St. Gallen Symposium: Der Graben zwischen den Generationen wächst

Das St. Gallen Symposium hat eine inzwischen über 40-jährige Tradition. Zum ersten Mal hat es im Jahr 1970 stattgefunden. Ins Leben gerufen wurde es vom International Students’ Committee (ISC) der Universität St. Gallen als Alternative zu den Studentenbewegungen im 1968er-Umfeld. Die Konferenz – eine der weltweit grössten ihrer Art – soll den generationsübergreifenden und interkulturellen Dialog zwischen den Führungskräften von heute und ihrem heute noch studierenden Nachwuchs fördern. Damit will das Symposium einen Beitrag zur Erhaltung und Weiterentwicklung eines liberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells leisten. Mit seinem aktuellen Thema „Clash of Generations“ kehrte es in der vergangenen Woche nun zu seinen Ursprüngen zurück.

Die ursprüngliche Intention des St. Gallen Symposiums zielte exakt auf dieses Thema. Die „drei Tage im Mai“ – mittlerweile auf zwei geschrumpft – sollten eine Brücke zwischen den Generationen, ihren Sichtweisen und Interessen schlagen. Generationskonflikte sind heute mindestens ebenso aktuell wie zu Beginn der 1970er-Jahre. In den Industriegesellschaften drohen demografischer Wandel respektive Überalterung und damit für kommende Generationen auch eine spürbare Ressourcenlimitierung. Hinzu kommen zahlreiche weitere Faktoren, exemplarisch genannt seien hier die Schädigung der Umwelt durch unsere industrielle Hybris oder die Existenz einer zahlenmässig starken und zum Teil nahezu chancenlosen jungen Generation in vielen Entwicklungsländern.

Moralischer Imperativ: Ressourcengerechtigkeit für künftige Generationen

Das Motto der Konferenz „The Clash of Generations“ ist auch der Titel eines aktuellen Buches des US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Lawrence Kotlikoff. Der Ökonomie-Professor aus Boston übernahm denn auch das Eröffnungsreferat. Aus seiner Sicht verschleiert der Begriff des Generationskonfliktes das Ausmass des Problems, in Wirklichkeit sei heute ein „Krieg der Generationen“ im Gange, der sich gegen unsere Kinder richte. Dessen Schauplätze fänden sich in der globalisierten Welt in grosser Zahl – in Form von giftigen Abfällen und Schuldenbergen oder auch von nicht nachhaltig finanzierten Renten.

Kotlikoffs Fazit daraus gestaltet sich recht düster, indem er konstatiert, dass die heute erwachsenen Generationen dabei seien, diese Auseinandersetzung zu gewinnen. Um technische Auseinandersetzungen gehe es – ebenso wie in der 1968er-Vergangenheit – auch bei diesen Kämpfen nicht. Zur Debatte stehe vielmehr die Rolle von Gesellschaften als zukunftsweisende moralische Instanzen. Der konservative britische Politiker und Wirtschaftswissenschaftler Lord Brian Griffiths of Fforestfach fragte als Tagungsleiter zusammenfassend, ob heutige Gesellschaften bereit seien, selbst auferlegte Regeln einzuhalten, um die Ressourcen künftiger Generationen zu erhalten.

Schuldenbremse als Prototyp der Selbstbeschränkung

Von verschiedenen Rednern wurde als ein positives Beispiel für eine solche Selbstbeschränkung die Schuldenbremse herausgestellt. Die Schweiz verpflichtet sich in diesem Kontext ebenso wie einige weitere Länder seit 2003 dazu, die Balance ihrer Einnahmen und Ausgaben über den Konjunkturzyklus hinweg konstant zu halten. Bundespräsident Didier Burkhalter betonte in seiner Grussbotschaft an das Symposium im Übrigen, dass St. Gallen hier bereits seit 1929 eine Pionierrolle übernommen habe – die Schuldenbremse als wirtschaftspolitisches Instrument hat der Kanton bereits zu diesem Zeitpunkt eingeführt.

Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner plädierte im Hinblick auf das Vermeiden einer neuen Schuldenkrise allerdings auch für einen weiteren Vertrauensvorschuss für die Finanzdienstleister: Ihre spezielle Expertise sei auch für die Entwicklung wirksamer politischer Regulationsmechanismen unverzichtbar.



Hohe Jugendarbeitslosigkeit als globales Phänomen

Deutlich wurde in St. Gallen jedoch auch, dass die Konfliktlinien zwischen den Generationen nicht in allen Staaten gleich verlaufen. Der Finanzminister der Philippinen, Cesar Purisima, führte beispielsweise aus, dass sein Land angesichts eines Durchschnittsalters von 23 Jahren keine demografischen Probleme habe. Die Philippinen sind bereits heute einer der weltweit wichtigsten Exporteure von Pflegekräften und anderem medizinischen Personal. Staaten mit einer offenen Migrationspolitik könnten hierdurch ihre Probleme mit einer alternden Bevölkerung entschärfen.

Allerdings äussert sich hier auch ein anderes Problem, das in mehr als der Hälfte der studentischen Beiträge zum St. Gallen Symposium anklang: Hohe Jugendarbeitslosigkeit ist derzeit ein weltweites Phänomen, das die sozialen Perspektiven der jungen Generation nachhaltig limitiert.

Unsterblichkeit als wissenschaftlich mögliche Vision

Einen ganz anderen Blick auf das Verhältnis der Generationen oder auch den Begriff der Generation an sich hatte der britische Bioinformatiker und Mitbegründer der Sens Research Foundation Aubrey de Grey. Das Non-Profit-Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, nicht nur therapeutische Verfahren gegen altersbedingte Krankheiten zu finden, sondern auf lange Sicht den Alterungsprozess sogar selbst zu stoppen. Faszinierend war de Greys Vortrag durchaus – beim Publikum fand seine Vision von extremer Langlebigkeit trotzdem nur wenig Anklang. Sicher auch aus subjektiven Gründen – potenzielle Unsterblichkeit war offenbar nur für die wenigsten Konferenzteilnehmer wirklich wünschenswert –, aber auch vor dem Hintergrund leerer Rentenkassen und explodierender Gesundheitskosten in mehr als einem Land.

Umbau der Sozialsysteme auf Basis ihrer zukünftigen Finanzierung

In diesem Bereich – der Finanzierbarkeit von Zukunft – findet übrigens auch Lawrence Kotlikoff seine Schlüsselthemen: Dass die ältere Generation auf Kosten jüngerer respektive zukünftiger Generationen lebt, beruht für ihn nicht zuletzt auf einer rechnerischen Illusion. Heutige Staaten seien daran gewöhnt, Haushaltsrechnungen zu präsentieren, die zwar aktuelle Einnahmen und Ausgaben bilanzieren, für die Zukunft eingegangene – und häufig ungedeckte – Zahlungsverpflichtungen jedoch ignorieren. Kotlikoff plädiert dafür, stattdessen die „fiskalischen Lücken“ auf Basis künftiger Verpflichtungen und Erlöse zu definieren und damit den Druck auf die Politiker zu erhöhen, nur finanzierbare Ausgaben zu beschliessen.

Ohne einen grundsätzlichen Umbau der Sozialsysteme ist ein solches Vorgehen allerdings nicht zu haben. Beispielsweise wirbt der renommierte Ökonom dafür, analog zur Schuldenbremse für die Alters- und Gesundheitsversorgung verbindliche Fiskalregeln einzuführen, wie sie in der Schweiz bereits zur Debatte stehen. Für den Gesundheitsbereich bedeute dies etwa, eine Krankenkassen-Grundversicherung zu etablieren, deren Ausgaben nicht schneller wachsen dürfen als das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Beiträge der Versicherten würden sich entsprechend an deren tatsächlichen Gesundheitsrisiken bemessen.

 

Oberstes Bild: © yui – Shutterstock.com

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