Angestellte Schweiz: Verband fordert bis zu 1,9 Prozent mehr Lohn

Die Produktivitätsgewinne müssen den Beschäftigten endlich weitergegeben werden. Das ist der Kern der Forderungen der Angestellten Schweiz für die nächste Lohnrunde.

Trotz gewisser Alarmzeichen (Handelskonflikt China-USA und Einbrüche bei der Autoindustrie) boomt die Schweizer Wirtschaft.

Mit einem Exportplus von 2,4 % im zweiten Quartal glänzte vor allem die Chemie- und die Pharmabranche, wie die kürzlich publizierten Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung zeigen. Diesen Trend bestätigen auch die makroökonomischen Daten von BAK Economics, die der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) sowie der Chemie/Pharma-Branche ein stabiles Wachstum prognostizieren, das deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft liegt.

In den letzten Jahren konnten diese Branchen ihre Produktivität massiv steigern, nicht zuletzt durch Restrukturierungen und zu Lasten der Beschäftigten. Entsprechend schwach entwickelten sich die Löhne der Angestellten. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, als die Schweiz 2018 wieder eine Teuerung von 0,9 % verzeichnete. Für 2019 rechnen die Prognosen mit einer Jahresteuerung von 0,6 %. „Es ist deshalb der richtige Zeitpunkt“, sagt Stefan Studer, Geschäftsführer der Angestellten Schweiz, „bei den Löhnen nachzuziehen und sich nicht immer vertrösten zu lassen.“ Deshalb fordert der Verband bis zu 1,9 % mehr Lohn.

MEM-Industrie

Die MEM-Industrie konnte die reale Bruttowertschöpfung gemäss BAK Economics im letzten Jahr um 5,6 % steigern; 2019 sollen es immerhin noch 2,5 % werden, 2020 und 2021 über 3,0 %. Wie sich die Arbeitsproduktivität im Vergleich zum Nominallohn in den Subbranchen über bestimmte Zeiträume entwickelt hat und im nächsten Jahr entwickeln soll, ist aus Tabelle 3-1 im Dokument „Lage und Prognosen MEM-Industrie – BAK Economics Juli 2019“ ersichtlich.

Die Angestellten Schweiz anerkennen, dass die einzelnen Branchen der MEM-Industrie unterschiedlich aufgestellt sind und sich unterschiedlich entwickelt haben. Für die Datenverarbeitungsgeräte und Uhren sowie den Maschinenbau ist die Situation sehr günstig. Für die Metallindustrie ist sie positiv, für die Elektrischen Ausrüstungen nur verhalten positiv. Die Angestellten Schweiz fordern eine Lohnerhöhung von 1,1 % bis 1,9 %. Noch mehr sollen die Löhne in Betrieben steigen, die voll vom Aufschwung profitiert haben, aber den Produktivitätsgewinn bisher kaum an die Angestellten weitergegeben haben.

Chemie/Pharma

Die Branche Chemie/Pharma ist weiterhin auf sehr solidem Wachstumskurs. Die reale Bruttowertschöpfung stieg 2018 um 7,4 %. Für dieses Jahr prognostiziert BAK Economics immer noch sehr hohe 6,6 % und für die zwei Folgejahre 4,2 % respektive 4,3 %. Ebenso solide sehen die Zahlen für die Arbeitsproduktivität aus, wie die Tabelle 3-1 im Dokument „Lage und Prognosen Chemie- und Pharmabranche – BAK Economics Juli 2019“ zeigt.

Der chemisch-pharmazeutischen Industrie läuft es seit Jahren viel besser als der Gesamtwirtschaft, und auch die Aussichten sind besser. Die Gesamtwirtschaft (BIP) wuchs 2018 real „nur“ um 2,6 %, für dieses Jahr sind 1,2% prognostiziert. Die Pharmaindustrie verzeichnete im letzten Quartal 2018 ein Exportwachstum von knapp 13%, und das Wachstumstempo blieb im ersten Quartal 2019 mit 9% hoch. Die chemische Industrie profitiert von der starken Wachstumsdynamik der Pharmabranche mit. Die Angestellten Schweiz fordern sowohl für die chemische wie auch für die pharmazeutische Industrie Lohnerhöhungen von 1,9%.

Die Industrie braucht das Institutionelle Abkommen mit der EU

BAK Economics weist auf diverse politische Unsicherheiten hin, welche das Weltwirtschaftswachstum hemmen. Den Handelskonflikt zwischen den USA und China, den Brexit sowie den Atomkonflikt mit dem Iran kann die Schweiz nicht beeinflussen. Die Schweiz hat aber eine Grossbaustelle mit der EU offen: das Institutionelle Abkommen (InstA). Für die stark exportorientierte Industrie ist eine rasche Unterzeichnung dieses Abkommens unabdingbar. Sie ist auf gesicherte und stabile Beziehungen zum mit Abstand wichtigsten Handelspartner angewiesen. Ein längerdauernder Konflikt mit der EU könnte den Export empfindlich schwächen.

„Anstatt sich um jeden Preis China (Freihandelsabkommen) oder auch Saudi-Arabien (Rüstungsexporte!) an den Hals zu werfen, sollte der Bundesrat alles daran setzen, das Verhältnis zur EU zu klären“, betont Stefan Studer, Geschäftsführer der Angestellten Schweiz. Die Schweizer Politik ist aufgerufen, das Abkommen rasch unter Dach und Fach zu bringen.

Die Frauen müssen endlich gleiche Löhne verdienen

Deutlicher hätte es der Frauenstreik nicht zeigen können: Die Frauen fordern Lohngleichheit – jetzt. Die Arbeitgeber tun gut daran, dieses Anliegen endlich zügig umzusetzen. Dies nicht nur, weil dies den Frauen selbstverständlich gebührt – es liegt auch im Eigeninteresse der Arbeitgeber. Denn gerade bei den Frauen ist das Arbeitskräftepotenzial gross. In Zeiten des akuten Fachkräftemangels, der sich gemäss einer aktuellen UBS-Studie noch akzentuieren wird (dem Arbeitsmarkt sollen bald 500 000 Arbeitskräfte fehlen), werden die Arbeitgeber noch stärker darauf angewiesen sein, Frauen zu gewinnen.

Generationengerechte Altersvorsorge

Trotz der Zustimmung der Stimmbürger zur Steuer- und AHV-Vorlage bleibt der Reformbedarf bei der Altersvorsorge dringend. Die Angestellten Schweiz fordern zusammen mit den anderen Verbänden der „plattform“ eine Altersvorsorge, die allen Generationen gerecht wird und bei der nicht eine Generation eine andere querfinanzieren muss. Bei der Reform der Altersvorsorge darf es keine Tabus geben, alle Möglichkeiten sind ernsthaft zu prüfen und auszudiskutieren. Insbesondere muss eine Flexibilisierung des Rentenalters ins Auge gefasst werden, wie sie die Angestellten Schweiz schon seit langer Zeit fordern.

Titelbild: Stefan Studer, Geschäftsführer der Angestellten Schweiz

 

Quelle: Angestellte Schweiz
Bildquelle: Angestellte Schweiz

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