Zum Wunschgehalt durch die richtige Verhandlungstaktik

Gehaltsverhandlungen gehören im Business-Alltag zu den wirklich ungeliebten Terminen. Die Fragen lauten jeweils: Wie sag ich’s meinem Chef? Wie wirke ich überzeugend? Und vor allem: Wie erreiche ich mein Ziel?

Die Ratgeberliteratur zum Thema ist recht umfangreich – die Ratschläge für die Verhandlung sind jedoch weitgehend identisch. Gehaltscoach Rasmus Tenbergen hat an der US-amerikanischen Elite-Uni Harvard über Verhandlungstechniken promoviert und meint, die Chance – und die Crux – jeder erfolgreichen Gehaltsverhandlung liegt in der richtigen Verhandlungstaktik.

Voraussetzungen für ein erfolgreiches Gehaltsgespräch sind demnach gute und sachlich vorgetragene Argumente; das jeweils stärkste kommt zum Schluss. Begründungen, die sich nicht auf die eigene Leistung respektive den persönlichen Beitrag zu den Unternehmenszielen beziehen – die steigende Inflation, die Hypothek oder die Tatsache, dass ein Kollege auf der gleichen Position angeblich mehr verdient – sind absolut tabu.



Bewerber, die sich im Einstellungsgespräch „unter Wert“ verkaufen, signalisieren, dass sie nicht in der Lage sind, ihre Leistung richtig einzuschätzen und werden auch künftig Schwierigkeiten haben, ihr Gehalt angemessen aufzustocken. Zu hohes Pokern kann sie andererseits jedoch schnell aus dem Rennen werfen. Für bereits eingestellte Mitarbeiter spielt für eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung natürlich auch der richtige Zeitpunkt eine Rolle – mitten in einer Rezession oder wenn es der Firma aus anderen Gründen schlecht geht, dürfte der Chef den Wunsch nach mehr Gehalt in der Regel nicht goutieren.

Theoretisch klingt dieser Kanon logisch – für viele Arbeitnehmer bleibt jedoch trotzdem offen, wie die verschiedenen Punkte in die Praxis umzusetzen sind. An dieser Stelle setzen das Gehaltsverhandlungs-Coaching von Rasmus Tenbergen an, dessen Grundsätze sich im Übrigen auch auf Vertrags-, Honorar- und Preisverhandlungen von Freiberuflern und Selbstständigen übertragen lassen.


Die Crux der erfolgreichen Gehaltsverhandlung liegt in der richtigen Verhandlungstaktik (Bild: Didi01 / pixelio.de)


Falsche Selbsteinschätzung führt zu schlechteren Verhandlungspositionen

In einem Gespräch auf dem Online-Portal der „Zeit“ erklärt Tenbergen, dass viele Menschen in Verhandlungen bereits an ihrer Selbsteinschätzung scheitern, die deshalb auch am Anfang seines Trainings steht. Viele, wenn nicht die meisten, halten sich für weichere Verhandlungspartner, als sie eigentlich sind – wobei ein weicher Verhandlungsstil durchaus seinen Vorteil hat.

Aus Tenbergens Sicht hat ein harter Verhandlungsstil nur dann Erfolg, wenn das Gegenüber ein weicher Verhandlungspartner ist. Trifft dagegen Hart auf Hart, gerät die Verhandlung entweder schnell ins Stocken oder hat vergleichsweise schlechte Ergebnisse zur Folge. Inhaltlich optimal ist es, wenn zwei weiche Verhandlungspartner aufeinandertreffen, da beide nicht nur ihre eigenen Interessen, sondern auch die Voraussetzungen der anderen Seite im Blick behalten.

„Zeit“-Autorin Tina Groll machte in Tenbergens Coaching die Probe aufs Exempel – und musste feststellen, dass schon der Fragebogen zur Selbsteinschätzung einige Überraschungen barg. So kooperativ, wie sich bisher selbst gesehen hatte, war sie offensichtlich nicht. Positionen aufgeben oder Verluste machen – in solchen Punkten fand sie sich nicht wirklich wieder. Experte Tenbergen hält dagegen, dass in Verhandlungen immer der Grundsatz gilt, dass das Problem der einen auch das Problem der anderen Seite ist.

Folglich steht den Verhandlungspartnern auch die gleiche Zahl von Hebeln zur Verfügung. In Gehaltsverhandlungen fühlen sich Arbeitnehmer jedoch fast immer unterlegen – in Zeiten des Fachkräftemangels ein folgenreicher Trugschluss. Ein kluger Arbeitgeber wird vermutlich nur um etwas Geld zu sparen, nicht riskieren, einen guten Mitarbeiter zu verlieren oder nachhaltig zu demotivieren. Zudem gehe es bei Gehaltsverhandlungen sehr oft nicht allein ums Geld, sondern um ein komplexes Bündel verschiedener Konditionen, also auch um Standortfragen, Dienstwagen, Urlaub, Weiterbildungen sowie gegebenenfalls auch um Gewinnbeteiligungen. In Gehaltsverhandlungen gibt es also viele Möglichkeiten, am Ende einen Konsens zu erreichen, von dem beide Seiten profitieren.

Rollenspiel mit Tücken und ein schlechter Kompromiss

Wirklich spannend war ein Rollenspiel, in der die Journalistin den Part einer Managerin übernahm, die in einem neuen Unternehmen mindestens 100.000 Euro pro Jahr verdienen und ihre Wohnort – Berlin – möglichst nicht verlassen will, wofür sie gegebenenfalls auf etwas Gehalt verzichten würde. Ihr potentieller Arbeitgeber würde sie allerdings lieber am Standort Hamburg sehen. Ausserdem weiss sie, dass es eine Konkurrentin gibt, die ihren Gehaltswunsch bereits verhandelt hat.

Tenbergen als Verhandlungspartner bietet ihr zunächst 98’000 Euro für Berlin – was sie bei ihrer Qualifikation und Erfahrung nicht als leistungsgerechte Vergütung akzeptieren kann und will. Sie fordert schliesslich 110’000 Euro und weist auf bestehende Konkurrenzangebote hin. Den Schlüsselsatz des Trainers, der das verlangte Gehalt „nur ungern zahlen“ würde, interpretiert sie als die Überleitung zu einem klaren Nein. Der ausgehandelte Kompromiss lautet schliesslich: 110’000 Euro, jedoch nur für Hamburg.

Bei der Auswertung des Gesprächs macht ihr Tenbergen klar, dass er sie über den Tisch gezogen und sie ihm die Tür dafür geöffnet hat. In der Verhandlung standen für beide Seiten zwei Themen zur Debatte – das Gehalt sowie der Einsatzort. Hinter „ungern“ verbarg sich kein Nein, sondern die Botschaft, dass mit den 110’000 Euro die Schmerzgrenze des Arbeitgebers für Berlin erreicht war.

Für Hamburg hatte die „Bewerberin“ das tatsächliche Limit ihres Gegenübers nicht einmal ansatzweise ausgelotet. Durch ihre beiden taktischen Fehler – eine falsche Annahme und den Verzicht auf jede Verhandlung über die Vergütung am ungeliebten zweiten Standort – hat sie sich in die Defensive manövriert. Ihr Verhandlungspartner hätte maximal 110’000 Euro für Berlin gezahlt, wäre für Hamburg jedoch bereit gewesen, nochmals 10’000 Euro jährlich draufzulegen.

Die Analyse der Verhandlungstaktik des Gegenübers ist entscheidend

Eigene Fragen hält der versierte Coach in Gehaltsgesprächen für wichtig, um die Verhandlungszone auszuloten. Wer zuerst ein Angebot abgibt, definiere damit in der Regel eine Maximalforderung oder eine Untergrenze – die allenfalls Anhaltspunkte für den realen Spielraum der Verhandlung geben. Von komplizierten Argumentationsketten, die den Arbeitgeber von der Kompetenz des Bewerbers oder Mitarbeiters überzeugten sollen, hält er dagegen nichts. Wer es im Bewerbungsverfahren bis zum Gehaltsgespräch geschafft hat oder bereits erfolgreich in einem Unternehmen tätig ist, kann sich recht sicher sein, dass er bereits durch seine Referenzen, Expertisen und/oder seine Leistung überzeugt hat.

Viel wichtiger ist es aus Tenbergens Sicht, die Verhandlungstaktik des Gesprächspartners zu analysieren. Solange die Verhandlung nicht abgebrochen wird, ist sie erfolgreich. Vorauseilender Gehorsam führe ebenso wie Unaufmerksamkeit jedoch zu schlechten Resultaten. Äusserungen wie „das ist viel Geld“, „würde ich ungern zahlen“, „erfordert eine Gegenleistung“ sind in der Regel keine Ablehnung, sondern ein Signal, dass der Arbeitgeber unter bestimmten Vorrausetzungen bereit ist, das Wunschgehalt zu zahlen.

 

Oberstes Bild: Zum Wunschgehalt durch die richtige Verhandlungstaktik (Bild: © Picture-Factory – Fotolia.com)

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