Pandemie: Die Schwierigkeiten der lateinamerikanischen Volkswirtschaften

2020 war ein schwieriges Jahr, und einige Regionen dieser Erde werden die Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie stärker und länger zum Spüren bekommen als andere.

So wird laut Prognosen des IWF die Wirtschaftsleistung Lateinamerikas bis Ende 2021 4,8% unter jenem Niveau zum Liegen kommen, das vor der Pandemie zu verzeichnen war. Dies sind natürlich betrübliche Aussichten für den südamerikanischen Subkontinent, denn diese Zahlen befinden sich am untersten Ende aller globalen Wirtschaftsstatistiken.

Einige Experten sagen auch voraus, dass Lateinamerika und die angrenzenden Karibikstaaten ihr Bruttoinlandsprodukt aus dem Jahr 2019 möglicherweise erst 2023 erreichen werden.

Diese Vorzeichen deuten darauf hin, dass für diesen Teil der Welt mehrere schwierige Jahre bevorstehen könnten. Wir werden daher in  diesem Artikel einige der Faktoren untersuchen und analysieren, die zu unsicheren Situation beitragen, aber die eventuell auch erforderliche Hilfe bringen könnte.

Die Herausforderungen im Kampf für einen wirksamen Impfstoff

Einer der wenigen aufhellenden Momente des Jahres 2020 war zu jenem Moment gegeben, als Pfizer und BioNTech im Dezember den ersten wirksamen Covid-Impfstoff ankündigten. Es war der erste Vorbote und das erste verheissungsvolle Zeichen für einen Weg zurück zur Normalität, und endlich hatten Millionen von Menschen, die in ständiger Angst vor dem Virus lebten, wieder ein Fünkchen Hoffnung auf einer Besserung der eigenen Lebenssituation.

Jedoch sind die Zulassungen und die Einführung von Impfstoffen in Lateinamerika mit einigen fast unüberwindbaren Hürden verbunden. Erstens bedeutet das Fehlen koordinierter, gemeinsamer nationenübergreifender Bestrebungen, dass die verschiedenen Staaten Lateinamerikas gegeneinander um die Impf-Dosen konkurrieren könnten. Und selbst diejenigen Länder, die der Covax-Initiative (eine Zusammenarbeit der WHO) beigetreten sind, müssen bis März 2021 warten, bis sie die ersten Lieferungen erhalten. Zurzeit ist Chile das einzige Land, das der Lieferung von genügend Impfstoffen zum Schutz der eigenen Gesamtbevölkerung zugestimmt hat.

Zweitens fehlt gegenwärtig vielen lateinamerikanischen Ländern die Infrastruktur, um den sensiblen Impfstoff korrekt und sicher transportieren und lagern zu können. Die Pfizer-Serien müssen bei –70 ° C gelagert werden, was an und für sich schon eine grosse Herausforderung darstellt, aber eine schlecht ausgebaute Infrastruktur wird die Abgabe der Impfdosen noch zusätzlich erschweren.

Und zusätzlich ist in einigen Ländern eine weitverbreitete Anti-Impfstoff-Hysterie en vogue, insbesondere in Brasilien, wo Präsident Bolsonaro seine Skepsis gegenüber den diversen Impfstoffen mehrmals öffentlich zum Ausdruck gebracht hat. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass 22% der Brasilianer sich nur sehr ungern impfen lassen werden.

Abgesehen davon, dass die Gesundheit der Bevölkerung das wichtigste Gut eines Präsidenten sein sollte, braucht es keinen hochdekorierten Wirtschaftsökonomen, um festzustellen, dass die negativen Auswirkungen für die einzelnen Wirtschaftssysteme umso schlimmer sein werden, je länger die einzelnen Nationen ohne flächendeckende Impfung der eigenen Bevölkerung auskommen werden müssen.

Der Kryptoeffekt

Eine Wirtschaftskrise trifft das Fiatgeld oft hart und besonders die lateinamerikanischen Währungen haben bereits mehr als die meisten anderen globalen Währungssysteme gelitten. So fielen beispielsweise der mexikanische Peso und der brasilianische Real in den ersten Wochen der Pandemie um 23 bis 24% gegenüber dem US-Dollar, eine Tatsache, die vor allem auf das mangelnde Vertrauen in den regionalen Handel- und auf generelle Marktunsicherheit zurückzuführen war.

Schwache Inlandswährungen bedeuten aber auch, dass es im Jahr 2021 wahrscheinlich zu einem rapiden Anstieg der Kryptowährung auf dem gesamten Kontinent kommen wird. In vielen lateinamerikanischen Ländern erfreuen sich Bitcoin & Co. bereits breiter Akzeptanz. So bieten die unterschiedlichsten Start-ups Menschen aller Gesellschaftsschichten die Möglichkeit, mit digitalen Währungen zu handeln und von Bitcoin unterstützte Sparkonten zu eröffnen. Viele Unternehmen, wie Online-Shops, Spieleanbieter und sogar Krypto-Casinos, akzeptieren jetzt Zahlungen in Bitcoins, und dieser Trend dürfte sich in den kommenden Jahren noch verstärken.

Das Problem dabei ist jedoch die zyklische Wirkung auf die Fiat-Währungen. Eine starke Präsenz von Kryptogeldern korreliert normalerweise mit einem schwachen Landeswährungssystem, sodass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung unter diesem Dilemma leidet. Die mangelnde Regulierung von Krypto-Währungen verschafft den wenigen Nutzern zwar enorme Vorteile, kann aber auch zu einer verstärkten Schwarzmarktaktivität führen, unter der jede fragile Wirtschaft zusätzlich Schaden nimmt.

In den letzten Monaten konnte jedoch eine generelle Rückkehr zur Währungsstabilität in den der lateinamerikanischen Ländern beobachtet werden, und die einzelnen Regierungen hoffen, dass mit dem ersehnten Ende der Pandemie das Schlimmste vorbei sein wird.

Vertrauen auf ausländische Investitionen

Inländische Konjunkturpakete sind zumeist der Schlüssel, um die Wirtschaft eines Landes in Krisenzeiten wieder in Schwung zu bringen und die zum Teil katastrophalen Auswirkungen auf die breiten Bevölkerungsschichten zu lindern. Einige Länder wie Japan haben zum Beispiel 20% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) dazu verwendet, um die ökonomischen Auswirkungen des Corona-Virus zu mildern, und mehrere europäische Länder haben umfangreiche finanzielle Erleichterungen für die eigene Bevölkerung in Aussicht gestellt.

Die lateinamerikanischen Länder verfügen jedoch nicht über einen solchen Luxus, denn es ist ihnen schlichtweg unmöglich, solche Hilfspakete zu schnüren. Kein Land Lateinamerikas hat auch nur ansatzweise 10% seines BIP für inländische Konjunkturmassnahmen verwenden können, und einige Länder haben sogar Schwierigkeiten damit, auch nur 1% dieses Betrages zu reinvestieren. Ein Mangel an inländischen Wirtschaftsimpulsen bedeutet natürlich eine zunehmende Abhängigkeit von ausländischen Finanzhilfen, was wiederum die Verschuldung einzelner Staaten in schwindelerregende Höhen treibt.

Die grösste Volkswirtschaft des Kontinents, Brasilien, kämpft unter der Last der Verschuldung, die bereits mehr als 90% des eigenen BIP ausmacht. Dies ist der höchste Wert  aller Schwellenländer, mit Ausnahme von  China. Und im Jahr 2022 könnte Präsident Bolsonaro sogar noch in Versuchung geraten, die Ausgaben weiter  zu erhöhen, wenn seine Wiederwahl auf dem Spiel stehen sollte.

Jedoch könnten Hoffnungsschimmer vernommen werden, vor allem, wenn es um eine Verlagerung von Kreditaufnahmen hin zu externen Investitionen geht. Nach der Finanzkrise kurbelte bereits 2008 China eine Reihe von Handels- und Investitionspartnerschaften in der Region an. Die Gelder des bevölkerungsreichsten Landes der Erde trugen dazu bei, die betreffenden regionalen BIPs anzukurbeln. Aber China hielt sich im Gegenzug an den reichlich vorhandenen natürlichen Ressourcen des Kontinents schadlos.

Aber eventuell könnten auch „grüne Gedanken“ die zukünftigen bilateralen Wirtschaftsbeziehungen prägen: Denn chinesische Investitionen fliessen auch bereits in die Sektoren der nachhaltigen Landwirtschaft und des sauberen Verkehrs. So verkehren beispielsweise bereits heute elektronische Autobusse in mehreren lateinamerikanischen Städten, die jedoch in China selbst hergestellt werden. Und der Solarpark Cauchari in Argentinien ist der grösste seines Zeichens am ganzen südamerikanischen Subkontinent.

Bilaterale Vereinbarungen und wirtschaftliche Verflechtungen wie diese sind von entscheidender Bedeutung, wenn Lateinamerika die schlimmsten Auswirkungen der gegenwärtigen Rezessionen abfedern will, und würden eine willkommene Abkehr von der Abhängigkeit von ausländischen Krediten bedeuten. Diese Neuerungen könnten sogar der Katalysator sein, den diese Weltregion braucht, um die grossen wirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen, denen sie sich in den nächsten Jahren stellen werden müssen.

 

Titelbild: Jesse33 – shutterstock.com

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