Marketing@Work: So werden Autonamen gemacht

Was wären Autos ohne ihre Namen? Ohne Zweifel entscheidet die Modellbezeichnung über den Verkaufserfolg mit. Doch was früher meist in nur kleiner Runde ausgedacht, vorgeschlagen und von der Geschäftsleitung abgenickt wurde, wird heute in einem langwierigen Prozess und oft von speziellen Agenturen geschaffen. 

Autonamen müssen leicht auszusprechen und zu merken sein, sie sollen ein bestimmtes Image transportieren, die Zielgruppe ansprechen, international vermarktbar sein und keine negativen Assoziationen wecken. Und sie müssen einzigartig sein, denn immerhin gibt es derzeit mehr als 100’000 Bezeichnungen und Varianten, die rechtlich geschützt sind.

Manchmal kommen nahezu 10’000 Vorschläge auf den Tisch, aus denen dann immer mehr ausgeschlossen werden, bis nur fünf bis zehn übrig bleiben.


Dies ist ein Artikel in zwei Teilen:

Marketing@Work: So werden Autonamen gemacht

Marketing zum Fremdschämen: die grössten Autonamen-Flops


Manche Firmen setzen allerdings schlicht auf alphanumerische Bezeichnungen wie Audi (A4, A6, Q7, R8, TT), BMW (3, 6, 7, X5, Z 8) oder auch Mercedes. Bei den Stuttgartern wird es langsam schwierig, den Überblick zu behalten. Die Klassen A, B, C, E oder S sind noch relativ leicht zu merken. Innerhalb der Klassen ist es dann nicht mehr so leicht. In der GL-Class tummeln sich zum Beispiel der GLA, GLC, GLE, GLK und GLS. Kenner der Automobilszene und Mercedes-Fans können wahrscheinlich jedes Modell beschreiben, ein Laie aber wohl eher nicht. Die meisten Hersteller bemühen sich jedoch, klangvollere und einprägsamere Namen zu kreieren bzw. kreiert zu bekommen.

In Autonamen spiegelt sich auch der gesellschaftliche Wandel wieder. Klangen Bezeichnungen wie Opel Admiral oder Ford Taunus in den 1960er Jahren noch robust, solide und erweckten Vertrauen in Qualität und Lebensdauer, würde heute jeder Kaufinteressent wahrscheinlich nur gähnen und sich Alternativen zuwenden. Der Trend geht eindeutig in Richtung Kunstwörter, die nichts Konkretes beschreiben, sondern ein Lebensgefühl vermitteln sollen. Smart oder Twingo sind solche Namen, die sich einen festen Platz erobert haben und in ihren Klassen zum Inbegriff geworden sind. Unverkennbar sind aber auch Begriffe wie Strich-Achter für eine ganze Reihe von Mercedes-Modellen oder 911er für die bekannten Sportwagen von Porsche.

Häufig dienen Wörter und Wortteile aus verschiedenen Sprachen als Quelle und Inspiration, wobei der romanische Sprachraum der bei weitem populärste und ergiebigste ist. Meist wird ein bekannter Wortstamm ausgewählt und mit einer neuen Endung komponiert. Auf diese Weise entstanden Bezeichnungen wie Mondeo (Ford), Punto (Fiat) oder Insignia (Opel). Abgeleitet von nordafrikanischen Sprachen wurde beispielsweise das Kunstwort Qashqai (Nissan) und Tuareg (VW). Der Name Amarok für den bekannten VW-Pick-up ist aus der Sprache der Inuit ausgeliehen und bedeutet Wolf. Typisch für Volkswagen sind auch Bezeichnungen aus begrifflich verwandten Kategorien wie Passat und Scirocco (bekannte Winde), Golf, Derby und Polo (Sport) oder Phaeton und Eos (griechische Mythologie).


Opel Admiral (Bild: © Sven Storbeck – CC BY-SA 3.0)

Wie arbeiten die Namenserfinder?

Einer bekanntesten und in Deutschland der erfolgreichste Erfinder von Auto- und anderen Produktnamen ist Manfred Gotta. Auf das Konto des gelernten Werbekaufmanns gehen Kreationen wie Porsche Cayenne und Panamera, Smart, Twingo und Vectra, in anderen Branchen etwa Xetra, Congstar, Megaperls, Evonik oder Targobank. Bei der Namensfindung für Autos hat er seine ganz eigene Methode. Er fordert von seinen Auftraggebern eine gewisse Zeitspanne, um mit dem Wagen alleine zu sein, betrachtet es ausgiebig von allen Seiten und aus jeder möglichen Perspektive, berührt es und legt sich sogar auf den Boden.

Gotta sieht sich selbst in Bezug auf die Namenserfindung als Allrounder, seine bekanntesten Schöpfungen sind aber bis heute Autonamen. 1986 machte er sich selbstständig, wurde allerdings zu Beginn von vielen Seiten belächelt, wenn er über seine Idee sprach, als Namenserfinder zu arbeiten. Doch er liess nicht locker und machte unablässig Werbung für seinen Plan. Der Erfolg kam schliesslich mit Opel. Das Unternehmen war auf der Suche nach einem passenden Namen für das Folgemodell des Ascona. Gotta schuf den kühlen, technisch angehauchten Kunstnamen Vectra und erlebte damit nicht nur den Durchbruch, sondern wurde auch Pionier in dieser Branche. Heute gibt es allein in Deutschland etwa 15 Agenturen, die sich auf die Erfindung und Gestaltung von Produktnamen ausgerichtet haben.

Gotta veranschlagt mehrere Monate, bis der richtige Name gefunden ist. Es gilt, das Besondere eines Produkts herauszustellen, die Absichten des Kunden zu treffen und den Zielmarkt zu analysieren. Dann erarbeitet er mit einem Pool an freien Mitarbeitern ca. 200 Vorschläge, wobei auch Sprachprogramme zum Einsatz kommen, die zum Beispiel Wortsilben mischen und zu immer neuen Kombinationen zusammenfügen. Die Ergebnisse werden schliesslich ausgiebig diskutiert, an Versuchspersonen getestet und einer Prüfung durch Sprachwissenschaftler und Juristen unterzogen, denn es muss gewährleistet sein, dass sie rechtlich nicht geschützt und in anderen Sprachräumen leicht aussprechbar und unverfänglich sind. Am Ende bleiben in der Regel acht bis zehn Namen übrig. Bevor diese an den Kunden gehen, werden sie gemäss dessen Corporate Indentity visualisiert und als Schriftzug per Computergrafik auf das Heck des jeweiligen Fahrzeugs aufgebracht.



Mittlerweile überlassen die grossen Autohersteller bei der Namensfindung für ihre Fahrzeuge nichts mehr dem Zufall. Es wird kreiert, geprüft, getestet, verworfen – meist im Zusammenspiel von eigener Marketing-Abteilung und externer Agentur für Namensfindung. Die Preise sind dementsprechend hoch. Ein neuer Brand kann bei Manfred Gotta schon mal 200’000 Euro kosten. Trotz aller Bemühungen kommt es aber immer wieder zu sprachlichen Pannen und regelrechten Peinlichkeiten, wie die Beispiele im folgenden Teil 2 zeigen.

 

Oberstes Bild: © welcomia – shutterstock.com

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Mehr zu Ulrich Beck

hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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