Russland macht Druck mit Gas - jetzt antwortet der Westen

Russland ist durchaus dafür bekannt, die Preise für seine Gaslieferungen immer mal wieder als politisches Druckmittel einzusetzen. Die Tarife für moskaufreundliche Abnehmer sind wesentlich günstiger als für russlandkritische Staaten. In der derzeitigen Ukraine-Krise wird dies besonders deutlich. Anfang April erhöhte der Lieferant Gazprom den Preis für 1’000 Kubikmeter um 44 Prozent auf 385,50 US-Dollar.

Als Begründung führte der russische Energieriese an, die Ukraine habe die Rechnungen für das Jahr 2013 nicht vollständig beglichen, sondern rund 1,7 Milliarden US-Dollar Schulden angehäuft. Der bisherige Rabatt könne somit nicht mehr gewährt werden. Man darf dieser Aussage durchaus skeptisch gegenüber stehen, denn angekündigt hatte Russland die Erhöhung bereits kurz nach dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch.

In der Ukraine sollen die Gaspreise für die Verbraucher im Land nun um 50 Prozent steigen, um gegen den drohenden Staatsbankrott anzukämpfen. Dies fordert seit Jahren auch der Internationale Währungsfonds (IWF) als Bedingung für neue Kredite. Nur zwei Tage nach der ersten Erhöhung teilte Gazprom allerdings mit, ab sofort 485,50 US-Dollar für 1’000 Kubikmeter kassieren zu wollen. Wiederum wurden die Schulden der Ukraine als Argument angeführt. So kurz hintereinander und unmittelbar nach der Aufkündigung des Stationierungsabkommens für die Schwarzmeerflotte auf der Krim durch Moskau erscheint dies aber nicht mehr sehr glaubwürdig.

Zumal der russische Präsident Wladimir Putin nun auch Druck auf Europa macht. In einem Brief an 18 Regierungen von Abnehmerländern teilte er mit, dass für die Ukraine ab sofort das Prinzip Vorkasse gelte. Wegen der Massnahme könne es im nächsten Herbst und Winter zu massiven Engpässen kommen. Eventuell werde die Ukraine auch Gas abzapfen, das für Westeuropa bestimmt sei. Immerhin komme die Hälfte des ukrainischen Bedarfs aus Russland. Die Verantwortung für diesen Schritt schiebt Putin auf die Partner in der EU, weil sie sich von den gemeinsamen Bemühungen zurückgezogen hätten, die Krise in der Ukraine zu lösen.

Die EU-Länder beziehen ihr Erdgas zu einem Drittel aus Russland (Schweiz: ca. 22 Prozent). Allerdings sind die Speicher, nicht zuletzt wegen des milden Winters, gut gefüllt. So ist es keine allzu grosse Überraschung, dass der deutsche Energiekonzern RWE den Spiess umdreht und seinerseits Gas an die Ukraine liefert. Grundlage dafür ist ein Vertrag mit dem staatlichen Versorger Naftogaz of Ukraine aus dem Jahr 2012, nach dem grundsätzlich 10 Milliarden Kubikmeter jährlich an die Ukraine verkauft werden können. Die Lieferung in das osteuropäische Land erfolgt zu europäischen Grosshandelspreisen über Polen. Diese liegen zur Zeit bei rund 380 US-Dollar pro 1’000 Kubikmeter und sind deshalb für die Ukraine angesichts des Drucks aus Moskau sehr attraktiv. Auch französische Unternehmen stehen bereit.

RWE hat Erfahrung mit der Vorgehensweise, denn der Konzern lieferte bereits im letzten Jahr rund eine Milliarde Kubikmeter Erdgas nach Osten. Zwar ist die durch Polen führende Pipeline eher klein, aber es besteht zusätzlich die Möglichkeit, den Rohstoff durch eine wesentlich grössere Leitung in der Slowakei zu führen. Diese bringt hauptsächlich russisches Gas nach Westen, kann jedoch teilweise per „reverse flow“ (Schubumkehr) auch in die entgegengesetzte Richtung pumpen. Dazu müssten allerdings noch einige technische und politische Probleme an der Grenze zwischen Slowakei und Ukraine beseitigt werden, so ein RWE-Sprecher.


Kurzfristig kann Europa auf Erdgas aus Russland nicht verzichten. (Bild: INSAGO / Shutterstock.com)


Kurzfristig kann Europa auf Erdgas aus Russland nicht verzichten. Aber es gibt erste Überlegungen, wie ein langfristiger Ausstieg aus der Abhängigkeit von Moskau möglich ist. Die spanische Regierung zum Beispiel verhandelt gerade mit Algerien, das bereits seine grundsätzliche Bereitschaft zu Gaslieferungen erklärt hat. Die polnische Regierung Polen treibt die Idee voran, eine europäische Energie-Union ins Leben zu rufen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Schliesslich bleibt als Alternative noch die Förderung von Schiefergas. Allein Deutschland könnte mit seinen Vorkommen nach Expertenschätzungen seinen eigenen Bedarf für zwölf Jahre abdecken. Allerdings stösst das Fracking-Verfahren dort auf heftigen Widerstand bei Umweltschützern.

Sollte die EU ihre Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise verschärfen und den Gas-Import einstellen, würde dies die ohnehin schon kriselnde russische Wirtschaft empfindlich treffen. In Europa würde Energie teurer, aber Russland hätte erhebliche Einnahmeverluste zu verbuchen.

Vielleicht vertraut Wladimir Putin auf die Bequemlichkeit und Unentschlossenheit der Europäer, aber er sollte den Bogen nicht überspannen. Nach Berechnungen des Energiewirtschaftlichen Instituts in Köln käme auf Kerneuropa bei einem dreimonatigen Embargo gegen russisches Gas eine Erhöhung der Preise zwischen fünf und zehn Prozent zu. Das ist durchaus zu verkraften, auch für den einzelnen Verbraucher. Für Länder Osteuropas wie Ungarn oder Polen fiele die Bilanz mit mindestens 20 Prozent Aufschlag deutlich negativer aus.

 

Oberstes Bild: © JonnyBrazil – Pipelinebau in der Ukraine / wikimedia.org

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hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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