Leiden jetzt alle an Burn-out?

Um das Thema Burn-out entspannt sich eine Diskussion ohne Ende. Auch hier tauchen immer wieder Beiträge auf, die sich mit dem modernen, aber doch recht leidlichen Thema befassen. Warum ist gerade jetzt die Burn-out-Debatte so interessant und was ist wirklich dran am Burn-out-Syndrom?

Kritisch werfe ich hier einen Blick auf das „Ausgebranntsein“, das in der Diskussion längst nicht nur Führungskräfte und Top-Manager, sondern auch Prominente und den „kleinen Mann auf der Strasse“ erreicht. Dabei wird eine Trennung von Tatsachen und Verdacht nicht ganz zu vermeiden sein.

Modekrankheit Burn-out

Landauf, landab redet jeder von Burn-out. Die einen, weil sie sich selbst betroffen wähnen, die anderen, weil sie hinter dem Burn-out-Syndrom Drückeberger und wenig belastbare Zeitgenossen vermuten. Dazwischen bewegt sich eine grosse Masse anscheinend Unbeteiligter, die der gesamten Debatte nicht wirklich etwas abgewinnen können.

Mit dem Wachsen der Ansprüche an die Menschen durch erhöhten Leistungsdruck in der Gesellschaft hat sich auch die Begrifflichkeit des Burn-out entwickelt. Dabei hat sich die Auseinandersetzung mit dem Überlastungs-Syndrom eigentlich erst in den letzten fünf Jahren so richtig aufgebaut. Was war aber vorher mit den Menschen, die unter dauerhaftem Leistungs- oder Leidensdruck standen?

Offensichtlich wird die Diagnose Burn-out heute immer dann eingesetzt oder vorgeschoben, wenn Menschen am Ende ihrer Belastbarkeit sind oder sich den Anforderungen des Alltags nicht mehr gewachsen fühlen. Zu unterscheiden ist hier zwischen einer objektiven Wahrnehmung der Erscheinung und dem subjektiven Empfinden der Leere.

Nicht jede Überforderung ist ein Burn-out

Schnell redet man heute von Burn-out, sobald sich Personen in ausgewählten Situationen überfordert oder hilflos fühlen. Demnach müsste jeder Schüler, der den stofflichen Anforderungen in seiner Klassenstufe nicht mehr gewachsen ist, unter Burn-out leiden. Auch ein Nervenzusammenbruch, der auf konkreten Umständen beruht, ist längst noch kein Burn-out.

Ein Burn-out liegt streng genommen erst dann vor, wenn einzelne Menschen langfristig, das heisst über mindestens drei Wochen hinaus, physisch und psychisch nicht mehr in der Lage sind, den Anforderungen des täglichen Lebens und den zu erwartenden Anforderungen im Arbeitsleben zumindest teilweise gerecht zu werden. Die Betonung liegt hier immer auf mindestens zwei Anteilen in der Ausprägung der Störung. Bewusst halte ich mich hier von der Begrifflichkeit der Krankheit fern.

Solange sich die Überforderungssituation nur auf einen Teilbereich des Lebens bezieht, kann lange noch nicht von Burn-out gesprochen werden. Dann handelt es sich lediglich um eine einfache Überforderung, die schnell durch geeignete Massnahmen beendet werden kann. Nicht selten wird nämlich auch dann von Burn-out gesprochen, wenn Menschen beispielsweise an ihrem Arbeitsplatz mit den Anforderungen nicht zurechtkommen. Das kann aber durchaus auch daran liegen, dass sie nicht entsprechend ausgebildet und wenig motiviert sind oder ihre Leistungskraft deutlich überschätzen.

Wie sieht ein wirklicher Burn-out aus?

Das Burn-out-Syndrom ist eine Störung der Belastbarkeit, die einhergeht mit seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen, welche nicht auf organische Ursachen oder psychische Krankheiten zurückzuführen sind. Die Begrifflichkeit des Syndroms umfasst dabei eine ganze Reihe einzelner Störungen, die sich hier zu einem Gesamtbild zusammenführen lassen.

Dazu gehören Einschlaf- und Durchschlafstörungen bis hin zur chronischen Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Hitzewallungen, organisch nicht erklärbares Zittern, allgemeines Schwächegefühl, Konzentrationsstörungen, zunehmende Vergesslichkeit sowie ein körperliches und seelisches Gefühl der Leere bis hin zur scheinbar ausweglosen Verzweiflung. Erst wenn diese Erscheinungen in einer Bündelung und ohne organische Ursachen über längere Zeit hinweg auftreten, könnte wirklich von einem Burn-out gesprochen werden. Alles andere sind zeitweise auftretende Erscheinungen der Überforderung, die sich durch einfache Massnahmen beenden lassen.

Wer also für einen überschaubaren Zeitraum beispielsweise über eine Überforderung im Berufsleben klagt, hat längst noch kein Burn-out-Syndrom. Und auch wer sich im Privatleben, etwa in der Regelung seiner finanziellen Situation, überfordert sieht, kann nicht hingehen und sich mit Burn-out rechtfertigen. Allerdings scheint die öffentliche Diskussion in genau diese Richtung zu gehen. Und davor muss ausdrücklich gewarnt werden.


Das Gleiche trifft übrigens auch für den „Nachfolger“ von Burn-out, nämlich für das Bore-out, zu. (Bild: wavebreakmedia / Shutterstock.com)


Das Gleiche trifft übrigens auch für den „Nachfolger“ von Burn-out, nämlich für das Bore-out, zu. Wer sich unterfordert fühlt, hat jederzeit die Möglichkeit, sich mit fordernden Inhalten selbst auseinanderzusetzen. Auch diese Diskussion ist also mit einer gewissen Vorsicht und vor allem mit klarem Menschenverstand zu bewerten.

Entwicklungen vorsichtig bewerten

Im Kinder- und Jugendalter redet alles von ADS und ADHS, sobald ein Heranwachsender irgendwie von der scheinbar akzeptablen Verhaltensnorm abweicht. Ohne die eigentlichen Hintergründe eines abweichenden Verhaltens zu erkunden und entsprechend darauf einzugehen, werden schnell Medikamente verschrieben, besondere Betreuungsformen gesucht und oftmals die sichtbaren Erscheinungen damit noch verschlimmert. Genauso entwickelt sich derzeit die Entwicklung rund um das Thema Burn-out.

Die Einordnung unterschiedlicher physischer und psychischer Überlastungserscheinungen in das Burn-out-Syndrom muss viel vorsichtiger als bislang erfolgen. Menschen sind von Grund auf hoch belastbare Wesen, die bei normaler körperlicher und seelischer Konstitution gut mit Phasen gesteigerter Anforderungen zurechtkommen können. Erst wenn solche Anforderungen dauerhaft weit über die Leistungsfähigkeit des Einzelnen hinausgehen, kann es (muss es aber nicht) zu Erscheinungen des Burn-out kommen.

Davor kann sich letztlich jeder selbst schützen, indem er Arbeit und Freizeit gut trennt und in der beruflichen Entwicklung einen Weg einschlägt, der den eigenen Möglichkeiten wirklich entspricht. Und Chefs, denen etwas an gesunden und leistungsfähigen Mitarbeitern liegt, schliessen dauerhafte Überlastungen ohnehin bewusst aus. Natürlich nur dann, wenn sie davon auch wissen. Das erfordert schon die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber gegenüber ihren Arbeitnehmern.

 

Oberstes Bild: © wavebreakmedia – Shutterstock.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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