BVG-Umwandlungssatz - Der Rentenklau einmal ganz anders betrachtet

Die Reform der Altersvorsorge 2020 befindet sich aktuell im Gesetzgebungsprozess, und die beiden Räte haben sich unterdessen darauf geeinigt, den BVG-Mindestumwandlungssatz von 6.8% auf 6.0% zu senken.

Wie jedes Mal, wenn die Berechnungsgrundlagen der beruflichen Altersvorsorge zur Diskussion stehen, wird vor allem von linker Seite lauthals „Rentenklau“ geschrien, auch wenn bei einer genaueren Betrachtung dieses „Diebstahls“ nicht wirklich klar wird, wer denn der Dieb sein soll.

Es gibt aber an ganz anderer Stelle einen durchaus realen Rentenklau, nämlich dann, wenn die Umwandlungssätze nicht oder zu spät gesenkt werden und deshalb die Beiträge und Kapitalerträge der heutigen Aktiven immer weniger in ihre eigene Altersvorsorge fliessen und immer mehr zur Subventionierung der heutigen Rentner zweckentfremdet werden müssen.

Im Folgenden möchten wir etwas Licht in die Funktionsweise des BVG-Umwandlungssatzes bringen und anhand einiger Zahlen dessen Problematik veranschaulichen.

Was ist der Umwandlungssatz?

Die berufliche Vorsorge (BVG) funktioniert nach dem Kapitaldeckungsverfahren, das heisst vereinfacht, dass während dem Erwerbsleben ein Alterskapital angespart wird, das dann mit der Pensionierung in eine lebenslängliche Rente umgewandelt wird.

Der Umwandlungssatz drückt nun aus, in welchem Verhältnis die jährliche Rente zum angesparten Kapital steht. Ein Umwandlungssatz von 6.8% bedeutet also, dass aus einem Alterskapital von CHF 100‘000 eine lebenslängliche Rente von CHF 6‘800 pro Jahr oder CHF 567 pro Monat gewährt wird. Die Rechnung funktioniert genauso gut auch rückwärts: Wer (zusätzlich zur AHV) eine Pensionskassenrente von CHF 30‘000 pro Jahr oder CHF 2‘500 pro Monat möchte, muss dazu bis zum Rentenalter ein Pensionskassenguthaben von CHF 441‘176 ansparen.

Wie wird er berechnet und wovon hängt er ab?

Die Vorgabe des Umwandlungssatzes im Gesetz und die darüber geführten politischen Diskussionen erwecken oft den falschen Eindruck, dass der Umwandlungssatz eine nahezu beliebig gestaltbare Grösse ist, vergleichbar z.B. mit einer Geschwindigkeitslimite, an die sich dann die Realität einfach anpassen muss.

In Wirklichkeit lässt sich der Umwandlungssatz mit Hilfe der sogenannten Annuitätenformel exakt berechnen. Derselbe – etwas komplexe – mathematische Zusammenhang kommt übrigens auch bei der Berechnung von Leasingraten oder Konsumkrediten zur Anwendung, denn auch dort geht es um die Umrechnung eines Kapitalbestands in regelmässige Zahlungen mit Zins.

Es zeigt sich, dass der BVG-Umwandlungssatz von nur zwei Grössen abhängig ist: der durchschnittlichen Restlebenserwartung ab Pensionierung und der während dieser Zeit erzielbaren Verzinsung bzw. Anlagerendite. Um den Umwandlungssatz zu verstehen, müssen wir uns also zunächst mit diesen beiden Grössen befassen.

Die Lebenserwartung und ihre Entwicklung

Die Lebenserwartung in der Schweiz (ab Geburt) liegt aktuell bei 80.7 Jahren für Männer und 84.9 Jahren für Frauen. Diese Zahlen alleine sind allerdings zu unpräzis, um damit sinnvolle Berechnungen zur Altersvorsorge anzustellen. Dies einerseits, weil die Lebenserwartung einer Person im Laufe des Lebens steigt (wer mit 65 noch lebt, hat kein Risiko mehr, schon vorher zu sterben), anderseits weil die Lebenserwartung auch vom Geburtsjahr abhängt und u.a. wegen immer besserer medizinischer Möglichkeiten ebenfalls zunimmt. Gefragt wäre also die Restlebenserwartung ab Alter 65 (bzw. bei Frauen aktuell noch 64), die im Jahr der Pensionierung aktuell ist.

Diese Zahlen stellt das Bundesamt für Statistik (BFS) in Form der sogenannten Sterbetafeln zur Verfügung, und dies nicht nur für jedes Altersjahr und getrennt nach Männern und Frauen, sondern auch im zeitlichen Verlauf zurück bis 1981. Da diese Zahlen auf sämtlichen Geburten und Todesfällen in der Schweiz beruhen, ist die Datenbasis sehr solide.

Gemäss diesen Tafeln hat ein heute 65-jähriger Mann eine Restlebenserwartung von 19.2 Jahren und darf somit mit Alter 84.2 rechnen. Eine heute 65-jährige Frau hat eine Restlebenserwartung von 22.2 Jahren und darf mit Alter 87.2 rechnen (um den Vergleich nicht unnötig zu verkomplizieren, rechnen wir hier für beide Geschlechter mit Alter 65). Als 1985 das BVG eingeführt wurde, lagen die Restlebenserwartungen der 65-jährigen noch bei 14.9 (Männer) und 19.0 (Frauen) Jahren.

Eine genaue Analyse dieser Sterbetafeln zeigt einen weitgehend linearen Anstieg der Restlebenserwartung im Lauf der Zeit. Aus den Werten 1981-2015 lässt sich diese also recht zuverlässig in die Zukunft fortschreiben und damit die Restlebenserwartung der zukünftigen Pensionierten abschätzen. Daraus ergeben sich folgende Werte:


Pensionierung
im Jahr
Heutiges Alter
(im Jahr 2016)
Restlebenserwartung ab Alter 65
Männer Frauen
1985 14.9 J 19.0 J
2015 19.2 J 22.2 J
2031 50 22.0 J 24.6 J
2041 40 23.6 J 25.8 J
2051 30 25.2 J 27.0 J

Wenn also ein heute 30-jähriger Mann mit 65 in Pension geht, dann muss seine Pensionskasse fast 10 Jahre länger Rente zahlen, als dies bei der Einführung des BVG der Fall war. Die Summe seiner Rentenzahlungen wird (ohne Zins) 69% höher sein als damals vorgesehen. Es dürfte auf der Hand liegen, dass die damaligen Kalkulationen im Lauf der Zeit immer realitätsferner werden.

Anlagerenditen – was müsste erzielt werden?

Während wir bei der Restlebenserwartung eine sehr solide Datenbasis haben und auch die Zukunft gut prognostizieren können, ist die Situation bei der zweiten für den Umwandlungssatz massgeblichen Grösse, der Anlagerendite oder Verzinsung, wesentlich schwieriger zu fassen. Massgeblich ist ja nicht etwa die aktuell erzielbare Rendite (die in Form des Mindestzinssatzes im BVG auch eine Rolle spielt und ebenso hitzig diskutiert wird), sondern die durchschnittlich über die ganze Restlebenserwartung erzielbare Rendite.

Um diese Grösse fassbar zu machen, lohnt es sich, das Thema rückwärts anzugehen: Wir kennen ja zwei der drei Grössen – die zur Diskussion stehenden Umwandlungssätze und die Rest­lebens­erwar­tungen – und den exakten Zusammenhang zwischen diesen, und können uns also fragen, welche Rendite für einen bestimmten Umwandlungssatz nötig ist.

In der folgenden Tabelle stellen wir die Situation bei Einführung des BVG (damals noch mit Umwandlungssatz 7.2% und Frauen-Rentenalter 62 gerechnet), die heutige Situation und das Jahr 2041, wenn die heute 40-jährigen das Alter 65 erreichen, gegenüber. Dabei rechnen wir jeweils mit den aktuellen Werten (weiss) und den vom Parlament diskutierten Anpassungen (blau). In der letzten Spalte unterstellen wir, dass in einer Pensionskasse gleich viele Männer und Frauen pensioniert werden und berechnen die nötige Rendite mit der durchschnittlichen Restlebenserwartung ab dem jeweiligen Rentenalter beider Geschlechter.


Pens.
im Jahr
Männer Frauen Ø M/F
Renten-
alter
Umwand-
lungssatz
Nötige
Rendite
Renten-
alter
Umwand-
lungssatz
Nötige
Rendite
Nötige
Rendite
1985 65 7 % 1 % 62 7 % 4 % 3 %
2015 65 7 % 3 % 64 7 % 4 % 4 %
65 6 % 2 % 65 6 % 3 % 2 %
2041 65 7 % 4 % 64 7 % 5 % 5 %
65 6 % 3 % 65 6 % 4 % 3 %

Bei der Einführung des BVG musste unsere Modell-Pensionskasse mit gleichem Anteil Männer und Frauen (bei damals noch höherem Umwandlungssatz und noch tieferem Frauen-Rentenalter) eine Rendite von 3.15% erwirtschaften. Mit dem damals noch geringeren Anteil erwerbstätiger Frauen wäre sogar noch weniger Rendite nötig gewesen.

Ohne Korrekturmassnahmen stieg dieser Wert bis heute auf 3.72% und wird für die heute 40-jährigen bereits 4.83% betragen. Falls das Parlament den Umwandlungssatz auf 6.0% senkt und das Rentenalter der Frauen auf 65 angleicht, würden heute 2.19% und für die heute 40-jährigen bereits wieder 3.48% jährliche Rendite benötigt, um die gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen.

Tatsächlich erzielbare Renditen – eine Abschätzung

Eine Pensionskasse muss ihre Gelder so anlegen, dass „die Sicherheit der Erfüllung der Vorsorgezwecke gewährleistet ist“ (Art. 50 BVV2). Beginnen wir also unsere Überlegungen zur erzielbaren Rendite mit einer extrem sicheren Anlage und investieren das ganze Kapital in 10-jährige Bundesobligationen der schweizerischen Eidgenossenschaft. Diese als risikolos geltenden Anlagen rentierten im Jahr 1985 mit 4.63%, und ihre Renditen lagen bis Mitte der 90er-Jahre immer um die 4% oder darüber.

Unsere Modell-Pensionskasse konnte also nicht nur ohne jedes Risiko ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen, sondern jedes Jahr noch satte Überschüsse erzielen. Leider sind diese Zeiten längst vorbei: Aktuell rentieren 10-jährige Bundesobligationen mit minus 0.51%. Unsere Pensionskasse muss also sogar dafür zahlen, ihr Geld risikolos anzulegen, und das obwohl sie heute mehr Rendite als früher braucht. Nur in risikolose Bundesobligationen anzulegen ist aber weder realistisch noch nötig.

Aufgrund des langfristigen Anlagehorizonts können Pensionskassen durchaus vertretbare Risiken eingehen und dabei Mehrerträge für ihre Versicherten erwirtschaften. Die meisten Pensionskassen investieren denn auch in Obligationen (nicht nur in Bundesobligationen), Aktien, Immobilien, und in geringerem Ausmass alternative Anlagen. Betrachten wir also zunächst die Aktien- und Obligationenrenditen etwas genauer:

Die Bank Pictet hat die langfristigen Renditen von Schweizer Aktien und Obligationen bis zurück ins Jahr 1925 untersucht und festgestellt, dass Aktien im Schnitt mit 7.81% pro Jahr und Obligationen mit 4.40% pro Jahr rentiert haben. Auf den ersten Blick sind Aktien also die Lösung unserer BVG-Probleme. Der höhere Ertrag der Aktien hat aber ihren Preis in wesentlich höheren Schwankungen. Seit der Einführung des BVG haben Aktien im schlechtesten Jahr (2008) 34% verloren, und es gab sogar zwei schlechte Jahre hintereinander (2001-2002), in denen Aktien gesamthaft um 42% fielen.

Da dazwischen immer wieder gute Jahre auftraten (das Beste war 1985 gleich nach der Einführung des BVG mit 61% Gewinn), könnten die Verluste theoretisch mit einer langfristigen Anlagedauer ausgesessen werden.

Obwohl der Anlagehorizont des einzelnen Versicherten 40 Jahre beträgt (der Sparprozess im BVG beginnt mit Alter 25 und endet mit der Pensionierung), muss die Pensionskasse u.a. jederzeit damit rechnen, dass sie aufgrund eines Stellenwechsels die Freizügig­keitsleistung auszahlen muss. Der Gesetzgeber schreibt deshalb auch vor, dass eine Pensionskasse liquid bleiben muss (Art. 52 BVV2) und begrenzt neben anderen Anlagerichtlinien den maximalen Aktienanteil auf 50% (Art. 55 BVV2).

Eine gewisse Langfristigkeit haben Pensionskassen bei ihrer Geldanlage aber schon, so dass wir für die Frage, welche Renditen erzielbar sind, jeweils die Durchschnittswerte über 10 Jahre betrachten.

Die ebenfalls von der Bank Pictet stammenden BVG-2000 Indizes simulieren typische Anlagestrategien von Pensionskassen, und zwar einmal konservativ mit 25% Aktienanteil und einmal etwas riskanter mit 40% Aktienanteil. Der Rest wird jeweils in schweizerische und ausländische Obligationen investiert. Daraus ergeben sich folgende jährlichen Renditen:


Periode Schweizer Aktien Schweizer
Obligationen
BVG-2000 Index
25% Aktien
BVG-2000 Index
40% Aktien
Ø 1926-2015 (90 J.) + 7.81 % + 4.40 %
Ø 1985-2015 (BVG) + 9.35 % + 4.45 % + 5.49 % + 6.02 %
Bestes Jahr (seit 1985) +61.36 % +12.98 % +12.53 % +16.87 %
Schlechtestes Jahr -34 % – 3.99 % – 9.88 % -17 %
Ø 1986-1995 (10J.) + 8.73 % + 5.60 % + 6.57 % + 6.95 %
Ø 1991-2000 +20.17 % + 6.36 % + 9.47 % +11.05 %
Ø 1996-2005 +10.46 % + 4.38 % + 6.19 % + 7.07 %
Ø 2001-2010 + 0.30 % + 3.98 % + 2.58 % + 1.94 %
Ø 2006-2015 + 4.70 % + 3.26 % + 3.01 % + 3.10 %

Zunächst fällt auf, dass in keiner einzigen der dargestellten Zehnjahresperioden ein Verlust erzielt wurde. Ein langer Anlagehorizont zahlt sich also aus. In den letzten zwei Zehnjahresperioden, also seit der Jahrtausendwende, haben Aktien aber ausserordentlich schlecht rentiert. Die Obligationen­renditen sind zwar etwas tiefer als in den vorigen Zehnjahresperioden, sehen aber auf den ersten Blick immer noch akzeptabel aus. Hierbei ist aber zu beachten, dass diese Gewinne fast ausschliesslich auf Kurssteigerungen infolge der massiv fallenden Zinsen zurückzuführen sind und sich deshalb in Zukunft nicht halten lassen. Im Gegenteil, bei einer irgendwann kommenden Normalisierung des Zinsniveaus dürfte es bei Obligationen zu deutlichen Kurseinbrüchen kommen.

Unsere Analyse zeigt vor allem, dass Renditen auch über längere Zeiträume schwanken können. Die für die Diskussion um den Umwandlungssatz alles entscheidende Frage, ob die zukünftig erzielbaren Anlageerträge mit der Vergangenheit vergleichbar sind, oder ob sie nachhaltig höher oder tiefer sein werden, lässt sich leider nicht beantworten und bleibt damit zu einem gewissen Grad eine Glaubensfrage. Eine völlig objektive Berechnung des korrekten Umwandlungssatzes ist also nicht möglich. Allerdings wäre es verheerend für die Sicherheit der Altersvorsorge, wenn eine Sanierung dadurch erfolgt, dass man einfach immer höhere Renditeerwartungen „beschliesst“.

Folgen eines zu hohen Umwandlungssatzes – der wahre Rentenklau

Wir haben gesehen, dass der korrekte Umwandlungssatz zwar exakt berechnet werden könnte, die eine dafür nötige Grösse – die tatsächlich erzielbaren Renditen – aber erst Jahrzehnte zu spät bekannt wird. Somit bleibt nichts anderes übrig, als im Zeitpunkt der Pensionierung auf mehr oder weniger realistische Annahmen abzustellen. Wer kurz vor der Rente steht, hat dabei ein Interesse an einem zu hohen Umwandlungssatz, die Versicherer und auch die Beitragszahler (Arbeitgeber und jüngere Erwerbstätige) ein solches an einem zu tiefen oder mindestens korrekten Umwandlungssatz.

Wird der Umwandlungssatz zu hoch festgesetzt, führt das dazu, dass das von den Pensionierten angesparte Kapital und die darauf erzielten Erträge nicht ausreichen, um die ihnen zugesagten Renten zu finanzieren. Es kommt deshalb implizit zu einer Subventionierung der Pensionierten durch die aktiven Erwerbstätigen, denen ein Teil der auf ihrem Alterskapital erzielten Renditen – oder schlimmstenfalls auch ein Teil ihrer Beiträge – vorenthalten wird, um damit laufende Renten zu bezahlen. Das Kapitaldeckungsprinzip des BVG wird also aufgeweicht und durch eine Umlage wie bei der AHV verdrängt.

Diese Umverteilung ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich und wird in der Öffentlichkeit kaum als Problem wahrgenommen. Wegen des Zinseszinseffektes geht es hier aber rasch um sehr viel Geld, das den heute Aktiven später fehlen wird. Eine Abschätzung, wie hoch diese Umverteilung ist, ist wegen der Vielfalt der Vorsorgepläne und Pensionskassen nicht ganz einfach. In den Medien werden aber regelmässig Zahlen in der Grössenordnung von CHF 1‘500 pro Versicherten und Jahr genannt. Wird dieser Betrag mit nur 1% Zins auf 40 Jahre (Alter 25 bis 65) hochgerechnet, fehlen dem dann Pensionierten CHF 76‘318 Alterskapital, das mit dem aktuellen Umwandlungssatz von 6.8% einer Jahresrente von CHF 5‘190 oder monatlich CHF 432 weniger Rente entspricht.

Um das auszugleichen, müssen die dannzumal Aktiven noch mehr quersubventionieren, haben selber noch weniger Alterskapital und müssen wiederum noch mehr subventioniert werden. Langfristig führen zu hohe Umwandlungssätze also dazu, dass sich das BVG immer mehr vom Kapitaldeckungsprinzip verabschiedet und schliesslich zum reinen Umlagesystem wird. Hier findet sich also, diskret hinter der komplizierten Annuitätenformel versteckt, der wahre Rentenklau!

Fazit

Aufgrund der stark steigenden Lebenserwartung dürfte eine Senkung des BVG-Umwandlungssatzes auf 6.0% unabdingbar sein. Ob dies genügt oder gar noch eine weitere Senkung nötig wäre, hängt stark davon ab, welche Anlagerenditen in Zukunft erzielbar sind (diejenigen der letzten 90 Jahre, oder diejenigen der eher schlechten letzten 15 Jahre), und kann deshalb nicht abschliessend beurteilt werden.

Mit 6.0% einfach die nächste Zahl fest ins Gesetz zu schreiben und für die nächsten 20 Jahre zu lassen, bis vielleicht wieder ein Konsens für eine Reform zustande kommt, ist aber nicht zweckmässig. Da die Lebenswartung weiterhin stetig steigen wird, würde der Gesetzgeber einmal mehr implizit „beschliessen“, dass jedes Jahr höhere Anlagerenditen erzielbar sind. Eine völlige Objektivierung des Umwandlungssatzes ist wegen der Unvorhersehbarkeit der Renditen aber auch nicht möglich.

In einem sinnvollen Mittelweg könnte aber wenigstens das objektiviert werden, was objektiv abschätzbar ist, nämlich die Lebenserwartung. Statt eines festen Umwandlungssatzes würde man dann die Berechnungsformel in Gesetz schreiben und sich jeweils auf die im Jahr der Pensionierung geltende Restlebenserwartung gemäss den Sterbetafeln BFS abstützen. Die politische Debatte würde sich dann auf die erzielbaren Renditeerwartungen reduzieren, die einerseits fassbarer als die heutige „Black Box“ sind, und die ja, wie wir gesehen haben, tatsächlich eine gewisse Glaubensfrage und damit politisch zu beantworten sind.

Diese Methode hätte noch den Vorteil, dass es zu einer Dynamisierung des Umwandlungssatzes käme: Die stetig steigende Lebenserwartung führt zu einem ebenso stetig fallenden Umwandlungssatz und bildet damit die Realität ab. Man müsste nicht wie bisher den Erwerbstätigen Jahrzehntelang (auf dem jährlichen Vorsorgeausweis) erzählen, sie bekämen 6.8%, um ihnen von einem Tag auf den anderen wiederum jahrzehntelang zu erzählen, sie bekämen 6.0%. Die berufliche Vorsorge würde damit fassbarer und wesentlich planbarer.

 

Quelle: artax Fide Consult AG / Mitglied von Morison International / www.artax.ch
Artikelbild: © beijersbergen – shutterstock.com

author-profile-picture-150x150

Mehr zu Urs Fischer

Lic.rer.pol. Urs Fischer ist MWST-Spezialist STS, Lohnadministrator STS und zugelassener Revisor RAB. Zu seinen fachlichen Schwerpunkten gehören die Steuern natürlicher und juristischer Personen mit internationalem Bezug sowie die Mehrwertsteuer.

jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-22').gslider({groupid:22,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});