Alkoholmissbrauch im Unternehmen: Die Bombe Alkohol ist kaum zu entschärfen

Ein Fläschchen Bier nach Feierabend, ein Tässchen Glühwein am Weihnachtsmarkt oder ein kleiner Kelch Sekt zum Geburtstag – für die meisten Erwachsenen ein völlig normaler Alkoholkonsum. Alkohol ist kulturell akzeptiert und gesellschaftlich integriert. Er hilft, auf Feiern das „Eis zu brechen“, und unterstützt bei gegebenen Anlässen durchaus das Aufkommen guter Laune. Aber bei aller gesellschaftlicher Akzeptanz und Integration – Alkohol ist und bleibt ein Nervengift, welches ein enorm hohes Suchtpotenzial mit äusserst destruktiven Folgen haben kann.

In Unternehmen gilt deshalb heute ein rigoroses Alkoholverbot. Dies ist rein rechtlich ohnehin kaum noch anders machbar. Zwar dulden viele Unternehmen das Gläschen Sekt zum Einstand, Ausstand oder Geburtstag eines Mitarbeiters. Aber auch diese, früher völlig normalen, Anlässe, im Betrieb Alkohol zu trinken, werden heute zunehmend unterbunden.

Das Problem mit dem Alkohol ist seine schleichende Destruktivität. Alkohol kann zu Beginn des regelmässigen Konsums durchaus förderlich für die Leistung sein. Störeinflüsse werden reduziert, die Konzentration wird scheinbar gesteigert und vor allem Stress und Belastung nehmen mit einem kleinen Rausch spürbar ab. Was aber mit einem Sekt zum Frühstück beginnt, kann sich zu einer Flasche Hochprozentigem am Tag auswachsen. Und dann fangen die Probleme an.

Von einem berauschten Mitarbeiter geht gleich eine ganze Reihe an Gefahren aus. Informationen werden nicht weitergeleitet oder falsch wiedergegeben. Die Motorik des Mitarbeiters ist herabgesetzt, weswegen das Führen von Fahrzeugen und Maschinen zunehmend schwierig wird. Schliesslich ist die Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter durch eine Reihe unangenehmer Begleiterscheinungen zunehmend unmöglich. Aggressivität, die Tendenz zur Unwahrheit, Gewaltausbrüche, Diebstähle und viele andere negative Verhaltensweisen sind für Alkoholiker vollkommen typisch.

Was machen nun Mitarbeiter, die ein solches Verhalten bei einem Kollegen bemerken? Oftmals wird reflexartig ignoriert. Der sich langsam einschleichende Prozess des zunehmenden Kontrollverlustes des Alkoholikers macht es dabei leicht, den Missbrauch lange Zeit unbemerkt zu lassen. Neben der Ignoranz ist das „Es geht mich nichts an“-Gefühl vorherrschend.

Aber das ist leider gänzlich falsch. Besonders wenn ein Mitarbeiter mit potenziell gefährlichen Dingen hantiert, kann im Schadensfall eine Mitwisserschaft hinsichtlich des Alkoholismus auch den Kollegen in die Haftung nehmen. Da aber quasi jeder Job in irgendeiner Weise mit Vertrauen und Verantwortung zu tun hat, sind schädliche Folgen im Zuge von Alkoholmissbrauch am Arbeitsplatz unvermeidlich.

Was also tun, wenn der Kollege wiederholt taumelt, lallt, Wahrnehmungsstörungen oder Gedächtnislücken zeigt? Als Mitarbeiter hat man da in erster Linie nur eine Möglichkeit: Der Vorgesetzte ist umgehend zu informieren. Es bedarf dazu einer gehörigen Portion Mut, denn viele Belegschaften leisten sich in diesem Punkt noch ein absolut rückständiges Bewusstsein.


Alkoholkonsum - Wenn ein Unfall, ein Geheimnisverrat oder ein Diebstahl begangen wurde, ist das Klagen gross und die Frage "Wer hat von dem Problem des Mitarbeiters gewusst? (Bild: Alkohol / Shutterstock.com)
Alkoholkonsum – Wenn ein Unfall, ein Geheimnisverrat oder ein Diebstahl begangen wurde, ist das Klagen gross und die Frage „Wer hat von dem Problem des Mitarbeiters gewusst? (Bild: Alkohol / Shutterstock.com)


Dennoch: Wenn ein Unfall, ein Geheimnisverrat oder ein Diebstahl begangen wurde, ist das Klagen gross und die Frage „Wer hat von dem Problem des Mitarbeiters gewusst?“ wird ganz oben auf der Agenda des Chefs stehen. Gleichwohl ist die Hemmschwelle enorm, in einem solchen Fall beim Vorgesetzten vorzusprechen. Betriebsräte und Vertrauenspersonen können in diesen Fällen ebenfalls weiterhelfen. Auch kann ein „Kummerkasten“ für die Information des Vorgesetzten eingesetzt werden. Bei besonders krassen Fällen ist jedoch eine externe Unterstützung zu empfehlen.

Ein Weg wäre beispielsweise, einen Anwalt mit der Überbringung des Verdachts zu beauftragen. Mit ihm formuliert der besorgte Mitarbeiter einen Brief, welcher ohne Angabe seiner Person dem Verantwortlichen zugesendet wird. Die Begründung für den anonymen Weg sollte man jedoch gleich mit formulieren. Dieser Weg ist im Schadensfall zudem besonders rechtssicher. Der Mitarbeiter ist schliesslich seiner Informationspflicht nachgegangen – und kann es beweisen.

Die Rechtslage in der Schweiz sieht vor, dass der Arbeitgeber unter Vorlage eines Attestes den Alkoholmissbrauch des Mitarbeiters als Krankheit anerkennen muss. Damit steht diesem die Möglichkeit einer Genesung zu. Doch dies muss vor Eintreten eines Schadensfalles geschehen. Der Mitarbeiter kann nicht erst sein Unternehmen gefährden und sich nach seiner Kündigung auf seine Krankheit berufen, um seinen Job doch zu behalten. Das Minimum an Eigenverantwortung, frühzeitig um Hilfe suchen zu wollen, wird vom alkoholkranken Mitarbeiter eingefordert.

Aber auch dann braucht ein Unternehmer seinen Mitarbeiter nicht beliebig oft in die Entziehungskur gehen zu lassen. Einen Schuss hat der Kollege frei, im Wiederholungsfall darf er jedoch sofort gekündigt werden. Alles andere wäre dem Betrieb und den Kollegen nicht zuzumuten.

Das menschliche Gehirn ist das komplizierteste Stück Materie im gesamten bekannten Universum. Es ist verständlich, dass jede Form von Vergiftung eine irritierende Verhaltensänderung nach sich zieht. Gerade beim Alkoholmissbrauch geschieht dies äusserst subtil und schleichend. Dafür entwickelt die Alkoholsucht in jedem Fall ein sehr robustes System zum Selbsterhalt. Die Dinge, welche zur Fortsetzung der Sucht getan und in Kauf genommen werden, sind nach menschlichen Massstäben kaum nachvollziehbar.

Besonders im Erheischen von Mitleid und Erzeugen von Schuldgefühlen können Alkoholiker in der aktiven Phase geschickt agieren. Umso eindeutiger sind die Aussagen derer, die ihre Sucht überwunden haben. Das Einzige, das einem Alkoholiker wirklich hilft, ist es, ihn die volle Verantwortung für sein Handeln spüren und tragen zu lassen. Falsch verstandenes Mitleid, Deckung durch Vorgesetzte und Kollegen oder anderes aktives Unterstützen verlängern in Wirklichkeit nur seinen Leidensweg. Wer einem Alkoholiker wirklich helfen will, der ist so hart wie möglich zu ihm. Damit schützt man sich auch selbst am besten.

 

Oberstes Bild: © Cameron Whitman – Shutterstock.com

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