Was verhindert die Fortsetzung der VW-Erfolgsgeschichte? – Teil 2

Ist VW aufgrund seines gewaltig expandierenden Wachstums tatsächlich an seiner Leistungsgrenze angekommen, wie manche Kenner der Automobilbranche ernsthaft behaupten?

Die USA erschliessen sich als Markt nicht wirklich, die Marktpräsenz in zahlreichen asiatischen Ländern lässt zu wünschen übrig, und auch in Lateinamerika gelingt es dem Konzern nicht, erfolgreich Fuss zu fassen. Die Konzerngrösse scheint sich für diese Entwicklung als Hauptverantwortlicher herauszustellen.


Dies ist ein Bericht in vier Teilen:

Was verhindert die Fortsetzung der VW-Erfolgsgeschichte? – Teil 1

Was verhindert die Fortsetzung der VW-Erfolgsgeschichte? – Teil 2

Was verhindert die Fortsetzung der VW-Erfolgsgeschichte? – Teil 3

Was verhindert die Fortsetzung der VW-Erfolgsgeschichte? – Teil 4


Die graue Eminenz im Konzern ist Ferdinand Piëch, der Aufsichtsratsvorsitzende. Nicht nur wegen seines Postens wirkt er bei allen Konzernentscheidungen massgeblich mit, das dominante Mitglied der Familien Piëch und Porsche hält die absolute Mehrheit der Aktien des VW-Konzerns, nämlich 50,73 Prozent. Der Wirtschaftstycoon ist für seine Vorliebe für exzentrische und üppige Vorhaben berüchtigt. Augenfällig ist sein spezielles Interesse für italienische Traditionsmarken, das besonders deutlich wurde, als er in den letzten Jahren nicht nur die noblen Sportwagenhersteller Bugatti und Lamborghini, den Motorradproduzenten Ducati und das edle Designstudio Giugiaro dem Konzern angliederte, er holte zudem Luca de Meo, ein Vorstandsmitglied von Audi, ins VW-Boot.

Auch die Kontakte zu den Fiat-Haupteigentümern, der Familie Agnelli, muss man als ausgesprochen eng bezeichnen. Dass er ein begehrliches Auge auf die extrem erfolgreichen Fiat-Töchter Alfa Romeo und Ferrari geworfen hat, ist nicht nur intimen Branchenkennern bekannt. Und mit Chrysler kam in letzter Zeit noch eine dritte Marke des Fiat-Imperiums in Piëchs Fokus der Begehrlichkeiten, deren mögliche Übernahme durch VW von dem italienischen Konzern selbst Gerüchten zufolge angeregt worden sein soll. Obwohl die VW-Spitze zunächst erheblich irritiert war, als man von diesen angeblichen Plänen erfuhr, haben die Wolfsburger Manager die Sache inzwischen wohl analysiert und scheinen einer Integration nicht mehr grundsätzlich abgeneigt.

In der Öffentlichkeit hat VW solche Überlegungen bis jetzt entschieden bestritten. Hält man sich Ferdinand Piëchs Interessen vor Augen, erscheinen sie aber nicht mehr so abwegig, hatte er doch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts bezüglich der Marke Audi als Konkurrenz zu BMW folgende Devise ausgegeben: Man sollte den Begriff der sportlichen Fahrweise neu definieren und das Image des besseren Herstellers für sportliche Automobile auf diese Weise nachhaltig etablieren. Bis 2018 soll VW Toyota überholen und Platz eins der Weltrangliste der Automobilhersteller einnehmen. Auch im Lkw-Segment will man zum Weltmarkt-Primus aufsteigen. Da kann man schon mal über den Kauf von Ferrari und Alfa Romeo nachdenken. Sind die auf dem Markt nicht einzeln zu haben, so könnte man schlussfolgernd überlegen, dass die Übernahme des kompletten Fiat-Konzerns samt Chrysler vielleicht ein gangbarer Weg wäre.


Stösst VW an seine Wachstumsgrenze? (Bild: 3 moderne Bentleys / © Brett Weinstein / Wiki / Lizenz: CC 2.5)

Den VW-Vorstandsvorsitzenden scheint auch nicht wirklich zu verunsichern, dass ein anderer deutscher Automobilhersteller vor einigen Jahren nicht die allerbesten Erfahrungen mit der Übernahme von Chrysler gemacht hat. Nach dem Daimler-Fiasko konnte bei Chrysler nur aufgrund staatlicher Unterstützung mühsam die Pleite verhindert werden. In Piëchs Überlegungen ist Chrysler offenbar eine Chance für den VW-Konzern, sich auf dem US-amerikanischen Markt erfolgreich zu etablieren. Dass es im Gegensatz zum europäischen und chinesischen an Verständnis für die Mechanismen ebendieses US-Marktes hapere, das hat der VW-Aufsichtsratsvorsitzende in einem Interview mit der amerikanischen Medienagentur Bloomberg erstaunlich offen eingestanden.

Piëch steht mit dieser Sichtweise in der VW-Führung nicht allein. Verschiedene Absatzgebiete benötigen ob ihrer Unterschiedlichkeit mehr verantwortliche Präsenz vor Ort. So ist die Marktsituation für Autos in den USA nicht zu vergleichen mit den Verhältnissen in China oder in Europa. Dass dies eigentlich zu den Binsenweisheiten der internationalen Ökonomie gehört, hat man bei VW offensichtlich lange Zeit vernachlässigt. Zwar hat man schon Strategien für fremde Märkte angedacht, doch die werden entweder totdiskutiert, oder ihre Ausführung zeichnet sich durch Zögerlichkeit und Halbherzigkeit aus. So gibt es seit 2007 Pläne zur Produktion von nur mit dem Notwendigsten ausgestattete Pick-ups nach dem Vorbild von Toyotas Land Cruiser für den asiatischen Markt. Hergestellt hat man letztlich den Amarok, ein Kompromiss-Modell, das für den asiatischen Markt zu teuer, für die USA zu leistungsschwach ist.

Schnell wachsende Ökonomien wie die Malaysias, Thailands oder Indonesiens wären ideale Märkte für einen Mobilproduzenten wie VW. Doch man schafft es einfach nicht, mit dem dortigen Marktführer Toyota konkurrenzfähig zu werden. In Indien ist eine Kooperation mit Suzuki klar gescheitert, was der VW-Marktanteil von gerade einmal drei Prozent mehr als deutlich macht. Dabei ist Indien nach China der zweitgrösste Markt für Automobilhersteller. Aber VW lässt diese Marktchance ungenutzt – sei es aus zu geringem Engagement oder fehlender Marktkompetenz. Und auf dem südamerikanischen Kontinent ist man aufgrund seiner nicht mehr zeitgemässen Modellpalette nicht mehr in der Lage, seinen – ohnehin nicht überragenden – Marktanteil zu halten.

Die Ausrichtung des Unternehmens auf ein zentralistisches Management kann VW nicht aus der Krise herausführen. Beispielhaft für diese Struktur ist das Sich-für-alles-verantwortlich-Fühlen des Vorstandschefs. Martin Winterkorn regelt Schwierigkeiten mit einem Zulieferer auch schon gerne mal in eigener Initiative. Und sein persönliches Engagement für den sportlichen Erfolg des VfL Wolfsburg, des VW-eigenen Fassballklubs, wie es exemplarisch deutlich wurde, als er sich nach einer Niederlagenserie der Bundesliga-Kicker höchstselbst auf Trainersuche begab, wird längst nicht von jedem goutiert.

 

Oberstes Bild: Genfer Auto-Salon 2014 / © Norbert Aepli, Switzerland / Wiki / Lizenz: CC 3.0

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