Nationalfonds-Studie: Lohndiskriminierung für Frauen in der Schweiz

Das Thema ist nicht neu und keineswegs nur auf die Schweiz beschränkt. Frauen verdienen weltweit in der Regel deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Gemessen an den Medianlöhnen für eine Vollzeitstelle beträgt die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern im OECD-Durchschnitt rund 15 Prozent, die Schweiz liegt mit 18 Prozent leicht über diesem Mittelwert.

Ein Teil dieser Differenzen lassen sich durch Faktoren wie Unterschiede in der Berufswahl, niedrigere hierarchische Positionen von Frauen oder ein geringeres Dienstalter erklären. Der durch solche Einflüsse nicht erklärte Rest lag in der Schweiz bisher bei acht bis zehn Prozent. Dahinter könnten sich statistische Differenzen, aber eben auch Geschlechterdiskriminierung verbergen, die durch die eidgenössische Verfassung ebenso wie das Gleichstellungsgesetz verboten ist.

Einstiegsgehälter: Bei Männern um 7,3 Prozent höher als bei Frauen

Eine neue Nationalfonds-Studie der Universität Basel und des Berner Büros Ecoplan widmet sich der vermuteten Lohndiskriminierung von Frauen jetzt anhand der Daten aus einer Langzeitbeobachtung, in der zwischen 2004 und 2010 rund 1.600 Personen teilgenommen haben. Die Studienteilnehmer haben im Beobachtungszeitraum entweder eine Berufslehre, die Matura oder ein Studium abgeschlossen und sind danach ins Erwerbsleben eingestiegen. Für ihre Auswertung konzentrierten sich die Forscher auf die Einstiegslöhne, um Geschlechterdifferenzen, die erst im Laufe einer Berufstätigkeit entstehen – beispielsweise Familienpausen – auszuklammern.

Hochgerechnet auf eine Vollzeitstelle verdienten die Männer unmittelbar nach dem Berufseinstieg monatlich 4.058 Franken, der Durchschnittslohn der Frauen lag um rund 300 Franken oder acht Prozent unter diesem Wert. Im nächsten Schritt wurden aus diesen Zahlen durch statistische Verfahren „objektive“ Lohnkriterien herausgerechnet. Berücksichtigt wurden hier unter anderem: Ausbildung und berufliche Tätigkeit, Region, Alter, Schulnoten, Pisa-Test zur Lesekompetenz, Vollzeit- oder Teilzeitarbeit sowie Firmengrösse. Ausserdem wurden in Interviews Angaben zu Geld- und Karriereorientierung der Studienteilnehmer gewonnen. Nach diesen „Ausklammerungen“ kamen die Researcher auf eine „nicht erklärbare“ Geschlechterdifferenz von 7,3 Prozent zuungunsten der Frauen. Die Studienautoren räumen ein, dass dieser Wert nicht komplett Diskriminierung widerspiegeln muss. Eine Rolle könnten hier beispielsweise auch geschlechtsspezifische Unterschiede im Risikoverhalten spielen, die dazu führen, dass Männer der Tendenz nach in Branchen und Unternehmen mit höheren Bonusanteilen tätig sind.

Lohndiskriminierung von Frauen vor allem in gemischten Berufen

Trotzdem dürfte der Grossteil dieser Differenz das Ergebnis von Geschlechterdiskriminierung sein. Die Studienautoren definieren drei wesentliche Diskriminierungsgründe:

– „Statistische Diskriminierung“ – Unternehmen kalkulieren bei Frauen von Anfang an mit Babypausen und reduzierten Arbeitszeiten aus familiären Gründen – und bieten ihnen deshalb bereits niedrigere Einstiegsgehälter an.
– „Männersolidarität“ – die überwiegende Zahl der Chefs sind Männer, die dazu neigen, Vertreter ihres eigenen Geschlechts besser zu behandeln.
– „Diskriminierung der Leisen“ – Männer treten fordernder auf als Frauen und überschätzen sich oft selbst.


Darüber wird selten berichtet: In typischen Frauenberufen verdienen Frauen tendenziell mehr als Männer. (Bild: agp / pixelio.de)


Ein weiteres interessantes Resultat der Studie: Männer in typischen Frauenberufen (kaufmännische Angestellte, Krankenpfleger, Apotheker, Psychologen) sind im Vergleich zu Frauen keineswegs über- sondern der Tendenz nach sogar eher unterbezahlt. In typischen Männerberufen (Gärtner, Metzger, Mechaniker, Informatiker, Ingenieure) sind sie nur verhältnismässig wenig unterbezahlt. Die grössten Unterschiede der Gehälter von Männern und Frauen finden sich in gemischten Berufen, in denen beide Geschlechter mit mindestens 30 Prozent vertreten sind.

Als Massnahmen gegen Lohndiskriminierung von Frauen empfehlen die Autoren der Nationalfonds-Studie eine Erhöhung der Lohntransparenz in den Unternehmen, Reformen in der Berufsausbildung für bessere Chancengleichheit der Geschlechter sowie die grundsätzliche Sensibilisierung der Arbeitgeber. Eine staatliche „Lohngleichheitspolizei“ haben sie dagegen nicht explizit in ihre Empfehlungsliste aufgenommen.

Kommt die „Lohngleichheitspolizei“?

Auf politischer und praktischer Ebene dürfte spannend werden, welche Konsequenzen sich aus der für den Sommer 2014 erwarteten Evaluierung des „Lohngleichheitsdialogs“ ergeben werden. Bisher entwickelt sich das vom Bund und den Sozialpartnern seit 2009 lancierte Projekt allerdings ausgesprochen schleppend. Im Rahmen des „Lohngleichheitsdialogs“ können sich Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern freiwillig auf das Vorliegen einer Lohndiskriminierung von Frauen überprüfen lassen, für kleinere Betriebe seien aus statistischen Gründen keine validen Bewertungen möglich. Von landesweit rund 7.000 Firmen, welche die Teilnahmekriterien erfüllen, haben sich bisher nur etwa 40 Betriebe zur Bewertung angemeldet. Rund die Hälfte davon sind staatliche Institutionen, Verbände, Gewerkschaften sowie staatsnahe Unternehmen.



Geplant war, dass sich bis Mitte 2014 mindestens 100 Unternehmen evaluieren lassen. Bei einem Scheitern des Projektes könnten die staatlichen Lohngleichheitskontrollen tatsächlich kommen. Seit der vergangenen Woche liegen dem Bundesrat zwei Berichte vor, welche mögliche Massnahmen für die Etablierung einer staatlichen „Lohngleichheitspolizei“, die Definition ihrer Durchsetzungs- und Kontrollkompetenzen sowie einen internationalen Rechtsvergleich zum Thema haben. In der Praxis dürfte es für die Kontrolleure allerdings eher schwierig werden, Lohndiskriminierungen nachzuweisen.

Eine Sprecherin des Arbeitgeberverbandes nannte vor einigen Wochen Gründe für den Misserfolg des „Lohngleichheitsdialogs“: Viele grosse Firmen haben demnach interne Lohngleichheitsanalysen erstellt, wollen die Ergebnisse jedoch im Rahmen des Evaluierungsprozesses nicht mit den Gewerkschaften teilen. Zudem hegen viele Wirtschaftsvertreter grundsätzliche Zweifel an der Prüf-Routine, die mit ihrer Unterscheidung von nur vier Anforderungsniveaus beispielsweise sehr wenig differenziert sei. Zum Teil fürchten die Unternehmen auch, die Kontrolle über ihre Lohnpolitik der Tendenz nach zu verlieren.

Die Direktorin des Eidgenössischen Gleichstellungsbüros, Sylvie Durrer, hält einen erfolgreichen Nachweis von Lohndiskriminierung übrigens sehr wohl für möglich. Ihre Behörde überprüft jährlich etwa drei Unternehmen, die Aufträge des Bundes erhalten haben. In der Mehrzahl der Fälle wird den Firmen tatsächlich Diskriminierung nachgewiesen. Dabei gehe es oft darum, dass Frauen geringere Gehälter beziehen, als es ihrer Position entspreche, was bei Männern so gut wie nie passiere.

 

Oberstes Bild: © fotomek – Fotolia.com

jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-22').gslider({groupid:22,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});