Also doch: Internet – Printmedien verlieren massiv Leser

Seit das Internet die Lesegewohnheiten der Menschen quasi revolutioniert hat, wird schon über das Ende von Zeitungen, Zeitschriften und auch Büchern philosophiert. Wer soll in Zeiten von e-Books und frei zugänglichen Internet-Seiten denn überhaupt noch eine Zeitung, geschweige denn ein Buch in die Hand nehmen? Für viele wirkt das ja nahezu antiquiert, als lebe man in der Vergangenheit.

Gerade die jüngeren Generationen sollten dabei von den neuen digitalen Leseangeboten angesprochen werden. Schliesslich sind hier die Zielgruppen der Gegenwart und der Zukunft zu finden. So manch einer war überrascht, als zum Beispiel die Schweizer Jugend weiterhin zu gedruckten Medien griff und den allgemeinen Trend zum Online-Lesen ignorierte. Dies scheint aber nur ein Strohfeuer des Widerstands gewesen zu sein. Denn: Die Printmedien haben massive Probleme, ihre Leser zu halten. Im vergangenen Jahr wurden diesen Medien teilweise deutlich über 15 % der Leser untreu.

Aufruhr in der Presselandschaft: Die Leser laufen in Scharen davon

Die vorgelegten Zahlen basieren dabei auf Erhebungen respektive Umfragen, die von der WEMF AG für Werbemedienforschung, die in Zürich in der Nähe des Wahrzeichens Grossmünster residiert, in Auftrag gegeben worden ist. Diesbezüglich sind von April 2013 bis April 2014 exakt 19.276 Schweizer befragt worden. Demnach ist die eidgenössische Medienlandschaft in heller Aufruhr. Erbhöfe, Stammleser und Qualitätsjournalismus müssen angesichts der folgenden Zahlen wohl in ihrer Bedeutung neu überdacht und auch neu definiert werden. Vor allem bei Magazinen, Zeitschriften und Wirtschaftspublikationen ist der Aderlass in vielen Fällen schon als dramatisch zu bezeichnen. Jedenfalls skizziert die Anfang September veröffentlichte MACH-Basic-Studie, die sich mit der Reichweite von Presseerzeugnissen in der Schweiz auseinandersetzt, ein entsprechend düsteres Bild.

Alarmierend sind dabei die Zahlen von zum Beispiel dem „SonntagsBlick“, der rund 56.000 Leser innerhalb eines halben Jahres verliert. Kaum besser steht die „NZZ am Sonntag“ da, der rund 51.000 Leser den Rücken kehrten. Das sind Zahlen, die durchaus als besorgniserregend im Hinblick auf Arbeitsplätze und Fortbestand des jeweiligen Medienunternehmens betrachtet werden dürfen. Auch die Tageszeitungen, die bislang eigentlich generell auf eine treue und loyale Leserschaft zählen konnten, sind in die allgemeine Abwärtsspirale gerutscht. Das Blatt „20 Minuten“ ist zwar nach wie vor mit einer Reichweite von insgesamt 1,547 Millionen Lesern das meist gelesene Presseerzeugnis in der Schweiz, aber auch dieses an sich beliebte Blatt verlor im letzten halben Jahr 20.000 Leser. Knapp dahinter rangiert der „Blick“, dem 19.000 Leser quasi davongelaufen sind. Die „Neue Zürcher Zeitung“ muss zukünftig sogar auf rund 24.000 Leser verzichten, während der „Tages-Anzeiger“ immerhin 17.000 Leser ziehen lassen muss.

Im Jahresvergleich haben die Leserverluste teilweise dramatisches Ausmass

Noch weitaus drastischer präsentiert sich der Rückgang an Lesern bei Magazinen und Zeitschriften. Ob das Magazin des öffentlichen Verkehrs „via“ (minus 62.000 Leser), die Publikumszeitschrift „Schweizer Illustrierte“ (minus 56.000 Leser) oder zum Beispiel „Das Magazin“ (minus 39.000 Leser) – die Zahlen sprechen Bände und lassen bei fortlaufender Entwicklung Ungemach erahnen für die jeweiligen Medienhäuser und die Belegschaft. Auch die einschlägigen Wirtschaftspublikationen, die eigentlich in der Öffentlichkeit immer als Fanal des Qualitätsjournalismus angesehen wurden, müssen kämpfen. Sowohl die „Handelszeitung“ als auch die „Bilanz“ haben im vergangenen halben Jahr jeweils rund 20.000 Leser verloren. Demgegenüber wirkt der Verlust von 12.000 Lesern bei der „Finanz und Wirtschaft“ regelrecht human.

Wie WEMF mitteilte, können einige dieser Veränderungen innerhalb eines halben Jahres als statistisch signifikant angesehen werden. Wird demgegenüber der Jahresvergleich herangezogen, bekommen die Zahlen wahrlich ein noch dramatischeres Gewicht. Laut der MACH-Basic-Studie kann dabei die „NZZ“ im Jahresvergleich als die grosse Verliererin bezeichnet werden. Die Tages- und Sonntagszeitung sowie das „NZZ Folio“ büssen diesbezüglich zusammen mehr als zehn Prozent der Leserschaft ein. Geht es um die absoluten Zahlen, steht das „Migros“-Magazin mit 109.000 verlorenen Lesern an der Spitze der Rückgangsrangliste. Aber: Die Reichweite dieser Publikation beträgt immerhin 2,4 Millionen Interessierte, was im Gesamtkontext dann eben nur ein Minus von gerade einmal fünf Prozent ausmacht. Bei allem Frust gibt es aber auch Gewinner. Gerade Magazine, die Spezialinteressen abdecken, haben zum Höhenflug angesetzt. So gewann zum Beispiel die Ringier-Publikation „LandLiebe“ binnen eines Jahres 140.000 neue Leser hinzu. Auch das „Wandermagazin Schweiz“ (plus 16.000 Leser) sowie die „BauernZeitung“ (plus 21.000 Leser) warteten mit guten Ergebnissen auf.


Es scheint also so gekommen zu sein, wie es viele Branchenkenner vorhergesagt haben: Der Blick in den Computer, auf das neueste und stylische Smartphone oder neuerdings auch auf das Tablet ist keine Modeerscheinung mehr, sondern im Lebensstil der Schweizer fest verankert. (Bild: Denys Prykhodov / Shutterstock.com)
Es scheint also so gekommen zu sein, wie es viele Branchenkenner vorhergesagt haben: Der Blick in den Computer, auf das neueste und stylische Smartphone oder neuerdings auch auf das Tablet ist keine Modeerscheinung mehr, sondern im Lebensstil der Schweizer fest verankert. (Bild: Denys Prykhodov / Shutterstock.com)


Die Chancen von regionalen und lokalen Zeitungen steigen

Es scheint also so gekommen zu sein, wie es viele Branchenkenner vorhergesagt haben: Der Blick in den Computer, auf das neueste und stylische Smartphone oder neuerdings auch auf das Tablet ist keine Modeerscheinung mehr, sondern im Lebensstil der Schweizer fest verankert. Experten wie Professor Heinz Bonfadelli, der an der Universität Zürich im Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung arbeitet, sehen für die Medienhäuser und Verlage vor allem in dem Umstand eine Gefahr, dass inzwischen auch qualitätsorientierte Nutzer sich den digitalen Angeboten zuwenden. Die viel diskutierte Paywall als Bezahlschranke für jeweilige digitale Inhalte sei seiner Meinung nach noch keine grossartige Option. „Gerade die jungen Leser finden im Netz nahezu alle Informationen kostenlos“, argumentiert er.

Stattdessen verweist er auf die immer höheren Preise für die Druckerzeugnisse der Medienhäuser. An dieser Stelle könnte durchaus Potential liegen, um einen weiteren Rückgang der Reichweite zu verhindern. Ausserdem sei hier zu berücksichtigen, dass die ausländische Konkurrenz vehement auf den Schweizer Markt drängt. Laut Bonfadelli wird auch die regionale Verankerung immer wichtiger werden. Diesen Bereich kann das Internet schliesslich noch nicht gut abdecken. Gerade die älteren Leser entscheiden sich immer öfter für die eigentlich als „Nischen-Presse“ geltenden regionalen und lokalen Zeitungen. Nicht umsonst konnten der „Walliser Bote“, die „Freiburger Nachrichten“ oder auch die „Thurgauer Zeitung“ im Hinblick auf die Reichweite zulegen. Entsprechende Umstrukturierungen der inhaltlichen Priorität könnten daher als Rettungsschirm für die angeschlagenen Printmedien dienen.

 

Oberstes Bild: © Pressmaster – Shutterstock.com

jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-22').gslider({groupid:22,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});