Denkmalschutz im Turbo-Tempo: Businesserfolg Therme Vals

Das ist rekordverdächtig: 1996 eröffnete die neu gebaute Therme Vals des Architekten Peter Zumthor ihre Pforten. Nur zwei Jahre später, nämlich 1998, wurde sie unter den kantonalen Denkmalschutz in Graubünden gestellt.

Auch ohne genaue Nachprüfung scheint dieser kurze Zeitraum doch sehr rekordverdächtig zu sein. Aber auf Grund der einzigartigen Architektur hat sie es verdient.

Werfen wir einen Bick auf die Geschichte der Kuranlage, die eng verbunden ist mit der Historie des Valser Mineralwassers. Die Einwohner von Vals nutzten das Wasser seit Entdeckung der Quelle – urkundlich zum ersten Mal 1670 erwähnt – vor allem gegen Blasenkrankheiten, genauso wie die Gäste in der frühen Phase des Kurhauses zwischen 1893 und 1958. Danach wurde die Wasseraufbereitung vom Kurbetrieb getrennt und in ein eigenständiges Unternehmen überführt.

Die alte Hotel- und Kuranlage wechselte häufig die Besitzer, ging in Konkurs, wurde aufgekauft, ging wieder in Konkurs. Auch die beiden Weltkriege brachten jeweils tiefe Einschnitte, weil der europäische Tourismus während jener Jahre nahezu völlig zusammenbrach. In den 1960er Jahren entstand dann der heutige Gebäudekomplex mit Therme, Hotel und mehreren Gästehäusern. Zeitweilig gehörte die Therme deutschen Unternehmern, bis sie schliesslich in den 1970er Jahren von der Schweizerischen Bankgesellschaft übernommen wurde. Nach weiteren acht Jahren ohne Gewinn wollte die Bank die Anlage wieder abstossen, nicht zuletzt, weil sie hoffnungslos überaltert war und gegen moderne Wellness-Zentren nicht konkurrieren konnte.

Am Ende kaufte die Gemeinde Vals das Areal 1983 nach langwierigen und komplizierten Verhandlungen für 2,8 Millionen Franken, von denen 1,3 Millionen allein für eine Schuldendeckung genutzt wurden. Der Rest floss als Eigenkapital in eine neu gegründete Aktiengesellschaft. Der Betrieb sollte nach dem Willen der Verantwortlichen allerdings nicht mit den bestehenden Anlagen weitergeführt werden. Die Gemeinde setzte für die Verwirklichung des Neubauprojekts eine Kommission ein, der jedoch konkrete Ideen und Vorstellungen fehlten, welche Form und Funktion das neue Gebäude bekommen sollte. 1986 wurde schliesslich ein Wettbewerb ausgeschrieben, dessen einzige Bedingungen wie folgt lauteten: Die Therme solle genau auf den alten Quelleneinfasssungen errichtet werden und dürfe die Aussicht aus den Zimmern des historischen Hotelkomplexes nicht einschränken.

Den Wettbewerb gewann der international bekannte Architekt Peter Zumthor aus Basel, der in früheren Jahren übrigens im Kanton Graubünden als Denkmalpfleger gearbeitet hatte. Sein Entwurf umfasste neben dem Badehaus auch ein Vier-Sterne-Hotel. Da die Pläne aber nicht alle Anforderungen hinsichtlich des Betriebs und der Organisation erfüllten, musste Zumthor sie nahezu komplett neu bearbeiten. Am Ende beliefen sich die Kosten auf 44 Millionen Franken, die von der Gemeinde allein nicht gestemmt werden konnten. Deshalb wurde auf ein neues Hotel verzichtet und nur die Therme in Auftrag gegeben. Nach zweijähriger Bauzeit fand die Einweihung im Dezember 1996 im Rahmen eines Volksfestes und in Anwesenheit von viel Prominenz statt.


Die Einwohner von Vals nutzten das Wasser seit Entdeckung der Quelle vor allem gegen Blasenkrankheiten. (Bild: © wiki.org)

Was den besonderen Reiz von Zumthors Entwurf ausmacht, ist seine Orientierung an den natürlichen Gegebenheiten, an der Topografie und Geologie der näheren Umgebung. Sein Leitbild für die Therme hiess „Felsblöcke stehen im Wasser“. Anregungen gab es um Vals herum genug: Felsköpfe, Steinmauern, Galerien zum Lawinenschutz sowie auch zeitgenössische technische Bauten in den Alpen. Auf Accessoires wie Rutschen, Röhren oder Düsen verzichtete Zumthor bewusst. Seine Therme sollte kein Erlebnis- und Spassbad werden, sondern ein „Erfahrungsbad“, wie er es selber nannte.

Die Konstruktion besteht aus fünfzehn Quadern oder Blöcken mit einer durchgehenden Höhe von fünf Metern und variierenden Grundflächen von drei bis fünf Metern Breite und sechs bis acht Metern Länge. Die Kerne aus Beton sind mit zur Wärmedämmung mit feuchteresistentem Hartschaum ummantelt, den Abschluss jedes Blocks bildet ein Verbundmauerwerk aus Valser Gneis, der dem ganzen Gebäude sein charakteristisches Aussehen verleiht. Das Dach besteht aus einer raffinierten Betonplattenkonstruktion und ist überwiegend mit Gras begrünt, um sich besser in die Landschaft zu integrieren. In die Dachplatte des Zentralbades sind sechzehn Fenster aus blauem Glas eingelassen, das an das berühmte Murano-Glas aus Venedig erinnert.

Valser Gneis ist ein Gestein, das sich aus Quarz, Feldspat und Glimmer zusammensetzt. Er ist das traditionelle Material für die Dachziegel im Ort und der Umgebung und bis heute zwingend auch für Neubauten vorgeschrieben. Der Gneis verfügt über eine hohe Bruch- und Abriebfestigkeit, ist frostbeständig und sehr tolerant gegenüber starken Temperaturschwankungen. Für Zumthors Therme wurde das viele Millionen Jahre alte Gestein in Schichten unterschiedlicher Dicke per Hand verlegt. Auf den ersten Blick scheinen die Plattendicken zufällig gewählt, aber sie folgen einem bestimmten System. Je drei Platten ergeben zusammen immer 15 Zentimeter. In der Länge sind alle Steinplatten der Aussenhaut auf einen Meter geschnitten. Insgesamt wurden 60’000 Stück verarbeitet.



Die Architektur der Therme Vals erregte schon während der Bauphase grosses Aufsehen, nicht nur in der Fachwelt. Nach der Eröffnung strömten zeitweise so viele Gäste aus dem In- und Ausland in das Bad, dass herbe Kritik wegen des Lärms und der Überfüllung aufkam. Mit der Zeit beruhigte sich die Situation aber wieder. Zwei Jahre nach der Fertigstellung wurde der Architekt für sein Werk gleich doppelt geehrt: Zum einen wurde ihm der Kulturpreis des Kantons zugesprochen, zum anderen stellte die Graubündener Regierung die Therme unter Denkmalschutz.

 

Oberstes Bild: © Micha L. Rieser – CC BY-SA 3.0

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hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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