Work-Life-Balance: Wie sie Wirklichkeit wird

Arbeitest du noch oder hast du schon einen Burnout? Manchmal könnte man meinen, in der freien Wirtschaft tätig zu sein münde fast zwangsläufig im gesundheitlichen Ruin. Doch das sollte nicht sein. „Work-Life-Balance“ heisst das neue Schlagwort, das Ausgewogenheit verspricht.

Doch was hat es damit auf sich? Und vor allem, wie erreicht man diese vielbeschworene Balance? Der Unternehmensethiker Ernst von Kimakowitz, u.a. Dozent an der Hochschule St. Gallen, hat dazu einiges zu sagen.

Zunächst einmal kann man ganz nüchtern festhalten: Das Bedürfnis nach Ausgleich von anstrengender und anspannender Arbeit hat jeder. Die einen gehen mit Freunden ein Bierchen trinken, die anderen lieber ins Fitness-Studio. Wichtig ist vor allem bei Akademikern, mal „den Kopf abschalten“ zu können. „Neu ist nicht das Bedürfnis nach Ausgleich, sondern die Terminologie”, sagt Ernst von Kimakowitz. Er ist Direktor des „Humanistic Management Center“, wo er mit anderen Unternehmensethikern die Möglichkeiten einer nachhaltigeren Wirtschaftswelt erforscht. An der Hochschule St. Gallen unterrichtet er „Leadership Skills“.

Mitarbeiter wollen motiviert werden

Das Wort „Work-Life-Balance“ deutet ja schon an, dass Arbeit und Leben als zwei entgegengesetzte Pole gesehen werden. Trotzdem ist der Anspruch vieler Mitarbeiter heutzutage der, auch in der Arbeit ein bisschen „Life“ zu haben. Unternehmen müssen sich deshalb etwas einfallen lassen, um ihre besten Leute bei der Stange zu halten. Aktuell hat sich aus diesem Grund das noch etwas schwammige Berufsbild des „Feel-Good-Managers“ herausgebildet – die ersten wurden schon eingestellt, bevorzugt von Startups. Dabei helfen schon klassische Massnahmen, wie ein Betriebskindergarten oder flexible Arbeitszeiten. Wichtig ist, dass den Mitarbeitern konkrete Hilfsangebote unterbreitet werden. „Eine Hochglanzbroschüre zur Work-Life-Balance kommt weniger gut an“, so Ernst von Kimakowitz.

Die Unflexibilität vieler Unternehmen und die Heuchelei von Chefs, denen es nicht wirklich um das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter geht, sind die Hauptgründe für Unzufriedenheit unter dem Personal. Das stellt von Kimakowitz heraus und beruft sich dabei auf zwei Studien, die „Gallup Employee Engagement Study“ und das „Edelman Trust Barometer“. Beide stellen unserer Arbeitswelt ein schlechtes Zeugnis hinsichtlich des Umgangs mit Personal aus.


Müssen „Work“ und „Life“ eigentlich immer getrennt werden? Manche Firmen setzen erfolgreich auf das Konzept „Home-Office“. (© Uwe Steinbrich / pixelio.de)


Arbeit = Spass?

Doch nicht nur chefseitig liegen die Probleme. Der gerade unter jungen Berufseinsteigern verbreiteter Irrglaube, Arbeit müsse immer Spass machen oder sei gar diesem gleichzusetzen, sorgt für unnötige Ernüchterungen, so Ernst von Kimakowitz. Viele Startups befeuern die „Work is Fun“-Philosophie durch ihre Recruiting-Strategien und sind sich dabei nicht im Klaren darüber, was sie damit anrichten. Denn Arbeit kann Spass machen, muss sie aber nicht. Es gibt nun mal selbst im erfüllendsten Beruf Tätigkeiten, die schnöde und stupide sind. „Wenn Spass an der Arbeit den netten Zeitvertreib mit Kollegen meint, sind wir auf dem Holzweg“, erklärt Ernst von Kimakowitz.

Aber natürlich darf und soll Arbeit Freude machen, also erfüllend sein (sieh auch weiter unten). Dazu gehört auch, dass nach erfolgreichem Projektabschluss gebührend gefeiert wird – Spannung und Anspannung sollen in einem gesunden, rhythmischen Wechsel stehen. Niemand könne permanent Gas geben, ohne dabei irgendwann die Kontrolle über das eigene Fahrzeug zu verlieren, so von Kimakowitz.

Sinnvolle Arbeit spart viele „Bespassungs-„Massnahmen

Was macht eine Tätigkeit sinnvoll? Ernst von Kimakowitz nennt dafür drei Schlagwörter: Erfüllung, Bestätigung, Herausforderung. „Je weniger wir das durch unsere Arbeit tun, desto mehr streben wir danach, sinnhafte Tätigkeiten ausserhalb der Arbeit zu unternehmen“ resümiert er. Dies ist zum einen eine Herausforderung an alle Chefs, die Mitarbeitern mehr als einen blossen „Frondienst“ anbieten sollten. Zum anderen aber sind hier auch die Arbeitnehmer selbst gefragt. Sie sollten sich kontinuierlich selbst prüfen, so von Kimakowitz. Will ich durch meine Arbeit Erfüllung finden oder sie lediglich zur materiellen Absicherung nutzen? Welche persönlichen Risiken will ich im Job eingehen, um mehr Freiheit zu haben? Solche Fragen seien sehr wichtig, um nicht in einer monotonen, unbefriedigenden Job-Sackgasse stecken zu bleiben.



Für nicht sinnvoll hält der Unternehmensethiker hingegen Checklisten, in denen man für Hobbys, Arbeit und Familie Prozentpunkte vergibt. „Wir sind alle verschieden.“ Auch monatliche Coaching-Stunden brächten nicht den erhofften Effekt. Das Beste: regelmässige Reflektionsphasen, in denen man sich mit Freunden oder Familienangehörigen austauscht und die gegenwärtige Situation analysiert.

Beziehungen und Bewegung

Überhaupt das Thema Beziehungen. Immer klarer scheint sich abzuzeichnen, dass gesunde Beziehungen der Wohlfühl-Faktor Nr. 1 in Unternehmen sind. Gerade für einsam arbeitende Menschen wie Programmier ist es eine Wohltat, sich nach Feierabend unters Volk mischen zu können. Ein Vertriebsleiter hingegen, der den ganzen Tag am Telefon hängt, sehnt sich vielleicht eher nach Ruhe und Abgeschiedenheit. Wie auch immer: Wer mit seinem sozialen Umfeld im Dauerclinch lebt, ist vom Burnout nur einen Schritt entfernt.

Ebenfalls wichtig. Bewegung. Viele sitzen den ganzen Tag, also warum nicht die Mittagspause für einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft nutzen? Viele Unternehmen haben den Bedarf inzwischen erkannt und organisieren wöchentliche Volleyballturniere oder Ähnliches. Aber auch das gegenteilige Bedürfnis kann vorkommen. „Wenn ich den ganzen Tag körperlich arbeite, brauche ich auch mal einen gemütlichen Fernsehsessel“ sagt Ernst von Kimakowitz. All die genannten Massnahmen sind gut umsetzbar und entspringen letztlich dem gesunden Menschenverstand. Deshalb sollte die Eingangsfrage vielleicht etwas umformuliert werden: „Schuftest du noch oder lebst du deine Arbeit?“

 

Oberstes Bild: © blickkick – Fotolia.com

jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-22').gslider({groupid:22,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});