Bewerbungsknigge für Unternehmen

Irgendwann war jeder einmal so jung, dass er dachte, mit einer guten Ausbildung kommt der Job von selbst. Nach der zehnten Absage stellt sich auch beim hartgesottensten Optimisten irgendwann der leise Zweifel ein, ob das denn alles so mit rechten Dingen zugeht.

Die Antwort lautet: Nein. Schon lange nicht mehr. Denn die Gründe für eine Absage liegen in den meisten Fällen nicht beim Bewerber.

Stellenanzeigen – billige Werbung

Es ist leider heute noch Praxis, dass Unternehmen Anzeigen schalten, um im Gedächtnis zu bleiben. Ob online oder Print: Stellenanzeigen sind erheblich billiger als Werbeanzeigen. Dennoch bekommt das Unternehmen die Möglichkeit, seinen Namen und sein Logo gross und breit zu präsentieren. Was damit an Hoffnungen und nutzloser Arbeit ausgelöst wird – sei´s drum, man muss auch mal verlieren können. Diese Arroganz kann die Unternehmen teuer zu stehen kommen. Hier sind noch einige andere Fehler aufgezeigt, welche heute im Bewerbungsprozess von den Unternehmen begangen werden.

Intern zu besetzende Stellen extern ausschreiben

Was besonders aufstösst ist, dass viele Unternehmen zwar eine offene Stelle zu besetzen haben und diese auch ausschreiben – dann aber erst einmal schauen, ob sich ein interner Bewerber finden lässt. Vielleicht stellen sich ja Kaskadeneffekte ein, an deren Ende sich vielleicht sogar ein kompletter Arbeitsplatz wegrationalisieren lässt. Und wieder stapeln sich im Posteingang hunderte Bewerbungen von hoffnungsvollen Aspiranten. Und wieder gehen Tausende von nutzlos vergeudeten Arbeitsstunden ins Nirvana.

Wenn schon einen externen, dann aber bitte nur den Besten

Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn man das Niveau seines Betriebes heben möchte. Ob sich „der Beste“ angesichts des Durchschnitts, der sich sonst in den eigenen Reihen tummelt, dort wirklich wohlfühlen wird, steht auf einem anderen Blatt. „Die Besten“ wissen, dass sie die Besten sind. Ein Unternehmen in der tiefsten Provinz, welches eine Autostunde entfernt vom nächsten Kino liegt, sollte deshalb nicht unbedingt nach dem 32-jährigen Doppeldoktor mit fünf Jahren Berufserfahrung suchen. Der wird sich sowieso nicht melden. Die Brauchbaren, Ehrlichen und Tüchtigen, welche die Firma und die Umgebung vielleicht reizvoll gefunden hätten, werden sich jedoch ebenfalls nicht bewerben. Viel hilft eben nicht immer viel. 


Die Online-Bewerbung ist heute Standard. Auch für die Bewerber ist es herrlich bequem, wesentlich schneller und vor allem erheblich billiger, seine Unterlagen per E-Mail zu versenden. (Bild: Bacho / shutterstock.com)


Die IT entlasten – gut gedacht, oft schlecht gemacht

Die Online-Bewerbung ist heute Standard. Auch für die Bewerber ist es herrlich bequem, wesentlich schneller und vor allem erheblich billiger, seine Unterlagen per E-Mail zu versenden. Aber online ist nicht online, denn mittlerweile hat sich unter Bewerbern ein regelrechtes Hasswort etabliert: Der Bewerbungs-Assistent! Ehrlich: Nichts jagt einen Bewerber schneller die Wand hinauf als diese fürchterlich umständlichen, langwierigen und selten umfassend funktionierenden Tools.

Häufig macht ein Bewerber die Erfahrung, dass nach einer halben Stunde Einpflegen und Hochladen seiner Daten das System ganz einfach abstürzt. Es ist verständlich, dass einem Unternehmen damit viel Arbeit abgenommen wird, wenn die ganze Einpflegerei der Daten dem Bewerber aufs Auge gedrückt wird. Nur: Das macht ein Bewerber vielleicht zwei oder drei Mal – dann wird dieser Quatsch einfach ignoriert. Und wieder verpasst ein Unternehmen die Chance auf fähige Mitarbeiter. Denn – den Horror der Bewerbungsassistenten geben sich nur die Hartgesottensten und – man muss es leider so sagen – die verzweifeltsten Aspiranten. Der Bewerbungsassistent wirkt dahingehend wie ein Filter, welcher die Mitarbeiter, die sich offensichtlich alles gefallen lassen, durchlässt.

Darum hier der gut gemeinte Rat: Wenn Sie mit einem Bewerbungsassistenten arbeiten, kehren Sie bitte zur guten, alten Online-Bewerbung zurück. Diese stellt für alle Beteiligten das Optimum dar. Das Einpflegen der Bewerberdaten kann ein Azubi oder ein Leiharbeiter übernehmen. Das Geld hat jede Firma.

Jetzt geht´s los: Der richtige Bewerber ist gefunden!

Auch wenn sich ein Unternehmen noch so viel Mühe geben mag, nur die falschen Aspiranten anzusprechen – ein Juwel findet sich stets unter den Bewerbungen. Entsprechend freundlich wird dieser auf die Anfrage reagieren. Einer Einladung folgt deshalb meistens das Bewerbungsgespräch. Immer häufiger folgt aber heute einer Einladung die sofortige Absage des Bewerbers. Dabei war das Telefonat doch so freundlich! Was ist passiert?

Ganz einfach: Der in den Einladungsschreiben häufig verwendete Passus „Leider können wir nicht für entstehende Fahrtkosten aufkommen“ kommt nur äusserst selten gut an. Wieder sorgt das Unternehmen dafür, dass eine gewisse Grundverzweiflung mit dem Bewerber mitreist. Diejenigen, die ihren Marktwert kennen und auch entsprechend viele Einladungen bekommen haben, haben es schlicht und ergreifend nicht nötig. Sie können es sich auch meistens irgendwann nicht mehr leisten. Gute Bewerber sind rar – das wissen auch die anderen Unternehmen. Ein Bewerber ist aber in der Regel arbeitslos und hat nur entsprechend geringe Mittel zur Verfügung. Die Übernahme der Fahrtkosten ist bei entsprechend vielen Angeboten ein echtes Entscheidungskriterium. Abgesehen davon: Wenn der Bewerber schon eingeladen, dann aber auf den Reisekosten sitzen gelassen wird, wie sollen sich dann die Gehaltsverhandlungen gestalten?

Obacht – auch Bewerber haben eine Lobby

Schon mal was von „Kununu“ gehört? Wenn nicht, wird es höchste Zeit. Einfach mal das eigene Unternehmen eingeben und sich die Bewertungen ansehen. Neben Mitarbeitern haben auch Bewerber die Möglichkeit, ihre Erfahrungen mit der Firma dort wieder zu geben. Das kann zu schmerzlichen Aha-Effekten führen und die Frage beantworten, warum man nur noch Anfragen von „Übriggebliebenen“ bekommt.

Fazit: Bewerber sind auch Menschen

Wie man in den Wald hineinruft… – das gilt heute auch für den Bewerbungsprozess. Es ist an der Zeit, Bewerber wieder in allen Belangen mit Würde, Anstand und Respekt zu begegnen. Dann hört auch vielleicht dieses ewige Gejammer nach guten Mitarbeitern auf. 

 

Oberstes Bild: © ollyy – shutterstock.com

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