Wer ist Aktionär? Ab und zu eine schwierige Frage ... (Teil 2)
VON lic. rer. pol. Urs Fischer + Pascal Lochiger, BLaw Allgemein Finanzen
Das grösste Risiko von Inhaberaktien besteht in der Verkörperung sämtlicher Aktionärsrechte durch ein anonymes Stück Papier. Es ist damit zwingend erforderlich, dass dieses sicher und vor Diebstahl geschützt aufbewahrt wird. Wir haben in der Praxis schon einige Fälle erlebt, in denen erbitterte Gerichtsverfahren über den mutmasslichen Diebstahl und das Eigentum an Inhaberaktien geführwurden.
Aus Sicht der Aktiengesellschaft sind diese zwar nicht relevant, da der jeweilige Inhaber des Papiers als Aktionär gilt, aber dennoch können durch gerichtliche Sperren die Entscheidungsprozesse der Gesellschaft lange Zeit blockiert sein. Nicht besser ist die Situation, wenn ein Aktienzertifikat verloren geht.
Dies ist ein Bericht in zwei Teilen:
Teil 1: Wer ist Aktionär? Ab und zu eine schwierige Frage …
Teil 2: Wer ist Aktionär? Ab und zu eine schwierige Frage …
Dann bleibt nur noch die aufwendige und teure gerichtliche Kraftloserklärung. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass die Gesellschaft ihre Aktionäre nicht kennt und sich im Prinzip vor jeder Ausübung eines Aktionärsrechts die Originalzertifikate vorlegen lassen muss. Streng genommen gilt dies nicht nur für die Stimmabgabe an der Generalversammlung, sondern auch für den Zeitpunkt der Dividendenzahlung, da ja der berechtigte Eigentümer bereits wieder gewechselt haben kann.
In der KMU-Praxis wird dies meist nicht gemacht und man verlässt sich stattdessen gutgläubig auf ein Hörensagen, wer denn nun Aktionär ist. Vollends absurd – aber auch das haben wir schon zweimal erlebt – wird die Situation dann, wenn die Aktienzertifikate aus Sicherheitsgründen im Safe der Gesellschaft selber liegen, oder der Verwaltungsrat „vergessen“ hat, überhaupt Zertifikate auszugeben. Dann ist völlig undefiniert, wer Aktionär ist und alle je durchgeführten Versammlungen beruhen auf der Hoffnung, dass niemand die daran teilnehmenden Aktionäre in Frage stellt. Wenn es in so einer Konstellation zum Streit kommt, ist guter Rat meist unbezahlbar und die Gesellschaft kann über Jahre hinweg völlig handlungsunfähig werden und daran sogar zugrunde gehen.
Aus all diesen Gründen halten wir Inhaberaktien für problematisch und empfehlen unseren Kunden in der Regel Namenaktien. Und wie funktionieren Namenaktien? Auch Namenaktien können als physisches Wertpapier ausgegeben werden und enthalten dann auf dem Zertifikat den Namen des aktuellen Aktionärs und die Historie der Vorbesitzer. Die Übertragung auf einen neuen Eigentümer erfolgt durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Zertifikat (das sogenannte Indossament) und die Übergabe des Zertifikats an den neuen Eigentümer.
Parallel dazu führt die Gesellschaft in Form eines Aktienbuchs oder Aktienregisters Buch über ihre aktuellen und bisherigen Aktionäre, und jede Übertragung wird aus Sicht der Gesellschaft erst wirksam, wenn ihr diese mitsamt geeigneten Nachweisen zur Kenntnis gebracht und im Aktienbuch eingetragen wird. Ein Aktienbuch ist ähnlich wie das Handelsregister aufgebaut und historisiert alle Bewegungen von der Gründung bis zu den aktuellen Aktionären. Als Folge davon weiss die Gesellschaft jederzeit, wem sie gehört und kann deshalb ohne Weiteres ihre bekannten Aktionäre zur Generalversammlung einladen oder ihnen die Dividende auszahlen.
Bereits erwähnt wurde zudem die Möglichkeit, in den Statuten Eintragungsbeschränkungen vorzusehen. Ein gewissenhaft geführtes Aktienbuch ist nicht nur ein zuverlässiger Nachweis der jeweiligen Eigentümer, sondern erlaubt es sogar, auf die Ausgabe physischer Zertifikate komplett zu verzichten und die Aktien papierlos und rein buchmässig zu führen.
Anstelle eines Zertifikats tritt dann eine simple Bestätigung für den Aktionär, dass er zu einem gewissen Zeitpunkt als solcher eingetragen ist. Diese Bestätigung ist kein Wertpapier und kann bei Verlust problemlos so oft wie verlangt neu ausgestellt werden. Der lückenlose Nachweis der ganzen Eigentümerkette erfolgt ohnehin über das Aktienbuch. Das System papierloser Aktien ist bei elektronisch gehandelten Publikumsgesellschaften längt Standard, es kann aber auch bei kleinen Gesellschaften gut implementiert werden. Voraussetzung sind aber entsprechende Statutenbestimmungen und ein jederzeit aktuelles und sorgfältig geführtes Aktienbuch.
Wir setzen papierlose Aktien nicht nur in der ganzen artax-Gruppe ein, sondern haben einige Kunden erfolgreich auf dieses System umgestellt. Als zusätzlicher Vorteil lassen sich damit Vorkaufs- und Kaufrechte, wie sie in Aktionärsbindungsverträgen oder bei Mitarbeiterbeteiligungen meist vorkommen, sehr elegant implementierten und gut durchsetzen.
Gelten diese Überlegungen auch für eine GmbH?
Die Bestimmungen zur GmbH sind stärker als die AG auf personenbezogene kleine Gesellschaften ausgerichtet. Entsprechend existieren hier keine „Inhaber-Stammanteile“, sondern die Stammanteile einer GmbH funktionieren ähnlich den papierlosen Namenaktien. Auch hier führt die Gesellschaft ein Anteilsbuch. Zusätzlich sind aber die jeweiligen Eigentümer im Handelsregister eingetragen und dort öffentlich ersichtlich. Jede Übertragung ist im Handelsregister anzumelden und wird im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht. Dies führt zur totalen Transparenz, aber auch zur totalen Rechtssicherheit bezüglicher der Eigentümer.
Was heisst das nun für meine Aktiengesellschaft?
Dieser Bericht kann als Leitfaden diesen, um die Kapitalstruktur Ihrer AG kritisch zu hinterfragen und, falls sinnvoll, zu optimieren. Aus unserer Sicht stellen sich folgende Fragen:
1. Ist Ihre Kapitalstruktur zweckmässig? Sollten und können allfällig mehrere Titelkategorien vereinheitlicht und eine Einheitsaktie geschaffen werden?
2. Sind ggf. Inhaberaktien wirklich notwendig und sehen Sie darin wirklich mehr Vorteile als die oben aufgeführten gravierenden Nachteile? Oder sollten und können diese in Namenaktien umgewandelt werden?
3. Bei Inhaberaktien: Sind alle Aktienzertifikate tatsächlich vorhanden, sicher verwahrt und in der Hand der korrekten Aktionäre? Wie stellen Sie sicher, dass die korrekten Aktionäre an Ihrer GV teilnehmen und Sie den korrekten Aktionären Dividende zahlen?
4. Bei Namenaktien: Ist Ihr Aktienbuch korrekt geführt und auf dem aktuellen Stand? Sind ggf. alle Zertifikate vorhanden, in der Hand der richtigen Personen und entsprechen den Einträgen im Aktienbuch?
5. Macht eine Umstellung auf papierlose Namenaktien in Ihrer AG Sinn? Welche Strukturen müssten hierfür angepasst oder neu geschaffen werden? Die obigen Fragen sind sowohl aus gesellschaftsrechtlicher als auch betriebswirtschaftlicher Sicht zu betrachten.
Die artax Fide Consult AG verfügt in beiden Bereichen über entsprechende Expertise und kann Sie sowohl bei Neugründungen als auch bei der Optimierung bestehender Gesellschaften umfassend beraten und unterstützen.
Artikel von: artax Fide Consult AG / Mitglied von Morison International / www.artax.ch
Oberstes Bild: Worin besteht das grösste Risiko von Inhaberaktien? (Bild: © Eisenhans – Fotolia.com)