Warum Internetrecherchen zum Gift für Ihren Karrierewechsel werden können
VON Caroline Brunner Allgemein Studien Web
Die Lösung scheint naheliegend: Internetrecherche! Wo sonst lässt sich so viel über potenzielle neue Jobs und Projekte, Arbeitgeber und Unternehmen erfahren wie im Netz? Die Antwort lautet sicherlich: in dieser gebündelten, schnell zugänglichen, einfach aufbereiteten Form nirgendwo. Doch die Stunden, die Sie mit dem Surfen auf den für Sie relevanten Seiten verbringen, bergen auch gravierende Minuspunkte, die ob der Faszination der verfügbaren Information leicht übersehen werden. Wir werfen einen Blick auf die Fallstricke, die das Googeln des neuen Karriereweges mit sich bringt.
Dabei wird natürlich keineswegs in Abrede gestellt, dass das Web die Welt der Arbeitssuche und Bewerbungen revolutioniert hat. Auch digitales Recruiting ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit geworden. Der Online-Erfahrungsaustausch über potenzielle Arbeitgeber ist ungemein wertvoll und auch als Inspirationsquelle sind Blogs und Foren zu spezifischen Branchen unersetzlich. Gleichzeitig kann die Annäherung an einen Karrierewechsel über Internetrecherchen eben diese Zielsetzung aber auch subtil unterminieren – und zwar aus den folgenden Gründen.
1. Job-Portale fressen wertvolle Zeit
Inzwischen ist die Zahl der Jobportale fast unübersichtlich geworden. Allein um sich über die Ihren Erwartungen entsprechenden Stellenangebote auf den grössten Plattformen einen ungefähren Überblick zu verschaffen, brauchen Sie oft mehrere Stunden wöchentlich. Tatsache ist aber: Experten gehen davon aus, dass mehr als 50 % aller tatsächlich existierenden Jobs niemals online ausgeschrieben werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig; für Sie ist nur wichtig, dass Sie wertvolle Zeit verschwenden, die Sie viel sinnvoller in beeindruckende Initiativbewerbungen bei Ihren persönlichen Wunschunternehmen investieren könnten.
Erfahrungsgemäss erhöhen Sie damit Ihre Chancen um einiges, bei ebenso viel investierter Zeit deutlich mehr zu erreichen. Selbst bei einer Absage bedeutet der hergestellte Kontakt doch, dass Sie dem verantwortlichen Personaler als motiviert und selbstbewusst auffallen – ganz anders hingegen, wenn Sie nur eine Nummer im Pool der Dutzenden sind, die sich auf eine Online-Jobanzeige bewerben und dann schlimmstenfalls im automatisierten Vorentscheid aussortiert werden.
2. Googeln beruhigt, ist aber an sich nicht produktiv
Stundenlange Unternehmensrecherche und das Lesen sachbezogener Artikel ohne präzise definiertes Wissensziel hinterlassen ein überzeugendes, aber leider völlig illusionäres Gefühl der Zufriedenheit, „etwas für die eigene Karriere getan zu haben“. Tatsächlich schlucken diese Tätigkeiten enorm viel Zeit und mentale Ressourcen, führen aber selten zu greifbaren Ergebnissen.
Damit soll einer lateralen, diversifizierten Faktenaufnahme keinesfalls der grundsätzliche Sinn abgesprochen werden. Empirische Tatsache ist aber, dass es oft bei dieser Art des generellen Informierens bleibt, weil damit aus der Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Arbeitssituation der erste Druck herausgenommen ist. Psychologen nennen diese Art der Selbstberuhigung passiv-aktiv: Zwar ist eine Aktion erfolgt, doch sie bleibt ohne Konsequenzen. Denn wenn Sie zwei Schritte von Ihrem PC zurücktreten und mit der Recherche aufhören, hat sich an Ihrer Situation noch nichts geändert – solange Sie das neu erworbene Wissen nicht in konstruktive Handlungsschritte überführen. Lassen Sie sich also nicht von dem guten Gefühl des „So, jetzt habe ich mich eingängig über die Alternativen zu meinem Status quo informiert … das ist doch schon mal was“ einlullen. Schreiben Sie stattdessen unmittelbar nach Ihrer Google-Odyssee eine To-do-Liste, die die verarbeiteten Daten praktisch nutzt.
3. Social Media ersetzen nicht das wirkliche Leben
Auch wenn Ihr jetziger Arbeitsplatz Sie nicht mehr befriedigt – meist stellt er dennoch eine Komfortzone dar, die zu verlassen schwerfällt. Da kommen die virtuellen Netzwerk-Optionen der sozialen Medien genau richtig. XING, Linked-In und Facebook-Gruppen bieten tatsächlich eine Vielzahl an fruchtbaren Möglichkeiten, interessante Business-Kontakte zu knüpfen. Wer aber glaubt, dass dies die in der analogen Welt stattfindenden Networking-Events adäquat ersetzen könnte, täuscht sich – das haben zahlreiche Studien ergeben.
Wer seiner Karriere einen entscheidenden Kick geben möchte, muss online und offline erfolgreich kommunizieren. Auch wenn Sie aufgrund fehlender Praxis ungeübt im echten Dialog mit für Sie wichtigen Entscheidungsträgern und Multiplikatoren sind: Erliegen Sie nicht der Versuchung, nur noch digital zu networken.
4. Motivationsblogs sind Sprungbretter – ersetzen aber nicht die Selbstreflexion
Die wirkliche, authentische Antwort auf die Frage „Was will ich wirklich?“ werden Sie nicht auf den Online-Plattformen erfolgreicher Entrepreneure und beliebter Business-Coaches finden. Sie liegt nun mal, und daran ist kein Vorbeikommen, nur in Ihnen selbst. Inspirierende Podcasts und eBooks können Ihnen dabei helfen, Ihre Vorstellungen präziser zu formulieren und den potenziellen Erfahrungs- und Optionen-Horizont zu weiten. Schlussendlich aber kommen Sie um einen intensiven, manchmal schmerzhaften, ehrlichen Selbstbefragungsprozess nicht herum. Lassen Sie sich von dieser essenziellen Aufgabe nicht durch Online-Motivationslektüre ablenken.
Oberstes Bild: Der erste Schritt zur neuen Karriere findet oft im Internet statt. (© bleakstar / Shutterstock.com)