Was verhindert die Fortsetzung der VW-Erfolgsgeschichte? – Teil 3

Allein Winterkorn ist nicht das Problem. Bei VW gibt es eine kleine Gruppe von Entscheidungsbefugten. Da in einem Unternehmen von der Grösse des VW-Konzerns zahlreiche Entscheidungen auf der täglichen Agenda stehen, sind die Topmanager im Prinzip ständig gefordert – oft über die Grenzen ihrer persönlichen Belastbarkeit hinaus.

Das hat zur Folge, dass Entscheidungen häufig zu spät oder gar nicht getroffen werden. Gute Beispiele für die Folgen dieser Situation sind die Modelleinführungen des Audi A4 oder des aktuellen Passat. Diese sollten eigentlich schon Monate eher geschehen. Dieser Warteschleifen-Effekt wirkt sich negativ auf das Alter der Produktpalette und damit auf die Konkurrenzfähigkeit der Produkte aus.


Dies ist ein Bericht in vier Teilen:

Was verhindert die Fortsetzung der VW-Erfolgsgeschichte? – Teil 1

Was verhindert die Fortsetzung der VW-Erfolgsgeschichte? – Teil 2

Was verhindert die Fortsetzung der VW-Erfolgsgeschichte? – Teil 3

Was verhindert die Fortsetzung der VW-Erfolgsgeschichte? – Teil 4


Die gegenwärtigen zentralen Problembereiche im VW-Konzern sind: eine spürbare Verzögerung bei neuen Modelleinführungen, empfindliche Ausfallraten auf Absatzmärkten und in für den Konzern relevanten Regionen, deutliche Diskrepanzen zu den angestrebten Renditezielen. All dies muss nach Meinung der Branchen-Insider von der Konzernspitze in Angriff genommen werden. Und es hat sich auch schon etwas getan. Vorstandschef Winterkorn hat – auf den dringlichen Rat Hans Dieter Pötschs, seines Finanzvorstands, hin – dem Konzern einen rigiden Sparkurs verordnet, was nicht ohne den Widerstand des ein oder anderen Vorstandskollegen abging.

Bis 2017 sollen die Kosten im Vergleich zu heute um jährlich 5,5 bis 6 Milliarden Euro reduziert werden – Schritt für Schritt, und kein Bereich soll ausgespart werden. „Future Tracks“ ist der Programmname des Vorhabens zur Sicherung und Neugestaltung der Unternehmenszukunft. Bernd Pischetsrieder, der Vorgänger Winterkorns als Vorstandsvorsitzender, hatte 2004 ein ähnliches Programm mit Namen „Formotion“ auf den Weg gebracht. Damit steuerte er der schwierigen Situation, in der sich VW damals befand, mit einer Einsparung von 3,5 Milliarden Euro und einer profitableren Ausrichtung des Konzerns erfolgreich entgegen.


Stösst der VW-Konzern an seine Grenzen? (Bild: © Ice Professor / flickr.com / Lizenz: CC 2.0)

Ob die von Winterkorn geplanten Massnahmen für die Konsolidierung des VW-Konzerns in der Weltspitze der Automobilhersteller-Unternehmen oder gar zur Überholung von Branchen-Primus Toyota ausreichen werden? Eher nicht. So ist die „Expertenkreis“-Führung des Unternehmens im Vergleich zu den Anforderungen, wie sie heute an einen multinationalen Konzern mit modernen Leitungsstrukturen gestellt werden, nicht mehr zeitgemäss. Noch ist man einiges entfernt von transparenten Entscheidungsprozessen und klar definierten Verantwortlichkeiten. Auch müssen die Zielsetzungen für Entwickler und Sektions- und Markenchefs klar formuliert und mit präzisen zeitlichen Angaben versehen sein. Nur so können sie ihren Verantwortungsbereich eigenverantwortlich gestalten und auf Markterfordernisse unmittelbar reagieren, ohne sich vorher umständlich und zeitraubend das Placet des Vorstandsvorsitzenden, der sich die Sachlage betreffend erst schlaumachen muss, zu versichern.

Vorsichtige Bemühungen in diese Richtung gab es bereits 2010. Ferdinand Piëch hat Matthias Müller, den Vorstandsvorsitzenden der Porsche AG, damals beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, um bei den Entscheidungen im Konzern mehr Tempo, eine höhere Flexibilität und grössere Effektivität zu realisieren. Müllers Pläne beinhalteten, das Unternehmen in drei Gruppen aufzugliedern. Eine Gruppe sollte die „gängigen“ Produkte wie VW, Skoda und Seat beinhalten, eine „noble“ Gruppe sollte sich vornehmlich um Audi in Ingolstadt kümmern. Die dritte Gruppe sollte sich mit dem „sportlichen“ Produktionszweig mit Porsche als Zugpferd befassen. Doch Müllers Pläne wurden nie in die Praxis umgesetzt. Sie mussten wohl bis heute in irgendeiner Schublade auf der Vorstandsetage „überwintern“, bis sie für die aktuelle Diskussion wieder „ausgegraben“ wurden. Ergänzt wird die Aufteilungs-Diskussion um eine vierte Unternehmensgruppe. Die soll sich mit dem Lkw-Bereich befassen. Diese Pläne werden nach Meinung von intimen Kennern der Szene allerdings erst in der Nach-Winterkorn-Ära Praxisrelevanz erlangen können.

Während Piëch weiterhin auf Strukturveränderungen drängt, versucht Winterkorn, Strukturreformen weiterhin effektiv auszubremsen. Der Konzern sei erfolgreich mit den bewährten Strukturen, es bestünde nicht die Notwendigkeit, daran in der Zukunft etwas zu ändern, so liess er kürzlich in einem Interview verlauten. Eine Änderung in der Führungsstruktur des Konzerns könnte er sich bestenfalls unter seinem Nachfolger vorstellen. Schliesslich habe VW seine erfolgreichste Zeit gehabt, als das Unternehmen unter der absoluten Führung eines Einzelnen gestanden habe.

Daraus lässt sich ablesen: Die Führungsstrukturen für Audi in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts sind auch heute noch vorbildlich für den gesamten Konzern. Zu Entscheidungen befugt ist eine kleine Gruppe von Führungskräften, die für die Entwicklung der Konzernthemen, die Klärung der Details für ihre Umsetzung und letztendlich für die Umsetzung in die Praxis verantwortlich ist. Die personelle Zusammensetzung der Gruppe ist über viele Jahre konstant, sie ist konservativ und statisch. So etwas wie eine kreativ-unabhängige Strategieabteilung ist nicht vorgesehen. Das mag für ein Unternehmen mit nur einer Marke, die in sechs Modellen verkauft wurde, einem Umsatz von rund sechs Millionen Euro und einem Personalstamm von etwa 38ʹ000 Mitarbeitern, wie es für Audi damals zutraf, eine Erfolg versprechende Strategie gewesen sein. Ob sich dieses Rezept auf den VW-Konzern mit zwölf Marken, knapp 200 Milliarden Euro Umsatz und 575ʹ000 Mitarbeitern genauso erfolgreich anwenden lässt, darf zu Recht bezweifelt werden.

Was ist nun zu erwarten? Dass Winterkorn demnächst in den Aufsichtsrat wechseln und seinen Chefsessel im Vorstand räumen wird, damit ist nicht zu rechnen. Er wird wohl noch bis 2018 Vorstandsvorsitzender bleiben und versuchen, seine Vorstellungen von Konzernführung und Unternehmenspolitik weiterhin durchzusetzen. Ihren Vorstandssessel haben bislang andere VW-Führungskräfte geräumt (oder räumen müssen). Andere werden sich wohl auch in naher Zukunft zurückziehen.

 

Oberstes Bild: Audi A4 2.0 TDI / © Michael Barera / Wiki / Lizenz: CC 4.0

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