Was bedeutet der automatische Informationsaustausch für die Schweiz?

Der Bundesrat hat am 19. November 2014 der Teilnahme der Schweiz an der multilateralen Vereinbarung über den automatischen Informationsaustauch in Steuersachen zugestimmt.

Diese von der OECD in Anlehnung an das amerikanische FATCA Modell 1 entwickelte Vereinbarung, die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung verhindern soll, wird massgebend für die künftige Einführung des grenzüberschreitenden automatischen Informationsaustauschs sein.

Dafür muss in der Schweiz noch die gesetzliche Basis geschaffen werden und mit Partnerstaaten Abkommen ausgehandelt werden. Falls Parlament und allenfalls die Stimmberechtigten zustimmen, würde im 2017 mit der Erhebung der Daten begonnen werden und im 2018 der erste Datenaustausch stattfinden. Dieser ehrgeizige Fahrplan des Bundesrates ist mit dem Druck der G-20 Staaten und der Einführung des erstmaligen Datentransfers im 2017 durch die EU (mit Ausnahme Österreichs, dass erst im 2018 folgt) zu erklären.

Was die auszutauschenden finanziellen Informationen anbelangt, soll der Standard umfassend (inkl. Trusts) sein. Basis für die Erfassung steuerpflichtiger Personen sollen die nationalen Geldwäschereivorschriften zur Identifikation von Vertragsparteien und zur Feststellung wirtschaftlich Berechtigter sein. Der Mustervertrag basiert auf Gegenseitigkeit und sieht vor, dass die übermittelten Informationen ausschliesslich dem von den beiden Partnern vereinbarten Zweck dienen dürfen. Vertraulichkeit und Datenschutz ist ebenso vorgesehen. Die Einheitlichkeit soll durch einen gemeinsamen Reporting Standard, ein Modellabkommen zwischen zwei Staaten, einem Auslegungskommentar sowie Basisdaten einer Informatiklösung als Hilfestellung für die Behörden sichergestellt werden. Eine Überprüfung durch die von den G-20 Staaten beauftragten Institution Global Forum soll die effektive Umsetzung der Standards sicherstellen.

Im Vordergrund bei der Umsetzung für die Schweiz stehen zuerst die EU und ihre Mitgliedsländer sowie die USA. Daneben werden Staaten mit engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen prioritär behandelt. Der Bundesrat hat festgehalten, dass Lösungen für Fragen der Vergangenheitsregularisierung (z.B. strafbefreiende Selbstanzeigen oder Abgeltungssteuer) und des Marktzutrittes in den Verhandlungen zu fordern und anzustreben sind. Die diesbezüglichen Verhandlungen mit der EU werden die laufenden Verhandlungen über die Ausdehnung des Zinsbesteuerungsabkommens wohl ergänzen, respektive überflüssig machen.

Da die USA sich auf die abgeschlossenen FATCA Abkommen berufen und deshalb keine neuen Abkommen für nötig erachten, hat die Schweiz wohl nur die Option, auf das FATCA Modell 1 zu wechseln. Hier ist aber bei Gesellschaften und Trusts der vollständige Durchblick auf den wirtschaftlichen Berechtigten aufgrund der Beschränkung des Reporting auf einen „settlor“ und auf professional gemanagte Trusts nicht möglich.

Somit dürfte die USA ihre Position als verlässlicher und sicherer Hafen für Steuerhinterzieher aus aller Welt noch festigen. In Grossbritannien wird in diesem Windschatten schon heftig diskutiert, wie Trusts künftig zu gestalten sind, damit sie nach dem OECD-Standard weiterhin Schutz bieten. Dies müsste mit präziseren Definitionen vermieden werden. Ebenso ermöglichen die festgelegten Untergrenzen für eine Reportingpflicht den Missbrauch durch „account splitting“.

Meldepflichtige Finanzinstitute sind neben Banken und anderen Kreditinstitute auch Vermögensverwalter, Treuhänder (Custodians), Börsenmakler, Fonds / Investmentunternehmer und spezifizierte Versicherungsgesellschaften, die rückkaufsfähige Versicherungsverträge oder Rentenversicherungsverträge anbieten. Ob ein meldepflichtiges Finanzinstitut vorliegt, ist anhand einer Vielzahl von Kriterien zu bestimmen, da die Verfasser für die Bestimmung einen Zirkelschluss benutzen: „Meldepflichtige Finanzinstitute sind solche Finanzinstitute, die keine nichtmeldepflichtigen Finanzinstitute sind“. Dieses kasuistische Vorgehen macht das Regelwerk ähnlich kompliziert wie das FATCA-Modell.

Nichtmeldende Finanzinstitute sind im Prinzip (ausser bei Zahlungen in Zusammenhang mit gewerblichen Finanzaktivitäten) staatliche Rechtsträger, internationale Organisationen und Zentralbanken, börsenkotierte Gesellschaften, Altersvorsorgefonds, sonstige Rechtsträger mit geringem Risiko eines Missbrauches zur Steuerhinterziehung und diejenige, die explizit von der Meldepflicht ausgenommen sind, ausgenommene Organismen für die gemeinsame Anlage von Wertpapieren.


Ob der OECD-Standard tatsächlich ein globaler Standard wird, bleibt abzuwarten. (Bild: © michal812 – shutterstock.com)

Hier haben die nationalen Gesetzgeber bei der Festlegung der ausgenommenen Finanzinstitute respektive bei den „ausgenommenen Konten“ einen gewissen Spielraum. Dazu findet sich ein Katalog von befreienden Elementen (Vorsorge bis zu einer Grenze von jährlichen Beiträgen von USD 50‘000, Steuerbegünstigung, Pflicht zur Informationsübermittlung an die Steuerbehörden, Entnahme an Bedingungen geknüpft, Konto untersteht für andere Zwecke als der Altersvorsorge der Aufsicht, Mietkautionskonto, etc.). Hier stellt sich die Frage, nach welchem nationalen Steuerrecht dies angewendet werden soll.

Folgende Daten werden von den pflichtigen Finanzinstituten an die eidgenössische Steuerverwaltung gemeldet werden, die diese Daten dann automatisch (im Gegensatz zur heutigen Auskunftserteilung auf Nachfrage hin) ihrem ausländischem Äquivalent weiterleitet:

  • Name, Adresse, Ansässigkeitsstaat, Steueridentifikationsnummer, Geburtsdatum und -ort
  • Bei einem Rechtsträger der Kontoinhaber ist: Name, Adresse, Steuer-identifikationsnummer des Rechtsträgers sowie die Daten aller meldepflichtigen Personen
  • Kontonummer, Name und gegebenenfalls Identifikationsnummer des meldenden Finanzinstitutes
  • Kontostand oder -wert (einschliesslich Barwert oder Rückkaufswert) bei rückkauffähigen Versicherungs- oder Rentenversicherungsverträgen zum Ende des Kalenderjahres oder zum Zeitpunkt der Kontoauflösung
  • Gesamtbruttoertrag der Zinsen, Dividenden und anderer Einkünfte
  • Gesamtbruttoerlöse aus der Veräusserung oder dem Rückkauf der Vermögensgegenstände

Nach Proklamation der Weissgeldstrategie wollte die Schweiz durch eine konstruktive und aktive Mitarbeit bei der Entwicklung des globalen Standards erreichen, dass der hiesige Finanzplatz gegenüber anderen bedeutsamen Finanzplätzen keine Wettbewerbsnachteile erleidet. So ist entscheidend, dass Finanzplätze wie Singapur, Dubai oder die USA diese Standards genauso einhalten müssen wie die Schweiz und diese nicht durch Vermögensverwaltungsstrukturen wie Trusts umgehen können. Dies bedarf wohl eines starken internationalen Drucks, in erster Linie auf die USA, damit dies erreicht werden kann. Eine schmerzfreie Bereinigung vergangener Steuerpflichten dürfte ebenfalls schwierig zu erreichen sein.

So bleibt wohl den vergesslichen Personen nur eine schnellstmögliche Selbstanzeige, da die Regelungen für Selbstanzeigen vermutlich, je näher der Informationsaustausch kommt, in den meisten Ländern eher verschärft werden. Zudem wird das Nachgeben in dieser Frage bei einem Partner eine Signalwirkung für die anderen Verhandlungspartner haben. Die nationalen Vorschriften gegen Geldwäscherei sind qualitativ und quantitativ sehr unterschiedlich, so dass dies Auswirkungen auf die Qualität der gelieferten Daten haben wird.

Durch diesen OECD-Standard wird nicht nur das Bankgeheimnis endgültig beerdigt, sondern auch die Finanzinstitute zum Erfüllungsgehilfen der Steuerverwaltungen gemacht. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) schätzt die Kosten für die Umsetzung dieses bürokratischen Monstrums auf zwischen CHF 500 Mio. bis 800 Mio. und die Zeit für die Umsetzung auf zwei Jahre. Ob der OECD-Standard tatsächlich ein globaler Standard wird, bleibt abzuwarten.



So fehlen bei der gemeinsamen Erklärung zur Annahme des Standards vor allem asiatische und lateinamerikanische Staaten sowie die USA. Hauptinteressenten sind weitgehend verschuldete Industrie- und Hochsteuerländer, die damit eine Sanierung des Haushaltes erreichen wollen. Um einen wirksamen globalen Standard zu erreichen, müssten die Entwicklungs- und Schwellenländer vermehrt eingebunden werden, ansonsten werden die Vermögen einfach in nicht partizipierende Länder verlagert werden, respektive die wirtschaftlich Berechtigten werden ihre Residenz in solche Länder verlagern. Ebenso fehlen Sanktionsmöglichkeiten, deshalb besteht die Gefahr, dass diese Vermögen einfach in andere Bahnen gelenkt werden.

Artikel von: artax Fide Consult AG / Mitglied von Morison International / artax.ch
Veranstaltung vom 19.03.2015 „Die Herausforderung“, es hat noch freie Plätze (hier).

 

Oberstes Bild: © twobee – shutterstock.com

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