Einzelkämpfer – auf verlorenem Posten?
VON Olaf Hoffmann Organisation Selbstmanagement
Allein unter Menschen
Auch wenn der Begriff des Einzelkämpfertums irgendwie nach Abgeschiedenheit, Einsamkeit und nicht selten auch nach Eigenbrötlerei klingt, die Einzelkämpfer bewegen sich doch inmitten ihrer jeweiligen Gesellschaft. Und so sind sie auch allgemeinen Entwicklungen unterworfen, die nicht selten entscheidend auf ihr Wirken Einfluss nehmen. Was wäre Kolumbus als Entdecker des neuen Kontinents gewesen ohne den spanischen Hof, ohne den Schiffbau seiner Zeit und ohne die Seeleute, die ihn auf seiner Reise begleiteten?
Was wäre Gagarin als erster Mensch im Weltall ohne die sowjetischen Raketenbauer und Spezialisten, ohne die politische Auseinandersetzung der USA mit der damaligen UdSSR gewesen? Und was wäre Galileo Galilei ohne die Auseinandersetzung mit der damals allmächtigen Kirche gewesen? Keiner hätte von seinen neuen Ansichten zur Welt Kenntnis genommen, niemand hätte sich daran gestört und letztlich wären die Entdeckungen von einem anderen gemacht worden.
Jeder Einzelkämpfer lebt in seiner Zeit und in einem gesellschaftlichen Umfeld, das massgeblichen Einfluss auf sein Tun nimmt. Dabei sind die Einzelkämpfer selten wunderliche Wesen, sondern oftmals nur ihrer Zeit ein Stück voraus. Oder sie beschäftigen sich in einem Metier, das nur allein zu bewerkstelligen ist.
Einzelkämpfer haben es doppelt schwer
Mit einer grossen Portion Mut, ausgestattet mit oftmals umfangreichen Fähigkeiten und Fertigkeiten und immer zu hohen Leistungen bereit, haben es die Einzelkämpfer immer doppelt schwer.
Alle Entscheidungen müssen selbst getroffen werden, alle Auswirkungen dieser Entscheidungen sind selbst zu verantworten. Neben ihrer speziellen Beschäftigung müssen sich die Einzelkämpfer aber auch mit der Gesellschaft arrangieren. Auch Einzelunternehmer müssen sich am Markt etablieren, dort ein hohes Durchsetzungsvermögen zeigen und letztlich auch Steuern und Abgaben leisten. Sie sind eingebettet in ein gesellschaftliches System, das zum einen Voraussetzung und zum anderen Grund ihrer Stellung als Einzelkämpfer ist.
Die besondere Individualität der Einzelkämpfer entspringt nicht ihrer Unfähigkeit, mit anderen zu kommunizieren. Eher sind es die speziellen Umstände ihrer Arbeit, die ein Zusammenarbeiten mit anderen Menschen entweder nicht vorsehen oder gar nicht ermöglichen. Daraus resultiert letztlich auch ihre scheinbar einsame Stellung im produktiven System.
Allein gegen den Rest
Das ist vielleicht ein wenig drastisch ausgedrückt, schildert aber gut, womit sich Einzelkämpfer in erster Linie auseinanderzusetzen haben. Sie müssen allein eine Leistung erbringen, die ihren Fortbestand in der meist selbst gewählten Position des Einzelkämpfers sichert. Vergleichbar ist das mit einem Leistungssportler, der seine Leistung ganz allein, quasi ohne direkte Gegner erbringen muss. Wie gut er dabei ist, zeigt sich meist erst im späteren, nie aber im direkten Vergleich.
Das macht es für die Einzelkämpfer oftmals auch so schwierig, ihre Leistungen konkret und marktgerecht einzuschätzen. Das Fehlen greifbarer Vergleichsmöglichkeiten erschwert die Auseinandersetzung mit der eigenen Leistung und führt nicht selten zu verfehlten Wahrnehmungen. Hier kann nur der immer wieder angestrebte Vergleich mit ähnlich beschäftigten Einzelkämpfern Licht ins sprichwörtliche Dunkel bringen.
Stehen Einzelkämpfer auf verlorenem Posten?
In einer Gesellschaft, in der Kollektivarbeit und ein gemeinschaftlicher Fortschritt die Norm bestimmen, könnte man glauben, dass Einzelkämpfer von Natur aus auf verlorenem Posten stünden. Entgegen allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen erbringen sie ihre Leistungen oftmals ganz auf sich gestellt. Nicht selten grenzen sie sich dabei bewusst von der kollektiven Arbeit ab und wirken für Aussenstehende wie ungewollte Einsiedler.
Dass erfolgreiche Einzelkämpfer dabei längst nicht auf verlorenem Posten stehen, zeigt auch die Entwicklung hin zu mehr Einzelunternehmen, wo Menschen selbstständig und ohne das direkte Zutun anderer gesellschaftlich anerkannte und wertvolle Leistungen erbringen. Dazu zählen beispielsweise auch Mediziner in hausärztlichen Praxen, Forscher und Entwickler, aber auch Schriftsteller oder andere Künstler.
Die Einzelkämpfer zeichnen sich aus durch ein hohes Mass an Leistungsbereitschaft und oft auch durch ein Schöpfertum, das sich so manches Grossunternehmen wünscht. Und dennoch laufen Einzelkämpfer immer auch Gefahr, in ihrem Unternehmen zu scheitern. Das liegt meist daran, dass das Mass der Eigenreflexion nicht ausreichend ausgeprägt ist und eine Fremdreflexion meist fehlt.
Empfehlung für den Alleinkämpfer
Wer sich als Einzelunternehmer oder anderweitig tagtäglich als Einzelkämpfer beweisen muss, braucht dennoch stabile soziale Kontakte. Er braucht sie umso mehr, als sie seine meist einzige Rückversicherung im gesellschaftlichen Umfeld sind. Neben einer fest gefügten Familie empfiehlt es sich für Einzelkämpfer, vor allem Kontakte mit anderen Alleinschaffenden zu knüpfen.
Hier lässt sich ein Austausch auf gleicher Ebene herstellen, der die Probleme des Einzelnen relativiert und neue Einsichten bietet. Damit gewinnt der Einzelkämpfer die Sicherheit, dass er nicht der Einzige seiner Art ist und jederzeit auf ungezwungene Kontakte zurückgreifen kann. Richtige Probleme bekommen ausgewiesene Einzelkämpfer meist erst dann, wenn sie sich in einer späteren Entwicklung in unterschiedlich grossen Arbeitsgruppen etablieren müssen. Dann nämlich sind sie nicht mehr die alleinigen Entscheider über das, was sie tun oder lassen.
Oberstes Bild: © Santhosh Kumar – Shutterstock.com
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