Nachwuchs-Manager in der Schweiz: Turbo-Karrieren mit Ambivalenzen

Junge High-Potentials, die ins Arbeitsleben starten, haben ihre persönlichen Karriereziele in der Regel fest im Blick. Schweizer Firmen kommen diesem Wunsch nach Aufstieg und beruflichem Erfolg durch schnelle Beförderungen entgegen.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass eine solche Strategie der Bindung von Talenten auch Risiken mit sich bringt. Viele Turbo-Karrieren sind kaum mit Nachhaltigkeit verbunden, was Folgen für die Unternehmen und die Mitarbeiter hat.

Viele Unternehmen betrachten schnelle Beförderungen als das wichtigste Instrument zur Mitarbeitermotivation. Auch im „Kampf um die Talente“ versuchen sie, sich damit einen Vorteil gegenüber den Wettbewerbern zu verschaffen. Eine Studie der Outplacement-Beratung Lee Hecht Harrison zeigt, dass die Beförderungszyklen junger Manager in der Schweiz immer kürzer werden. Im Schnitt verweilen die jungen Führungskräfte nur 1,5 Jahre auf derselben Stelle. Wer drei Jahre lang nicht befördert worden ist, besetzt seine Position bereits überdurchschnittlich lange.

Geringe Identifikation mit dem aktuellen Arbeitsplatz

Studienautor Stefan Hamilos führt dafür zwei Gründe an: Zum einen fürchten die Unternehmen, gute Mitarbeiter zu verlieren, wenn sie deren Karrierewünsche nicht bedienen – unter Umständen können die Turbo-Karrieren sogar mit einer „Vielfalt an Titeln und Scheinzuständigkeiten“ verbunden sein. Zum anderen kommen die Nachwuchsführungskräfte mit klaren Erwartungen in die Firmen – innerhalb eines Zeitraums von ein bis zwei Jahren wollen sie befördert worden sein. Nach dem Erreichen der neuen Position haben sie bereits die nächste Karrierestufe im Blick und identifizieren sich daher nur wenig mit ihrem aktuellen Arbeitsplatz. Viele der Beförderten überschätzen zudem ihre Fähigkeiten.

Im Unternehmensinteresse ist das nicht, zum Teil müssen sich die Firmen irgendwann auch für Rückstufungen entscheiden. Ein solches Prozedere ist für alle Beteiligten unangenehm und schwierig, oft bleibt trotz guten Willens am Ende kein anderer Ausweg als die Kündigung. Für die Unternehmen schlagen verfehlte Beförderungen auch als ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor zu Buche. Der Aufwand für die Neubesetzung solcher Stellen und die Einarbeitung neuer Mitarbeiter kann sich schnell zu beträchtlichen Summen aufaddieren.

Die Gefahr von Fehlbesetzungen steigt an

Junge Führungskräfte, denen Beförderungen angeboten werden, hinterfragen in den meisten Fällen nicht, ob ihre Kompetenzen für die neue Stelle reichen. Im Zweifelsfall hoffen sie und auch ihre Vorgesetzten auf ein wirkungsvolles „training on the job“. Mit den immer kürzer werdenden Beförderungszyklen steigt zwangsläufig die Gefahr von Fehlbesetzungen an. Die Ein- bis Zwei-Jahres-Intervalle bis zum nächsten Karrieresprung reichen für eine nachhaltige Entwicklung der beruflichen und persönlichen Fähigkeiten oft nicht aus. Mit einer realistischen Beurteilung von Potenzialen tun sich jedoch oft auch die Firmen schwer.

Gut beraten sind Unternehmen, die schnell beförderte Mitarbeiter aktiv beobachten und begleiten. Dies kann durch den direkten Vorgesetzten, auf den Betreffenden zugeschnittene Massnahmen zur Personalentwicklung oder auch durch unternehmensweite Mentorship-Programme geschehen. Stefan Hamilos hat in den Firmen ausserdem die Bereitschaft ausgemacht, neue Beförderungsmodelle zu testen. Ein völlig neuer Ansatz besteht beispielsweise darin, den Mitarbeitern bei Beförderungen ein Wahlrecht einzuräumen.

Offene Führungspositionen werden intern ausgeschrieben, eine Bewerbung darauf steht jedem Mitarbeiter offen. Über die Kandidaten wird anschliessend im Unternehmen abgestimmt, der Bewerber mit den meisten Stimmen erhält die Stelle. Der Aufstiegswille vor allem jüngerer Arbeitnehmer dürfte allerdings durch solche Modelle kaum gebrochen werden. Die jungen High Potentials definieren sich in ihrer persönlichen Karriereplanung nur allzu oft als brillante Überflieger, deren Selbstbild leider nicht in jedem Fall der Realität entspricht.

Wie flexibel sind die Unternehmen – und die Generation Y?

Die Studie offenbart ein Dilemma, das sich in den kommenden Jahren noch verschärfen dürfte – der demografische Wandel setzt auch Schweizer Unternehmen zu. Nachhaltige Strategien, damit umzugehen, haben viele von ihnen bisher nicht entwickelt. De facto bieten die Unternehmen jungen Führungskräften traditionelle Karrieremuster an und motivieren wie schon vor 20 oder 30 Jahren ihren Nachwuchs durch die Aussicht auf Status, Macht und Geld. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie flexibel und „anders“ die vielzitierte Generation Y eigentlich wirklich ist.


Generation Y (Bild: mypokcik / Shutterstock.com)


Den heute 25- bis 35-jährigen werden viele Eigenschaften zugeschrieben, die sie von vorhergehenden Generationen angeblich grundsätzlich unterscheiden. Zumindest in der Theorie stehen sie für neue Werte in der Arbeitswelt. Entsprechende Studien betonen fast unisono den Wunsch der „Digital Natives“ nach persönlicher Entwicklung und Selbstverwirklichung im Beruf, einer ausgewogenen Work-Life-Balance und flachen Hierarchien. Auf der anderen Seite wird ihnen wenig Interesse an Status, Prestige und formalen Autoritäten zugeschrieben, auch die Idee einer „Karriere um jeden Preis“ sei ihnen fremd. Die Ludwigshafener Wirtschaftswissenschaftlerin Jutta Rump formuliert es so, dass junge Arbeitnehmer die „Ochsentour“ nicht akzeptieren, die ihre Eltern für eine erfolgreiche Karriere vor sich hatten. Die Erhebung von Lee Hecht Harrison legt allerdings eher nahe, dass sie sich stärker als erwartet an überkommenen Karrieremustern orientieren.

Einen anderen Punkt bestätigten allerdings auch die Forschungen von Jutta Rump: Die Toleranzgrenzen junger Arbeitnehmer sind gesunken. Ihre Arbeitgeber wählen sie nach Reputation und Entwicklungsmöglichkeiten aus. Wenn sie diese nicht bekommen oder ihnen die Kultur des Unternehmens nicht gefällt, verlassen sie es wieder. Alternativen vorausgesetzt, liegt ihre Entscheidungsspanne, ob sich der Verbleib auf einer Stelle oder im Unternehmen für sie lohnt, bei etwa einem halben Jahr.

Bei den Babyboomern hatte diese Schmerzgrenze noch bei zwei bis drei Jahren gelegen. Die Unternehmen müssen jungen Arbeitnehmern – laut Rump eine sehr „führungsintensive Generation“ – also durchaus etwas bieten, um sie zu halten. Die Frage ist, ob sie dies durch unzureichend vorbereitete Beförderungen schaffen.

 

Oberstes Bild: © alphaspirit – Shutterstock.com

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