Warum Risikoscheue Sie zum perfekten Entrepreneur machen könnte

Die wenigsten Bücher und Artikel zum Thema Gründerpersönlichkeit kommen ohne mindestens zwei Seiten zur notwendigen Risikobereitschaft von erfolgreichen Entrepreneuren aus. Das Ergebnis: Viele potenzielle Unternehmer schrecken vor einem eigenen Start-up zurück, weil sie eben gerade keine grosse Risikotoleranz vorweisen können. Sollten Sie auch zu den Unglücklichen gehören, die in diese Kategorie fallen, dann lassen Sie uns gemeinsam ein kleines Gedankenexperiment durchführen: Was, wenn gerade Ihre Neigung zum exzessiven Risikomanagement Sie unter den gegebenen Umständen zum geborenen Gründer machen würde? Gehen wir doch einfach mal davon aus, dass Ihr Konservatismus, den Sie manchmal heimlich verfluchen, genau die Eigenschaft ist, für die unter den sich gerade neu formierenden betriebswirtschaftlichen Parametern Bedarf besteht.

Statistische Tatsache ist in jedem Fall, dass die allermeisten Entrepreneure extrem vorsichtige und risikoscheue Anleger sind, wenn es um Ihr Privatvermögen geht. Das ist zunächst natürlich logisch: Wer relativ viel Kapital im eigenen, noch nicht konsolidierten Unternehmen investiert, möchte soviel sichere Rücklagen haben wie möglich. Aber es gibt noch eine Perspektive auf diese Tatsache: Dass nämlich eine Gruppe erfolgreicher Gründer eigentlich von Natur aus nicht besonders risikofreudig ist – sondern Risiko schlicht als unangenehmen Nebeneffekt betrachtet, ohne den keine Gründung sich realisieren lässt, der aber so schnell wie möglich beseitigt gehört.

Das entspricht natürlich nicht dem von den Medien glorifizierten Bild des zockenden Entrepreneurs, für den das Spiel des Risikos mit all seinen Unbekannten untrennbar zur Faszination des Gründens an sich gehört. Vergessen Sie diese vermeintliche „Las Vegas“-Mentalität. Seltsamerweise hat sie den Crash von 2008 überlebt – tatsächlich ist sie aber trotz ihrer vermeintlichen Dynamik ein Dinosaurier aus einer Zeit, als Zocken zum guten Ton in Finanzkreisen gehörte.

Sehen Sie Ihr Risiko ruhig weiter als die bittere Pille an, die es wirklich ist. Sie werden sie nach wie vor schlucken müssen, wenn Sie ein erfolgreiches Unternehmen am Markt positionieren wollen; aber niemand wird Sie dafür verurteilen, wenn Ihnen dabei unwohl ist. Im Gegenteil: Gerade im Gespräch mit Investoren und Finanzinstituten können Sie bedenkenlos zugeben, dass Sie in einer idealen Welt Risiken am liebsten vermeiden würden. Natürlich dürfen Sie dabei nicht den Eindruck hinterlassen, Sie würden von Anfang alles an Geschäftsmöglichkeiten und Projekten ausschliessen und ablehnen, was sich einer absolut verlässlichen Risikoeinschätzung entzieht. Legen Sie stattdessen Wert darauf, zu unterstreichen, dass Ihre natürliche Neigung zur sicheren Sache dazu führen wird, dass Sie jedes Risiko erstens so sorgfältig wie nur möglich abschätzen werden und es zweitens so schnell wie möglich eliminieren – eben weil Sie sich damit nicht wohl fühlen.

Interessanterweise nimmt die Risikobereitschaft bei einmal gescheiterten Gründern proportional zum Erfolg Ihrer zweiten oder dritten Start-Ups ab. Unterhalten Sie sich mit jemandem, der ein solide wachsendes Unternehmen führt, aber zuvor ein- oder mehrmals spektakulär auf die Nase gefallen ist. Sie werden Folgendes zu hören bekommen: Machen Sie sich absolut klar, was Sie zu verlieren bereit sind, bevor Sie mit Ihrem Unternehmen starten – und seien Sie auch im Fall des Falles nicht bereit, darüber hinaus zu gehen. Greifen Sie nicht Ihre persönlichen Rücklagen an; Sie haben sonst kein Polster, um nochmals von vorne anzufangen und zwischendurch die nötige Reflexionspause einzulegen.

Je risikofreudiger Sie sind, desto eher sind Sie bereit, in ein offensichtlich zum Scheitern verurteiltes Unternehmen noch weiter zu investieren; und desto bereitwilliger gehen Sie bis an die Grenze der persönlichen Insolvenz. Beides jedoch hilft weder Ihnen, noch Ihrer Reputation, noch Ihren Mitarbeitern oder Kunden weiter.


Risikofreudige Menschen sind ausserdem eher bereit, auf ihr „Bauchgefühl“ zu hören. (Bild: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de)


Risikofreudige Menschen sind ausserdem eher bereit, auf ihr „Bauchgefühl“ zu hören. Auch dieses ist einer der grossen Mythen der Gründerliteratur. Das Problem dabei: Das Bauchgefühl ist nur solange zuverlässig, wie es nicht manipulierbar wird. Wenn aber die Verdrängung der Wirklichkeit, also eine artifizielle Minimierung des vorhandenen Risikos auch nach Eintreten des Risikofalles, zum Normalfall wird, wird die Intuition Instrument dieser Illusion. Risikoscheue Menschen tendieren dazu, eher auf die ihnen vorliegenden Zahlen und Fakten zu hören als auf ihren Instinkt. Dies ist weniger „sexy“ und kann auch tatsächlich zum Verpassen einiger Chancen führen, ist aber andererseits häufig auch Grund für langfristiges Überleben.

Wenn Sie zur letzteren Gruppe gehören, stellen Sie sich sowieso automatisch die zwei nötigen Fragen, die jeden wirklich guten Entrepreneur auszeichnen: Kann ich mir den nächsten Schritt in meinem Businessplan/ meinem Gründungskonzept/ meiner Geschäftsentwicklung leisten? Und: Wie viel bin ich bereit, dafür auszugeben? (Im Gegensatz dazu gehen risikofreudige Gründer diese Schritte einfach). Dies bezieht sich natürlich längst nicht nur auf Ihre finanziellen Mittel, sondern auf alle Bereiche des Businesslebens, auf die sich die Risikoplanung erstreckt: Zeit-Investitionen, Personal Image und Reputation, Beziehungsmanagement, psychische und physische Gesundheit.

Für jeden dieser Aspekte müssen Gründer Risikoevaluierung und Minimierung betreiben. Wenn Sie hierzu eine natürliche Neigung verspüren – umso besser! Denn viele Unternehmer beziehen sich in Ihrem Risikobewusstsein rein auf finanzielle Aspekte, obwohl alle genannten Punkte neue Unternehmen entscheidend beeinflussen. Seien Sie also konservativ – das kann genau die Eigenschaft sein, die Ihr Unternehmen zu einem erfolgreichen, kontinuierlich wachsenden Start-up macht.

 

Oberstes Bild: @ Olivier Le Moal – Fotolia.com

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Mehr zu Caroline Brunner

Caroline Brunner ist freiberufliche Online-Journalistin mit Fokus auf Arbeitspsychologie, Entrepreneurship, Kommunikation, Karriereplanung, Nachhaltigkeit und Verbraucherthemen.

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