Was sind Stempelabgaben?

In der letzten Session hat das Parlament beschlossen, einen Teil der sogenannten Stempelabgaben abzuschaffen. Unterdessen haben linke Parteien gegen diese Abschaffung das Referendum ergriffen, so dass es wohl bald zu einer Volksabstimmung darüber kommt. Wer allerdings nicht beruflich mit Wertpapierhandel oder Versicherungspolicen zu tun hat, dürfte noch nie etwas von den Stempelabgaben gehört haben, geschweige denn deren Funktionsweise und Auswirkungen kennen. Im Folgenden möchten wir Ihnen deshalb einen Überblick über das Thema verschaffen.

Drei Arten von Stempelabgaben

Die eidgenössischen Stempelangaben sind ein Sammelsurium von drei völlig verschiedenen Steuern, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie aus einer lange vergangenen Zeit stammen und etwas mit Wertpapieren zu tun haben. Im Einzelnen sind dies die Emissionsabgabe, die Umsatzabgabe und die Abgabe auf Versicherungsprämien (der sog. Versicherungsstempel). Der Begriff Stempelabgabe stammt vermutlich daher, dass man früher den Staat dafür bezahlt hat, dass er Wertpapierurkunden abstempelte. Dies wird allerdings schon so lange nicht mehr praktiziert, dass der Begriff nur noch historisch zu erklären ist. Geregelt sind die Stempelabgaben im Bundesgesetz über die Stempelabgaben (StG, SR 641.10).

Die Emissionsabgabe

Die Emissionsabgabe wird auf der Ausgabe von neuen Beteiligungsrechten oder Nennwerterhöhungen von inländischen Gesellschaften erhoben, also von AG, GmbH und Genossenschaften, sowie auf Gesellschafterzuschüssen an bestehende Gesellschaften z.B. im Rahmen einer Sanierung. Im Lauf der Zeit sind allerdings viele, zum Teil schwierig zu lesende, Ausnahmen dazugekommen: Zu den wichtigsten gehört ein Freibetrag von kumulativ CHF 1 Mio bei Neugründungen und Kapitalerhöhungen, so dass viele KMU-Gesellschaften heute davon nicht mehr betroffen sind. Gerade bei forschungsintensiven Startups wird aber diese Grenze schnell mal überschritten. Bei Sanierungen besteht in gewissen Fällen sogar ein Freibetrag von CHF 10 Mio. Wo keine Ausnahme zur Anwendung kommt, beträgt der Steuersatz 1%.

Die Umsatzabgabe

Die Umsatzabgabe wird bei der entgeltlichen Eigentumsübertragung von gewissen inländischen und teilweise ausländischen Urkunden, insbesondere Obliga­tionen, Aktien, GmbH-Stammanteilen, Partizipations und Genussscheinen und Anteilen an Anlagefonds erhoben, sofern der Käufer, Verkäufer oder ein am Geschäft beteiligter Vermittler ein sogenannter Effektenhändler ist. Mit Effektenhändler sind vor allem Banken, aber auch sonstige professionelle Wertpapierhändler, Anlageberater und Vermögens-verwalter gemeint. Vereinfacht gesagt wird also vor allem beim Handel mit schweizerischen Geldanlagen über eine Bank die Umsatzabgabe erhoben. Im Lauf der Jahre ist auch hier eine Vielzahl von ebenfalls schwierig fassbaren Ausnahmen hinzugekommen, und zwar vor allem dort, wo eine Abwanderung der entsprechenden Geschäfte ins Ausland zu befürchten war. Interessanterweise sind die gewerbsmässigen Effektenhändler, also die Banken selber, auf ihrem Handelsbestand von der Umsatzabgabe ausgenommen. Dort wo die Umsatzabgabe erhoben wird, beträgt sie 0.15% auf inländischen und, wo überhaupt zutreffend, 0.3% auf ausländischen Urkunden.

Die Abgabe auf Versicherungsprämien

Der Versicherungsstempel wird auf Prämienzahlungen für gewisse Versicherungen erhoben. Auch hier gibt es wiederum eine Vielzahl von Ausnahmen – so sind z.B. die Kranken- und Unfallversicherung, die berufliche Vorsorge im Rahmen des BVG sowie bestimmte Lebensversicherungen von der Abgabe ausgenommen. Der Steuersatz beträgt hier 5% der Barprämie, bei Lebensversicherungen 2.5%.

Die Bedeutung der Stempelabgaben für den Bundeshaushalt

Insgesamt hat der Bund im Jahr 2020 rund CHF 2.42 Mrd Stempelabgaben eingenommen, was 3.4% des gesamten Bundeshaushalts entspricht. Davon stammen mit CHF 1.52 Mrd mehr als die Hälfte aus der Umsatzabgabe, CHF 726 Mio aus der Abgabe auf Versicherungsprämien, und nur CHF 178 Mio aus der Emissionsabgabe.

Wie sind die Stempelabgaben einzuordnen?

So unterschiedlich die drei Steuerobjekte der Stempelabgaben sind, so unterschiedlich sind diese alten Steuern auch im modernen Kontext zu verstehen. Am einfachsten einzuordnen ist sicher die Abgabe auf Versicherungsprämien. Diese besteuert den „Konsum“ von Versicherungsleistungen und entspricht hiermit einem Gegenstück zur MWST, von der Versicherungsprämien wiederum ausgenommen sind. Ein möglicher Ersatz dieser Abgabe könnte deshalb darin bestehen, Versicherungsprämien der Mehrwert-steuer zu unterstellen, so wie dies im Rahmen einer Vereinfachung der MWST (tieferer Einheits-steuersatz, Abschaffung der vielen Ausnahmen) auch schon diskutiert, bisher jedoch nicht weiterverfolgt wurde.

Die Umsatzabgabe wiederum entspricht in groben Zügen einer Finanz­transaktions­steuer, wie sie international seit der Finanzkrise 2008 immer wieder mal im Gespräch war, und wie sie beispielsweise unsere Nachbarländer Frankreich und Italien vor ein paar Jahren eingeführt haben. Die Idee einer Finanztransaktionssteuer besteht darin, Spekulation zu verteuern, wurde aber in der realen Umsetzung oft ad absurdum geführt, indem man Geschäfte innerhalb desselben Tages wieder davon ausnahm, um den eigenen Börsenplatz nicht zu gefährden. Die politisch immer wieder gehörte Forderung, die Schweiz solle endlich auch eine Finanztransaktionssteuer einführen, ist jedenfalls insofern falsch, dass die Schweiz mit der Umsatzabgabe bereits seit vielen Jahrzehnten eine hat.

Am schwierigsten zu fassen ist der Sinn der Emissionsabgabe, da mit dieser eigentlich wirtschaftlich sehr erwünschtes Verhalten, nämlich das Gründen von neuen Unter­nehmen, die Zufuhr von zusätzlichem Kapital in bestehende Unternehmen und die Sanierung von angeschlagenen Unternehmen steuerlich belastet wird. Im Rahmen der Bewältigung der Covid-Krise dürfte gerade die Sanierung von Unternehmen durch neue Kapitalzufuhr deutlich an Bedeutung gewinnen, und aufgrund der vom Bund verbürgten Covid-Kredite noch stärker im öffentlichen Interesse liegen. Wenn man gleichzeitig den geringen Anteil der Emissionsabgabe am gesamtem Bundeshaushalt und ihre grosse Schwankungs-anfälligkeit berücksichtigt, dann spricht unseres Erachtens viel dafür, diese Abgabe abzuschaffen.

Und was soll nun abgeschafft werden?

Es gibt seit Jahren Bestrebungen bürgerlicher Kreise, die Stempelabgaben insgesamt abzuschaffen. Der Bundesrat hat sich bisher in dieser Absolutheit dagegen ausge­sprochen, befürwortet jedoch die Abschaffung der Emissionsabgabe. Im vorliegenden Gesetzesbeschluss, gegen den nun das Referendum ergriffen wurde, geht es ausschliesslich um die Emissionsabgabe, und nur über diese wird potenziell abge­stimmt.

Falls auch die anderen beiden Stempelabgaben angepasst oder ganz abgeschafft werden sollen, sind dafür zu einem späteren Zeitpunkt weitere Gesetzesänderungen notwendig, die separat vom Parlament beschlossen werden müssen und gegen die wiederum separat das Referendum ergriffen werden kann. Der Ausgang des jetzigen Referendums bezieht sich jedenfalls nur auf die Emissionsabgabe.

 

Artikelbild: Symbolbild © Maykova Galina – shutterstock.com

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Mehr zu Urs Fischer

Lic.rer.pol. Urs Fischer ist MWST-Spezialist STS, Lohnadministrator STS und zugelassener Revisor RAB. Zu seinen fachlichen Schwerpunkten gehören die Steuern natürlicher und juristischer Personen mit internationalem Bezug sowie die Mehrwertsteuer.

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