Schluss mit Vorurteilen vor dem Erstgespräch: Bild‘ dir deine eigene Meinung!

Ich habe mir vor kurzem einen langgehegten Wunsch erfüllt: Angeln in Irland, einem der weltweit schönsten Ziele für Petrijünger. Während ich in meinem Boot in Cork sass, meine Angelrute ausgeworfen hatte und darauf wartete, dass der nächste Hecht zuschnappen würde, musste ich mich an meine Anfänge als Verkäufer erinnern. Was das jetzt mit Angeln zu tun hat? 

Eine ganze Menge sogar. Denn als Verkäufer tust du nichts anderes. Dein Angebot ist der schmackhafte Köder, den du auf der Jagd nach neuen Kunden auslegst. Um erfolgreich zu sein, musst du deine Kunden genau studieren und herausfinden, welche Vorlieben sie haben. Und nur wenn du weisst, zu welcher Tageszeit die Fische wo im Wasser stehen, wirst du mit einem ordentlichen Fang nach Hause gehen.

Ich weiss noch, wie begierig ich an meinem ersten Tag als frisch geschulter Verkäufer ins Büro kam. Die Theorie lag hinter mir, jetzt sollte es endlich an die Praxis gehen. Ich brannte vor Vorfreude, endlich sollte ich meinen Bezirk bekommen. Wahrscheinlich habe ich in meiner Jugend ein paar Western zu viel gesehen, denn ich sah mich schon als eine Mischung aus Sheriff und Kojak durch die Strassen ziehen. Ich erbte das Gebiet eines „alten Hasen“ der Firma. Zuerst war die Freude gross. Ich konnte mein Glück kaum fassen, denn was gab es Besseres, als sich direkt in ein gemachtes Nest zu setzen? Kaltakquise adé! Tja, denkste. Mein Vorgänger hatte mir seine Karteikästen mit allen Kundendaten überlassen. Alles war akkurat und sorgfältig geordnet. Die Roten waren aktuelle Kunden. Die Grünen waren nach Jahr geordnet, die Gelben nach Umsatz. Es ging doch nichts über eine gute Organisation. Doch dann begann ich zu lesen.

Auf dem ersten Kärtchen stand: „Der Kunde Müller ist ein versoffener Penner und total unzuverlässig.“ Auf dem zweiten: „Der Kunde Meier ist ein verkniffener Geizkragen mit Mundgeruch.“ Auf dem dritten: „Der Kunde Schulze hat ein Verhältnis mit seiner Sekretärin und ist ein herablassender Napoleon.“ Auf dem vierten: „Der Kunde Schröder ist strohdumm und kapiert gar nichts. Besuch sinnlos.“ Und so ging das in einem fort. Karte für Karte nur Leute, bei deren Beschreibung es mir kalt den Rücken runterlief. Nachdem ich alles durchgearbeitet hatte, stand ich kurz davor, in Tränen auszubrechen. Warum hatte ich nur Nieten, Spinner und Kotzbrocken als Kunden bekommen? Ich hasste meinen Job schon, bevor ich überhaupt losgelegt hatte. Mehr Pech konnte ich doch gar nicht haben. So ein Mist!


Was hat verkaufen jetzt mit Angeln zu tun? (Bild: © Dudarev Mikhail – shutterstock.com)

Alles eine Frage der Einstellung

Vollkommen deprimiert sass ich am Schreibtisch und liess entmutigt den Kopf hängen. Mein Chef kam vorbei, sah den Trauerkloss mit den Karteikästen und sagte: „Limbeck, stehense auf. Nehmense die beiden Kästen und kommense mit.“ Er schob mich zum Aufzug: „Drückense auf K.“ Was wollte der bloss im Keller mit mir? Er steuerte auf die grossen silbernen Mülltonnen zu: „Aufmachen, Limbeck!“

Sollte das eine bizarre Disziplinierungs-Massnahme sein, oder was? „Und jetzt Limbeck, schmeissense die Karteikästen rein und machense den Deckel wieder zu.“ Echt jetzt? „Sehense Limbeck, jetzt habense die Birne frei. Jetzt fangense von Null an. Jetzt schreiben SIE die Kärtchen.“ Grossartig! Das war das Beste, was mir passieren konnte. Manchmal lohnt es sich, die Perspektive zu wechseln. Denn vielleicht war ja mein Vorgänger die Niete, der Spinner und der Kotzbrockmen und hatte deswegen so ein miserables Verhältnis zu seinen Kunden.

Ab diesem Punkt gab es für mich nur noch Kaltakquise. Egal, welche Vorurteile und Meinungen mein Vorgänger hatte, ich machte mir mein eigenes Bild von meinen neuen Klienten. Ich ging völlig unvoreingenommen in die Erstgespräche mit ihnen. Jetzt wollte ich es wissen. Denn nur weil mein Vorgänger nicht mit einem Kunden klarkam, hiess das doch noch lange nicht, dass ich es nicht konnte. Fakt ist: Jede persönliche Information von einem Menschen über einen anderen ist immer subjektiv. Halten Sie sich lieber an die Fakten. Und auch die sollten Sie besser selbst überprüft haben, als sie von einem geerbten Karteikärtchen abzulesen. Sonst können Sie schnell ins Schleudern geraten. Ich habe folgende haarsträubende Situation in einem meiner Seminare erlebt: Eine Verkäuferin hatte einen Kunden übernommen und ihre Vorgängerin hatte vermerkt, dass er „der totale Familienmensch“ wäre. Also stellte sie sich bei ihm mit dem Satz „Wie geht’s denn Frau und Familie?“ vor. Seine Antwort: „Die Scheidung läuft gerade.“ Rrrrrrummms! Treffer, versenkt! Aus dem Fettnäpfchen kommen Sie nicht mehr raus. Die Moral von der Geschichte: Geh lieber auf Nummer Sicher und check den Kunden selbst nochmal ab, zum Beispiel in den sozialen Netzwerken. Und verlasse dich niemals auf „Second-Hand-Informationen“! Sie können veraltet oder schlicht falsch sein. Es ist Ihr Kunde, also sollten Sie ihn mit neuen Augen sehen. Mit Ihren Augen.



Zurückblickend kann ich sagen, dass ich mit dieser Taktik immer gut gefahren bin. Auch heute, in meinen Trainings, profitiere ich von dieser Einstellung. Manchmal bieten Vorgesetzte an, mir vor dem Seminar genaueres über die Stärken und Schwächen der einzelnen Teilnehmer zu erzählen, doch das will ich gar nicht hören. Unvoreingenommen zu sein, hat Vorteile für beide Seiten. So komme ich mit einem besonders wissbegierigen Teilnehmer im Seminar super klar – was wäre gewesen, wenn ich vorher gewusst hätte, dass er ein nerviger Besserwisser ist? Andersherum habe ich bessere Karten, wenn die Mitarbeiter unvoreingenommen sind und nicht schon vorher von irgendeinem Miesepeter eingebläut bekommen haben, was der Limbeck doch für ein Lackaffe ist. Gib jedem Kunden die Chance, die er verdient!



Martin Limbeck – Sein neues Buch

Redline Verlag, 2014
Hardcover, ca. 210 Seiten
ISBN: 978-3-86881-235-0
€ 19,99

Bestellbar unter bit.ly/warum-keiner oder in der Buchhandlung Ihres Vertrauens

Einfach kann jeder – nur Hindernisse machen stark. Ein Widerspruch? Nicht, wenn es nach Martin Limbeck geht. Er beschreibt schonungslos in vielen persönlichen Episoden seinen nicht einfachen Aufstieg vom No-Name im Ruhrpott zum bekannten und gefragten Top-Speaker. Martin Limbeck erzählt, dass er auf seinem Weg nach oben an die Spitze mit unzähligen Hindernissen konfrontiert war, von Neid über Selbstsabotage bis hin zu falschen Freundschaften.

Hindernissen, wie sie viele Menschen kennen und erleben. Mit dem Unterschied, dass Martin Limbeck sich nicht hat ausbremsen lassen, dass er nicht zu stoppen war. Heute ist er mit sich im Reinen und kann seine Erfahrung, seine Botschaft weitergeben: Wenn das Leben »Nein« zu dir sagt, heisst das nichts anderes, als dass du nur NOCH nicht am Ziel bist. Oft ist nur noch ein kleiner Schritt, eine kleine Anstrengung nötig, um das Ziel zu erreichen, um alle Stolpersteine zu überwinden. Mit dieser Philosophie hat Martin Limbeck es sehr weit gebracht. In seinem spannenden Buch zeigt er, dass es jeder schaffen kann. Ein ermutigender Aufruf an alle, die mehr aus ihrem Leben machen möchten, obwohl – oder eben gerade weil(!) – sie es dabei nicht leicht haben!

 

Oberstes Bild: © Photographee.eu – shutterstock.com

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Mehr zu Martin Limbeck

Martin Limbeck ist Inhaber der Limbeck® Group, einer der führenden Experten zum Thema Blended Learning und Entwicklung von Lernkonzepten für Unternehmen, sowie einer der meistgefragten und renommiertesten Business-Speaker und Verkaufsspezialisten auf internationaler Ebene. Für seine innovativen und nachhaltigen Angebote wie den LOOP-Prozess® und die Martin Limbeck® Online Academy wurde Martin Limbeck unter anderem mit dem Grossen Preis des Mittelstandes der Oskar-Patzelt-Stiftung und dem Siegel „Wirtschaftsmagnet“ ausgezeichnet. Darüber hinaus erhielt die Limbeck® Group die Auszeichnung „Beste Arbeitgeber in NRW 2019“ von Great Place to Work®. Mehr Informationen auf www.martinlimbeck.de und www.limbeckgroup.com.

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