Roche Deutschland: Change-Training für das Management

Das Schweizer Pharmaunternehmen Hofmann-La Roche gehört zu den globalen Playern in der Branche. Permanente Change-Prozesse sowie ihre Begleitung durch engagierte und kompetente Führungskräfte spielen in einer solchen Struktur naturgemäss eine besonders grosse Rolle. Roche Deutschland hat sich vor zwei Jahren ein ambitioniertes Programm verordnet: Die deutsche Dependance des Konzerns wollte ihre rund 1600 Führungskräfte darauf einschwören, grundlegende Veränderungen der Unternehmenskultur in Gang zu setzen. In einem Artikel auf dem Portal „humanresourcesmanager.de“ zog der Journalist Christopher Klausnitzer jetzt ein Zwischenfazit.

Der Ausgangspunkt der intendierten Change-Prozesse bestand im Gedanken, dass moderne Unternehmen das Thema „gute Führung“ nicht ignorieren können, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. Mitarbeiter wollen heute mehr sein als ausführende Organe und Befehlsempfänger. Vom Management ihrer Unternehmen erwarten sie durchdachte, nachvollziehbare Entscheidungen ebenso wie transparente Kommunikation. Unternehmen, die sich diesen Anforderungen ernsthaft und nicht nur mit Schlagworten und Statements stellen wollen, sehen sich in der Praxis jedoch mit recht komplexen Fragen konfrontiert, für die Lösungen gefunden werden müssen.

Das Ziel: ein konzernweiter Massnahmenkatalog für Personalarbeit und Mitarbeiterführung

Im Fall von Roche ging es darum, einen konzernweiten Massnahmenkatalog zu entwickeln, der für Personalarbeit und Mitarbeiterführung zu einer verbindlichen Agenda werden kann. Das Projekt „In Führung gehen“ wurde 2012 an den beiden deutschen Standorten Mannheim und Penzberg auf den Weg gebracht – unter Begleitung der österreichischen Beratungsgruppe Neuwaldegg und mit dem Ziel, die Führungskultur des Konzerns zeitgemäss zu verändern.

Der Anlass: Identitätsprobleme, globale Kritik und unzufriedene Mitarbeiter

Für diese Entscheidung gab es mehrere Impulse. Zwei davon bestanden in interner Kritik an der deutschen Unit sowie latenten Identitätsproblemen. Bei einem Weltkonzern wie Hoffmann-La Roche geht es nicht um die Konkurrenz mit anderen Unternehmen, sondern auch um einen zuweilen scharfen internen Wettbewerb, beispielsweise zu den Hoffmann-La Roche-Dependancen in den USA. Daraus folgt die Notwendigkeit, die Identität des eigenen Standorts zu entwickeln und auch die eigene Leistung innerhalb des Gesamtkonzerns herauszustellen.

Bei einer internen Stakeholder-Befragung im Jahr 2012 hatte das globale Senior-Management von Hoffmann-La Roche die Performance des Managements in Deutschland als nicht wirklich optimal bewertet. Zwar seien die Führungskräfte in Mannheim und Penzberg hochengagiert und zuverlässig, jedoch auch vergleichsweise unflexibel. Zudem sollten sie lernen, auf Change-Prozesse nicht nur „fachlich-wissenschaftlich“, sondern auch im Hinblick auf deren menschliche Seite zu reagieren. Auch die eigenen Mitarbeiter stellten Roche Deutschland keine perfekten Noten aus. Die in 18-Monats-Intervallen durchgeführte Global Employee Opinion Survey förderte zutage, dass sich die Beschäftigten von ihren Chefs eine bessere Kommunikation sowie bessere Führungskompetenzen wünschten.

13 Gruppenworkshops mit bisher 1200 Führungskräften

Roche Deutschland zog daraus die Konsequenz, in die erforderlichen Veränderungsprozesse alle 1600 Führungskräfte einzubeziehen. Das Projekt begann mit einem sehr ausführlich konzipierten Selbstverständigungsprozess über die Führungskultur im Unternehmen und wünschenswerte Änderungen. Diese Phase, in der es primär um die „Formen des Miteinanders“ und alltäglich gelebte Führungsstile ging, wurde jetzt abgeschlossen. Strukturelle und prozessuale Veränderungen sollen in späteren Etappen folgen. Einen fixen Zeitplan und festgelegte Ziele hat sich das Unternehmen dafür nicht verordnet.

Federführend für die Umsetzung des Projekts war und ist ein Steuerungskomitee, dem neben mehreren Mitgliedern der Unternehmensleitung auch der Betriebsrat, einige Personaler sowie Vertreter der Kommunikationsabteilung angehören. Auch die Entscheidungskompetenz für künftige Veränderungen liegt bei dieser Arbeitsgruppe. Kernstück und bisheriges Highlight des Projekts waren 13 Gruppenworkshops, an denen insgesamt 1200 Führungskräfte teilgenommen haben – in einer Diskussion auf Augenhöhe, ausserhalb der formalen Hierarchien und mit dem Fokus auf Dialog und Reflexion.


Neue Perspektiven in der Personalarbeit. (Bild: luchschen / Shutterstock.com)
Neue Perspektiven in der Personalarbeit. (Bild: luchschen / Shutterstock.com)


Neue Perspektiven in der Personalarbeit

Ausserdem wurden verschiedene Trainings durchgeführt, um die Manager zu Themen wie Feedback-Kommunikation und Mitarbeitergesprächen zu schulen. Die Personalarbeit hat sich durch diesen Prozess bereits massgeblich verändert. Das Recruiting neuer Mitarbeiter, Ausbildungsprogramme und Assessment-Center orientieren sich bereits an der neuen Führungskultur des Unternehmens. Ein neues 360-Grad-Feedback-Tool sorgt bei Personalarbeit und Personalentwicklung für grössere Transparenz. Das Recognition-Tool „Applause“ spendet Anerkennung für gute Führung.

Mittelfristig sollen die Manager von Roche Deutschland auch im Hinblick auf ihre Führungsqualitäten bewertet werden – bei mangelnden Führungsfähigkeiten drohen künftig Konsequenzen.

Kulturwechsel brauchen Überzeugungsarbeit durch das Senior-Management

Trotzdem ist die Initiative „In Führung gehen“ kein reines HR-Projekt. Neuwaldegg-Berater Frank Boos betont, dass die Arbeit an der eigenen Kultur nur dann erfolgreich sei, wenn sie durch das Senior-Management in Gang gesetzt und sinnstiftend begleitet werde. Change-Prozesse, die ausschliesslich in der Verantwortung der Personalabteilung lägen, erwiesen sich dagegen sehr oft von Anfang an als „fusslahm“. Bei Roche Deutschland war die Unternehmensleitung von Anfang an im Boot – und zusammen mit Personalern und Beratern durchaus erstaunt, welche Überzeugungsarbeit sie bei einem Teil der Mittelmanager leisten musste, um einen Orientierungswechsel zu erreichen.

Augenfällig ist, dass immerhin ein Viertel der Führungskräfte an den angebotenen Veranstaltungen nicht teilgenommen hat. Boos vermutet, dass der hohe Anteil an Wissenschaftlern und Experten hier eine Rolle spielt, dies allerdings auch eine zentrale Herausforderung des gesamten Change-Prozesses ist. Roche-Arbeitsdirektor Edgar Vieth merkte dazu an, dass Führung letztlich keine Frage von Expertenwissen, sondern des „Umgangs mit Menschen und Veränderungen“ sei.

An zwei kritischen Situationen wäre die Initiative in den vergangenen zwei Jahren übrigens fast gescheitert. Nachdem das Roche-Hauptquartier in Basel im Frühjahr 2013 eine weltweite Restrukturierung eingeleitet hatte, war fraglich, ob die Arbeit an einer Veränderung der Führungskultur in Deutschland überhaupt noch Sinn ergibt. Eine vergleichbare Frage stellte sich, als im November 2013 Ursula Redeker die Geschäftsführung von Roche Deutschland übernahm. Inzwischen betrachten alle beteiligten Entscheider das Projekt als „wichtiger denn je“, plädieren jedoch für eine Strategie des „langen Atems“, um einen nachhaltigen kulturellen Wandel zu erreichen.

 

Oberstes Bild: © lucarista – Shutterstock.com

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