Das revidierte Aktienrecht

Nach jahrzehntelangen Vorarbeiten hat das Parlament im Juni 2020 die Aktienrechtsrevision beschlossen. Aus der einst in Aussicht gestellten „grossen“ Aktienrechtsreform ist wenig übrig, jedenfalls sind die Kernprinzipien weitgehend erhalten geblieben. Neben der Überführung der Abzocker-Initiative in den Gesetzestext wurden Angleichungen an das seit 2015 geltende neue Rechnungslegungsrecht vorgenommen, die Generalversammlung modernisiert, sodass die Nutzung digitaler Technologien erlaubt ist und generell mehr Flexibilität bei der Organisation möglich ist. Zudem erfuhren die Aktionärs– und Minderheitsrechte eine Stärkung und beim Sanierungsrecht wurde insbesondere die Liquidität neben den bisherigen bilanziellen Bezugsgrössen ins Zentrum gestellt.

Wir möchten hier näher auf die wichtigsten Neuerungen für nicht kotierte Unternehmen eingehen:

Aktienkapital und Dividenden

Der Nennwert einer Aktie kann neu auch weniger als CHF 0.01 betragen, muss aber über Null liegen, zudem kann das Aktienkapital auch in einer ausländischen Währung geführt werden, sofern diese für die Gesellschaft wesentlich ist. Neu ist die Einführung des Kapitalbandes. In den Statuten kann der Verwaltungsrat ermächtigt werden, innerhalb von längstens fünf Jahren das Aktienkapital um 50% zu erhöhen oder herabzusetzen. Die bisherige genehmigte Kapitalerhöhung wird somit obsolet. Das Kapitalherabsetzungsverfahren wurde vereinfacht: Ein Schuldenruf genügt nun und die Frist zur Anmeldung von Ansprüchen wurde auf 30 Tage reduziert. Zudem entfällt die Pflicht zur Sicherstellung, wenn die Gesellschaft nachweist, dass die Forderungen nicht gefährdet sind. Die neue Flexibilität ermöglicht den Gesellschaften schneller auf Marktveränderungen zu reagieren und erleichtert auch bilanzielle Sanierungen.

Die bisher verbotene Zwischendividende (Ausschüttungen aus dem laufenden Jahresgewinn) werden explizit für zulässig erklärt, sofern ein geprüfter Zwischenabschluss vorliegt. Eine Prüfung entfällt, wenn ein Opting-out besteht oder wenn sämtliche Aktionäre der Zwischendividende zustimmen und Forderungen der Gläubiger nicht gefährdet werden.

Aktionärsrechte

Neu haben Aktionäre mit 5% (bisher 10%) des Aktienkapitals oder der Stimmen, sowie Aktionäre mit Aktien im Nennwert von mindestens CHF 1 Mio., das Recht zur Traktandierung eines Verhand-lungsgegenstandes. Aktionäre, die mindestens 10% des Aktienkapitals halten, können zudem auch ausserhalb der Generalversammlung Fragen an den Verwaltungsrat stellen, der sie innert vier Monaten beantworten muss. Aktionäre mit mehr als 5% des Kapitals oder der Stimmen können jederzeit Einsicht in die Geschäftsbücher und Korrespondenzen nehmen (schutzwürdige Interessen der Gesellschaft bleiben vorbehalten).

Generalversammlung

Die Generalversammlung wird modernisiert und erlaubt die Nutzung digitaler Technologien, so sind die Teilnahme und die Stimmabgabe schriftlich wie auch elektronisch möglich. Dies ermöglicht die Abhaltung einer rein virtuellen Generalversammlung ohne Tagungsort, aber auch eine Versammlung mit mehreren Tagungsorten, sofern die Voten an sämtlichen Tagungsorten unmittelbar in Ton und Bild übertragen werden. Auch können physische Generalversammlungen im Ausland durchgeführt werden, wenn die Ausübung der Aktionärsrechte dadurch nicht erschwert wird. Sofern sämtliche Aktionäre vertreten sind, können Beschlüsse schriftlich oder elektronisch auf dem Zirkularweg gefasst werden, wenn kein Aktionär die mündliche Beratung verlangt. Um diese Möglichkeiten zu nutzen, müssen diese ausdrücklich in den Statuten vorgesehen sein.

Sanierungsrecht

Das neue Recht erweitert die Pflichten des Verwaltungsrates im Falle von finanziellen Schwierigkeiten. Der Verwaltungsrat hat nun ausdrückliche Pflichten bei drohender Zahlungsunfähigkeit, nebst den bisher schon vorhandenen Pflichten bei Kapitalverlust und Überschuldung. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die Gesellschaft weder über Mittel zur Erfüllung fälliger Verbindlichkeiten noch über den erforderlichen Kredit verfügt. Eine begründete Besorgnis ist gegeben, wenn sich die Hinweise darauf verdichten, dass die Zahlungsverpflichtungen in den nächsten sechs Monaten (bei der ordentlichen Revision unterstellten Gesellschaften zwölf Monate) nicht erfüllt werden können. Der Verwaltungsrat muss dann mit gebotener Eile Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit ergreifen und soweit erforderlich, weitere Sanierungsmassnahmen ergreifen, respektive der Generalversammlung beantragen, sowie nötigenfalls ein Nachlassstundungsgesuch einreichen. Die Einberufung einer Sanierungsgeneralversammlung wie nach geltendem Recht wird nicht mehr zwingend verlangt, dafür müssen Gesellschaften ohne Revisionsstelle die letzte Jahresrechnung respektive den Zwischenabschluss prüfen lassen.

Für den Fall einer Überschuldung wird klargestellt, dass der Verwaltungsrat die Bilanz nicht deponieren muss, wenn begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innert angemessener Frist, spätestens aber 90 Tage nach Vorliegen der geprüften Abschlüsse, behoben werden kann. Gläubigerforderungen sollten nicht zusätzlich gefährdet werden.

Varia

Neu sind die Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder verpflichtet, den Verwaltungsrat unverzüglich und vollständig über sie betreffende Interessenkonflikte zu informieren. Des Weiteren kann die Revisionsstelle inskünftig nur noch aus wichtigen Gründen abberufen werden, die Gründe sind im Anhang zur Jahresrechnung offenzulegen. Im Gegensatz zur jetzigen Praxis werden Rang-rücktrittsforderungen bei der Schadensbemessung für die Verantwortlichkeitshaftung nicht berücksichtigt. Ausserdem wird die Verjährung bei der Verantwortlichkeitshaftung von fünf auf drei Jahre reduziert.

Obwohl einige sinnvolle Vorschläge nicht übernommen wurden, bringt das neue Gesetz zahlreiche Erleichterungen und mehr Flexibilität in verschiedenen Bereichen mit sich. Es trägt massgeblich zur Modernisierung des Schweizer Aktienrechts bei und klärt mehrere bisher umstrittene Punkte.

Die Aktienrechtsrevision tritt zusammen mit der geänderten Handelsregisterverordnung per 1.1.2023 in Kraft. Die Zeit sollte daher genutzt werden, um abzuklären, ob die Statuten und Reglemente den neuen Vorschriften entsprechen und in welchem Umfang von den neuen Bestimmungen Gebrauch gemacht werden soll. Nach Inkrafttreten der Revision werden die Gesellschaften zwei Jahre Zeit haben, um ihre Statuten gegebenenfalls anzupassen. Zu beachten ist auch, dass nach Ablauf der zwei Jahre die Vorschriften des neuen Rechts Anwendung auf alle Verträge finden.

Wir können Sie einerseits über unsere Tochtergesellschaft BM Swiss Audit AG als Revisionsstelle sachkundig begleiten, andererseits können wir Sie bei der Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle und der Überwachung der Zahlungsfähigkeit unterstützen. Zudem helfen wir Ihnen gerne bei organisatorischen und formellen Fragen.

 

Quelle: artax Fide Consult
Artikelbild: Symbolbild © Bigc Studio – shutterstock.com

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