Welche Perspektiven hat der Standort Schweiz?

Der Einbruch von Firmenansiedlungen in der Schweiz hat bereits 2012 begonnen. Regionale Standortförderer waren seinerzeit der Meinung, es handele sich dabei um ein temporäres Phänomen. Aktuelle Zahlen für das Jahr 2013 zeigen jedoch, dass dieser Trend sich fortsetzt.

Experten, die sich um die Ansiedlung internationaler Unternehmen in der Schweiz bemühen, meinen, dass diese inzwischen unter Imageproblemen leide. Ein harter Fakt in diesem Kontext ist der hohe Kurs des Franken, der eine Firmenansiedlung in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern teuer macht. Hinzu kommen die Reformideen der letzten Jahre, welche für ausländische Firmen beträchtliche Rechtsunsicherheiten mit sich bringen – das Spektrum reicht hier von der Unternehmenssteuerreform über Minder-Initiative, 1:12-Initiative, Masseneinwanderungs-Votum und die noch laufende Mindestlohn-Debatte bis zur Reform der Erbschaftssteuer. Ausserdem haben andere Länder in der Besteuerung von Unternehmen inzwischen aufgeholt, so dass die Schweiz auch hier zumindest der Tendenz nach einen wesentlichen Standortvorteil einbüsst.

20 % weniger Firmenzuzüge seit 2011

Wirklich überraschend kam der Rückgang der Unternehmensneuansiedlungen 2012 also nicht. Im Vergleich zu 2011 belief er sich auf etwa 20 %. Die Anzahl der durch neu zugezogene Unternehmen geschaffenen Arbeitsplätze ging sogar um mehr als 40 % zurück. Ursprünglich hatten die Standortförderer noch gehofft, dass es sich dabei lediglich um einen temporären Rückgang handelt und die Zahl der Neuansiedlungen 2013 wieder anzieht.

Die jetzt publizierten Zahlen der Konferenz der Volkswirtschaftsdirektoren (VDK) sind jedoch ernüchternd. Demnach sind 2013 die Neuansiedlungen nochmals zurückgegangen: Um 5 % auf knapp 300 Unternehmen und um 11 % auf rund 980 durch die „Einwanderer“ neu geschaffene Arbeitsplätze. Seit 2011 haben die Neuansiedlungen von Firmen um gute 20 % abgenommen, das Minus bei den Arbeitsplätzen beläuft sich auf rund 60 %.


Die Schweiz verliert an Relevanz für internationale Firmen
. (Bild: USBFCO / Shutterstock.com)
Die Schweiz verliert an Relevanz für internationale Firmen
. (Bild: USBFCO / Shutterstock.com)


Die Schweiz verliert an Relevanz für internationale Firmen

VDK-Generalsekretär Christoph Niederberger versuchte, die Botschaft dieser Daten durch einige Erläuterungen zu entschärfen: Das Minus bei den Neuansiedlungen liege im „statistischen Streubereich“. Zudem habe die Schweizer Förderagentur Switzerland Global Enterprise im vergangenen Jahr rund 350 Projekte ausländischer Unternehmen an die Kantone sowie in die Regionen vermittelt – diese Zahl übersteige sowohl den Vorjahreswert als auch das anvisierte Ziel von nur 300 Projekten. Sprecher von Unternehmen, die internationale Expansionen in Erwägung ziehen, meinen dagegen, dass der Standort Schweiz aus dem Fokus der Firmen zwar nicht ganz herausgefallen sei, jedoch an Relevanz verloren habe.

Befürchtung eines Wegzugtrends

Zu dem Rückgang der Neuansiedlungen kommen die Wegzüge von Unternehmen. Stefan Schmid, Partner von PricewaterhouseCoopers (PwC) in Zürich, sagt zwar, dass eine regelrechte Wegzugswelle bisher nicht in Sicht sei, jedoch die Befürchtung eines Wegzugstrends durchaus im Raum stehe. Einige Wegzugsfälle – beispielsweise Yahoo, Weatherford, Pentair oder Noble – sind öffentlich bekannt. Hinzu kommt jedoch eine grössere Anzahl von Firmen, welche die Tür zur Schweiz im Stillen schliessen.

Der Leiter des KPMG-Schweiz-Geschäftsbereiches Unternehmenssteuern, Stefan Kuhn, betont, dass die Beratungsfirma 2013 mehr Umsätze damit erwirtschaftet habe, Unternehmen bei ihrem Wegzug zu begleiten, als mit der Neuansiedlung internationaler Firmen. Typische Konkurrenzstandorte für die Schweiz seien heute Grossbritannien oder Irland, zum Teil jedoch auch Hongkong, Singapur und Dubai. Allein die Minder-Initiative, durch die unter anderem Vorauszahlungen und Abgangsentschädigungen für die Verwaltungsräte börsennotierter Unternehmen neu geregelt werden, hatte laut Kuhn im vergangenen Jahr den Wegzug von 10 bis 15 internationalen Firmen zur Folge.



Zunehmende Schweiz-Skepsis hat vielfältige Gründe

Die Gründe für die Entscheidung gegen den Standort Schweiz – in Form von Wegzügen und durch den Verzicht auf eine Neuansiedlung – können allerdings nicht isolierten Faktoren zugeschrieben werden. Zudem setzt hier jedes Unternehmen seinen Schwerpunkt anders. Einige Ursachen für die zunehmende Schweiz-Skepsis der internationalen Wirtschaft sind kaum beeinflussbar. Hierzu gehören die wachsende Bedeutung aussereuropäischer Märkte, das Aufholen von Konkurrenzstandorten innerhalb und ausserhalb Europas sowie der anhaltend teure Schweizer Franken.

Auf andere Minus-Punkte übt der Bund nur bedingten Einfluss aus – beispielsweise ist die Unternehmenssteuerreform kein originäres Schweizer Projekt, sondern wurde durch ausländischen Druck auf den Weg gebracht. In anderen Angelegenheiten können Politiker und Bürger völlig frei entscheiden. Dies trifft unter anderem auf die verschiedenen Volksinitiativen zu, deren Initiatoren durchaus auch ein gewisses wirtschaftliches Augenmass zu wünschen wäre. So bewerten internationale Firmen im Hinblick auf die Initiative gegen Masseneinwanderung nicht nur die Aussichten auf ein bürokratisches Kontingentsystem sowie Zuwanderungsrestriktionen für ausländische Spezialisten im oberen Segment des Arbeitsmarktes als problematisch. Besonders schwer dürfte für manche Unternehmen vor allem die Unsicherheit wiegen, wie sich das Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union in den kommenden Jahren entwickelt.

Freude an den Konkurrenzstandorten

KPMG-Experte Stefan Kuhn weiss, in welchem Masse das Schweizer Dilemma die internationalen Konkurrenten freut. Er geht davon aus, dass Standortförderer aus anderen Ländern tagtäglich viele Unternehmen mit einer Schweizer Dependance kontaktieren, um sie auf die Unsicherheiten hierzulande hinzuweisen. Die Abstimmung am 18. Mai 2014 über einen gesetzlichen Mindestlohn wird sehr wahrscheinlich zu einem weiteren Dämpfer führen. Mehrere internationale Unternehmen haben gegenüber PwC bereits angekündigt, dass sie bei einer Annahme der Mindestlohn-Initiative ihren Verbleib am Produktionsstandort Schweiz überprüfen müssten.

Stefan Kuhn betont, dass Unternehmen auf für sie unliebsame Reformen nicht am ersten Tag danach mit Abwanderungen reagieren – in welchem Masse, werde vermutlich erst 2015 oder 2016 sichtbar. Er rechnet mit einer dreistelligen Zahl von Firmen, die sich in den kommenden Jahren gegen den Standort Schweiz entscheiden. Hinzu kommen all jene Unternehmen, die von vornherein von einem Zuzug Abstand nehmen.

 

Oberstes Bild: © Vector Icon – Shutterstock.com

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