bisher nicht, trotzdem sind die Pläne für eine schnelle Abstimmung nicht ganz unwahrscheinlich. Der Anteil der EU-Skeptiker ist in Grossbritannien seit jeher gross, die Ereignisse um Griechenland gaben den Befürwortern des „Brexits“ weiteren Auftrieb.



Eine Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung ging zwar schon vor einigen Monaten davon aus, dass ein Austritt Grossbritanniens für die EU verkraftbar wäre – mit dem politischen Schaden für die Europäische Gemeinschaft sowie der „Vorbildwirkung“ für andere Mitgliedsländer sieht es möglicherweise anders aus.

 

Oberstes Bild: © Marco2811 – fotolia.com

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