Shareconomy: Teilen ist das neue Kaufen

Airbnb, Citycar, Toolpool. Obwohl sich die Ersteren mit Wohnraum, die Zweiten mit Autos und die Dritten mit Werkzeug beschäftigen, verbindet sie eine gemeinsame Idee: das zeitweise Überlassen eines Gutes, was seinen Kauf und seinen Besitz ersetzen soll. Diese Idee soll etliche Vorteile bringen – bei näherem Hinsehen stimmt dies auch grösstenteils.

Das Mieten einer Sache zum Bruchteil ihres Kaufpreises spart zunächst einmal Erhebliches an Anschaffungskosten. Am Beispiel einer Bohrmaschine wird dies deutlich: Alles, was dieses Gerät leisten soll, ist das gelegentliche Anfertigen einer Bohrung in Haus, Hobbykeller oder Garten. Zwar findet sich heute in fast jedem Haushalt ein solches Gerät. Dieses liegt aber die meiste Zeit nur herum. Wie oft im Jahr benutzt man denn schon wirklich eine solche Maschine? Zusammengerechnet mit Sicherheit weniger als zwei Stunden.

Ebenso verhält es sich mit dem Auto. Man kann leicht überschlagen, wie es um den Nutzungsgrad eines Fahrzeugs wirklich bestellt ist. Bedingt durch Stadt- und Landverkehr kann man von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern ausgehen. Teilt man diese durch die durchschnittliche Laufleistung eines Autos von 175’000 Kilometern, dann sind dies gerade einmal knappe 2200 Stunden, die ein Auto in seinem ca. 15-jährigen Leben wirklich genutzt wird. Das sind 91 Tage oder ganze drei Monate. Den Rest der Zeit steht ein Auto herum und kostet wertvollen Raum.

Der arbeitende Mensch ist jedoch heute auf Effizienz, Rationalität und Rentabilität trainiert. Welchen Sinn ergibt es, Zehntausende von Euro für eine Sache oder eine Leistung auszugeben, die für wesentlich weniger Geld und vor allem mit weniger Sorgen zu haben sein kann?

Teilen ist daher eine naheliegende Lösung. Es ist im Grunde logisch, erfordert jedoch den Mut zu einem radikalen Neudenken. Der Reiz des Besitzes ist uralt und fest im Wertesystem des Menschen verankert. Ihn wirklich über Bord zu werfen ist eine Herausforderung, der sich nicht jeder stellen mag. Aber zwei mächtige Umstände leisten der Entwicklung zum Minimalismus in Besitz und Konsum Vorschub.

Zum einem ist die von der Wirtschaftswelt eingeforderte Mobilität ein treibender Faktor dafür, seinen mobilen Besitz so klein wie möglich zu halten. Spätestens nach dem dritten Umzug wird der Reiz des Wegwerfens, Verkaufens und Verschenkens an unerhörter Attraktivität gewinnen. Der zweite Trend geht von der Wirtschaft selbst aus: Das immer schnellere Veralten von Technik macht ihren Besitz nahezu überflüssig. Ob Kamera, Hifi-Gerät oder Werkzeug, die Frequenz der Innovationen hat einen Grad erreicht, bei dem der Besitz gleichbedeutend damit ist, ein Gerät von vorgestern zu verwenden.

Die Idee des organisierten und vernetzten Teilens ist ein junger Trend, welcher von ebenso jungen Start-ups ins Leben gerufen wurde. Die Resonanz ist indes enorm, vorwiegend jedoch ebenfalls bei der U30-Generation. Mit „Shareconomy“ wurde dieser Bewegung ein flotter Name gegeben, welche mit 26 Milliarden Dollar bereits einen enormen globalen Umsatz verbuchen kann.

Primär ist diesem Trend im Grunde nur Gutes zuzusprechen. Geteilte Güter werden intensiver gebraucht. Numerisch ist dazu eine geringere Anzahl an Endgütern notwendig, welche durch ihre verringerte Produktion erheblich weniger Ressourcen verbrauchen. Gleichzeitig wird der für ihre Lagerung notwendige Raum frei. Man stelle sich am Beispiel der geteilten Autos einmal vor, was das für unsere Städte bedeuten würde: Wenn nur noch die Fahrzeuge in einer Stadt vorhanden wären, die wirklich in Gebrauch sind, was würde dies alleine an Parkraum freisetzen!


Für Ökonomen ist "verringerte Produktion" allerdings ein Reizwort. Verringerte Produktion bedeutet zwangsläufig auch die Freisetzung von Arbeitskraft.
Für Ökonomen ist „verringerte Produktion“ allerdings ein Reizwort. Verringerte Produktion bedeutet zwangsläufig auch die Freisetzung von Arbeitskraft.


Für Ökonomen ist „verringerte Produktion“ allerdings ein Reizwort. Verringerte Produktion bedeutet zwangsläufig auch die Freisetzung von Arbeitskraft. Droht die Shareconomy also zu einer Gefahr für Wachstum und Beschäftigung zu werden? Wachstum und Beschäftigung im etablierten Sinne werden mit Sicherheit die Folgen dieses Trends zu spüren bekommen, ebenso wie es schon bei der Automatisierung und der Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer der Fall war. Allerdings kann gerade die Shareconomy auch genau gegenteilige Wirkungen entfalten.

Geteilte Güter werden intensiver genutzt. Das bedeutet, sie verschleissen schneller, selbst wenn sie in bester Qualität gefertigt werden. Schnellerer und höherer Verschleiss hat aber wiederum zwei mögliche Folgen: Erstens wird die Lebensdauer des einzelnen Geräts dramatisch verkürzt, so dass die Geräte schneller ausgetauscht werden müssen. Eine handelsübliche Bohrmaschine für den Hausgebrauch ist nach zwei Jahren intensiver Nutzung mit Sicherheit nicht mehr zu verwenden. Mit einer einfachen Überschlagsrechnung ist die Angst vor der verringerten Produktion nicht mehr ganz so dramatisch.

Die besage Bohrmaschine bleibt durchschnittlich zehn Jahre bei einem Käufer. In dieser Zeit wird sie maximal für zwei Monate auch wirklich benutzt. Selbst wenn man von der gesetzlichen Gewährleistungspflicht von zwei Jahren ausgeht, ist dies immer noch nur ein Fünftel der Zeit, die sie im Besitz des Kunden verweilt. Das bedeutet, dass eine Bohrmaschine in einer Shareconomy fünfmal schneller ausgetauscht wird, als es gegenwärtig geschieht. Eine Reduzierung der Produktion wird zwar stattfinden, jedoch nicht in einem so dramatischen Masse, dass es tatsächlich Produktionen gefährden könnte.

Zweitens steht den Unternehmen noch ein weiterer Weg offen: Mit der dezentralen Instandsetzung der Geräte kann eine Vielzahl lokaler Arbeitsplätze entstehen.

Teilen scheint also tatsächlich die Lösung vieler Probleme zu sein. Letzten Endes ermöglicht es auch den Zugang zu interessanten Technologien für Einkommensgruppen, die sie sich per Kauf heute noch nicht leisten können. Dies war und ist jedoch immer ein Wachstumsmotor gewesen.

 

Oberstes Bild: © Matthias G. Ziegler – Shutterstock.com

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