Von der Kunst, Abwesenheitsmails zu schreiben

Früher gab es Abwesenheitsmails, in denen stand schlicht: „Ich bin vom 10.08. bis 24.08. im Urlaub und werde in dieser Zeit keine Mails beantworten. Bitte wenden Sie sich an meine Vertretung XY.“

Heute schreiben dieselben Menschen (die zugegebenermassen meist ein paar Schritte auf der Karriereleiter geklettert sind): “ Ich bin vom 10.08. bis 24.08. im Urlaub und nur unter der Telefonnummer XY zu erreichen. Meine Mails rufe ich in diesem Zeitraum nur einmal täglich ab. Bitte wenden Sie sich in dringenden Fällen an XY oder schicken Sie mir eine Textnachricht.“

Mit anderen Worten: Die Absender schwindeln. Sie sind gar nicht im Urlaub. Sie haben ihr Büro nur in ein Strandhaus verlegt. Bestenfalls. Schlimmstenfalls sitzen sie zuhause, gehen ab und zu Golf spielen und arbeiten ansonsten an ihren Projektstrategien fürs kommende Jahr.

Dieses Verhalten ist für Betreffende und Unternehmen desaströs – auch wenn es auf den ersten Blick nach vorbildlicher Loyalität aussieht. Wenn vor allem Unternehmer und Manager nicht mehr in der Lage sind, Auszeiten zu nehmen, ihre Verfügbarkeit also auf 365 Tage im Jahr ausweiten und ihr System so niemals zur Ruhe kommen lassen, erschöpfen sie ihre Ressourcen irreparabel. Ausnahmslos. Natürlich gilt dies nicht für den jungen Entrepreneur, der nach Gründung seines Start-Ups erst mal drei Jahre durchpowern muss, um sich zu etablieren. Es bezieht sich auf die zunehmende Anzahl an Menschen, die sich sofort unwohl zu fühlen, sobald sie vom Arbeitsfluss ihres Unternehmens (scheinbar) abgeschnitten sind.

Für sie ist ein Urlaub eine arbeitsrechtlich vorgeschriebene Tortur, die sie an einen Liegestuhl fesselt und sie mit Cocktails zwangsernährt, während sie etwas „Sinnvolles“ tun könnten. Sie machen sich nicht nur Sorgen über das höchstwahrscheinlich tödliche Vakuum, das durch ihre Abwesenheit auf dem Firmengelände entsteht. Sie sind auch ausserordentlich besorgt, andere Menschen könnten etwa von ihnen glauben, sie würden sich amüsieren. Oder entspannen. Deshalb haben diese Eigentlich-Anwesenheitsmails auch immer etwas Entschuldigendes; sie sollen überdeutlich kommunizieren, dass dem Absender die Sinnfreiheit von „Urlaub“ absolut klar ist.

Das Problem dabei: Tief im Innersten wissen Absender und Empfänger, dass dieses zwanghafte Verhalten den Erkenntnissen der aktuellen Forschung hinsichtlich Life-Work-Balance völlig zuwiderläuft. Das Gehirn braucht Auszeiten, in denen es wieder zu sich selbst kommt, im übertragenen wie im bio-chemischen Sinn. Der Stresslevel muss von Zeit zu Zeit herunter gefahren werden, damit die neuronale Struktur keinen bleibenden Schaden nimmt.

Aus dem Abstand eines völlig anderen Umfeldes kehren Kreativität und Kritikfähigkeit zurück. Die Frage ist nur – wie können diese eigentlich vorhandenen Einsichten mit der Sucht nach der eigenen Unabkömmlichkeit und vor allem der Furcht vor dem Eindruck nachlassender Bissigkeit vereinbart werden? Manchmal hilft einfach das mentale Umformulieren der Standard-Abwesenheitsmail.

Wie wäre es, wenn Sie in dieser Hinsicht mal alles ganz anders machen würden? Stellen Sie sich so bildlich wie möglich vor, Sie schrieben Ihren Empfängern detailliert auf, wo Sie sind. Da klingt „Ich werde die nächsten zwei Wochen an meinem Schreibtisch verbringen, mit einem kurzen Ausflug an den Gardasee (an einem Wochenende)“ plötzlich wie ein schlecht formuliertes Bewerbungsschreiben. „Wie wäre es aber mit „Ich werde die nächsten Wochen beim Trekking in den napalesischen Bergen verbringen und ein einwöchiges Retreat in einem Kloster in Myanmar anschliessen. Am 24.08. bin ich wieder da – wahrscheinlich weiser, in jedem Fall fitter. Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme ab dem 25.08.“

Was würden Sie beim Empfang dieser Mail denken – mal abgesehen von dem scharfen Neidstachel, der sich in Ihr Hirn bohrt? Da macht es einer richtig? Hm …Retreat …Stille…das klingt verlockend….? Was Sie in jedem Fall nicht denken werden ist: So ein fauler Hund, der sollte lieber mal die eCommerce-Strategie voranbringen. Ein wohlgestalteter Urlaub, der offensichtlich und ohne weitere Erläuterung zu einer Zunahme an Weitsicht und lateralem Denken führen wird, evoziert im Endeffekt immer mehr Respekt als drei durcharbeitete Wochen.

Der umgekehrte Effekt ist übrigens ähnlich faszinierend: Ab jetzt werden Sie nie wider einen Urlaub machen wollen, den Sie nicht gerne Tag für Tag in Ihrer Abwesenheitsmail kommunizieren könnten. Der Effekt: Ihre Urlaube werden exotischer, phantasievoller, sinnerfüllter und – Überraschung! – erholsamer. Es funktioniert nicht auf Anhieb, aber es ist die Visualisierung wert.


Die schwierige Kunst des Entspannens (Bild: Radka Schöne / pixelio.de)


Wenn Sie es vorziehen, nicht über Ihre Urlaubsziele und Pläne zu sprechen, gibt es zwei weitere grundsätzliche Alternativen. Hier die puristische: „Bin weg. Vom 10.08. bis 24.08.“

Und die etwas ausführlichere, mit Humor gewürzte Variante: „Ich mache Urlaub. Ich entspanne mich. Habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Ihrer E-Mails mit meiner Entspannung inkompatibel sind, deshalb werde ich sie ignorieren. Sollte Ihr Anliegen wichtig sein, ist es die auch noch nach meiner Rückkehr. Ist es dringend, können Sie XY schreiben. Ist es lebensbedrohlich, wissen meine Kollegen, wie ich zu erreichen bin. Ich wiederhole: lebensbedrohlich. Alternativ komme ich verfrüht zurück, falls Sie Penelope Cruise/Brad Pitt sind oder mich für den nächsten Marsflug anwerben wollen. Sonst nicht. Mit besten Grüssen …“

Aber übertreiben Sie es nicht mit dem Humor, wenn Sie dadurch Neukunden aktiv verschrecken könnten oder es schlicht nicht Ihrem Typ entspricht.

Und übrigens: Sätze wie „Ich werde meine Mails nur sporadisch abrufen und beantworten“ oder, schlimmer noch, „Ich werde nur limitierten Internetzugang haben“ sollten Sie sich generell sparen. Sie müssten schon in einem U-Boot mitfahren oder in den Untiefen der Sahara nächtigen, um nirgendwo auf das Internet zugreifen zu können. Machen Sie deutlich, dass Sie keine Mails empfangen oder schreiben wollen. Punkt. Eigentlich ist es doch genauso, oder?

 

Oberstes Bild: Wie schreibt man richtig eine Abwesenheitsmail? (Bild: © JiSIGN – Fotolia.com)

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Mehr zu Caroline Brunner

Caroline Brunner ist freiberufliche Online-Journalistin mit Fokus auf Arbeitspsychologie, Entrepreneurship, Kommunikation, Karriereplanung, Nachhaltigkeit und Verbraucherthemen.

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