Der überschätzte Markt

Genaue Marktanalysen gelingen nur selten. Selbst dann, wenn erfahrene Marktforscher am Werk sind, bleiben die Aussagen über den Markt im entsprechenden Segment immer eher vage und sind von Bedingungen abhängig, die sich teils täglich, manchmal sogar stündlich ändern. Besonders für Existenzgründer ist jedoch eine möglichst genau Aussage über die Nachfrage nach einem Produkt oder nach einer Leistung genauso wichtig wie die Einschätzung des aktuellen Angebotes; nur so kann ein Unternehmen rechtzeitig abschätzen, welchen Markterfolg es mit seinem Angebot unter günstigen Umständen erreichen kann. Im folgenden Beitrag möchte ich aufzeigen, wie auch der gesunde Menschenverstand Angebot und Nachfrage relativ sicher bestimmen kann – ohne hohe Kosten für Marktforschung.

Die Konkurrenz beobachten

Sollen Produkte oder Leistungen auf den Markt gebracht werden, die es bereits gibt, gilt der erste Blick immer der Konkurrenz. Welche vergleichbaren Angebote gibt es hier, wo sind diese zu finden und wie werden sie am Markt nachgefragt? Diese drei Fragen lassen sich verhältnismässig leicht beantworten.

Die Produktanalyse kann beim eigenen Erwerb der Produkte oder aber auch im Internet erfolgen. Schnell lässt sich auch herausfinden, in welchem Umfang diese Angebote bereits erhältlich sind und welche Vermarktungswege bevorzugt werden. Auch die Nachfrage am Markt lässt sich relativ leicht ermitteln. Vergleicht man im Internet oder im Präsenzhandel das Marktvolumen der jeweiligen Leistungen, wird schnell klar, ob es hier eine regelrechte Schwemme gibt oder ob es sich vielleicht um ein eher schwer erhältliches Nischenprodukt handelt. Über Preissuchmaschinen lässt sich eine solche Erhebung für bekannte Produkte und Leistungen relativ schnell und sicher bewerkstelligen. Hier gelingt auch gleich ein Überblick über die Preisstrukturen.

Bedarf ermitteln

Schwieriger wird es dann, wenn ein vermeintlich neues Produkt oder eine wegweisende Leistung angeboten werden soll. Dann fällt die Recherche zum wahren Bedarf am Markt deutlich schwerer. Ein erster Weg könnte es sein, über Patentanmeldungen herauszufinden, ob das neue Produkt wirklich neu und einmalig ist. Ob es sich verkaufen lässt, kann herausgefunden werden, indem man beispielsweise im persönlichen Umfeld fragt, ob sich die Menschen für ein fiktives Produkt interessieren würden, wenn sie es erwerben könnten.

Allerdings darf an dieser Stelle nicht offeriert werden, dass man selbst der künftige Anbieter dieses Produktes sein möchte. Sonst geht die Freundschaft oftmals über die Wahrheit, so dass verfälschte Aussagen die Wahrnehmung der objektiven Vermarktungschancen trüben.

Wünsche erzeugen

Eine weitere Möglichkeit, einen erwünschten Bedarf zu ermitteln und im selben Zuge auch zu generieren, ist das künstliche Erzeugen von Wünschen. Dafür ist das Internet bei richtiger Nutzung eine hervorragende Plattform. In thematisch passenden Blogs und Chats lassen sich Nachrichten über das neue Produkt lancieren. Die Reaktionen zeigen, ob es überhaupt einen Bedarf dafür gibt, können aber auch gleichzeitig für die Produktvorstellung genutzt werden. So können Wünsche erzeugt werden, die letztlich auch ausschlaggebend für die Vermarktung sein können.

Allerdings ist hier ein sehr geschicktes Vorgehen erforderlich, da es ja das Produkt oder die Leistung noch gar nicht in einer verfügbaren Form gibt. Mit reinen Vorbestellungen wird sich in aller Regel hier auch kaum jemand zufriedenstellen lassen.

Alleinstellungsmerkmale definieren

Bewegt man sich in einem bestehenden Marktsegment mit einem Produkt, das es in gleicher oder ähnlicher Form schon gibt, müssen Alleinstellungsmerkmale definiert werden. Diese heben das eigene Produkt von dem der Mitbewerber ab und sichern so einen ganz eigenen Anteil am Gesamtmarkt. Je individueller Ihr Produkt ausfällt, desto eher können Sie damit auch ganz konkrete Kundengruppen ansprechen.

Diese Art der Spezialisierung gehört heute zu den am Markt meistverwendeten Möglichkeiten der Kundenansprache. Hier werden genau die Kundengruppen angesprochen, an die sich Ihr Produkt richtet. Das trifft auch für Dienstleistungen und schöpferische Leistungen zu. Die Details machen hier den Unterschied und führen letztlich zur genau am Portfolio ausgerichteten Marktpräsenz.

Auf dem Teppich bleiben

Viele Unternehmen, gerade auch die Start-ups, erleben einen regelrechten Rausch, wenn sie spüren, dass ihre Produkte und Leistungen am Markt nachgefragt sind. Aber genau an dieser Stelle gilt es, auf dem Teppich zu bleiben. Generell wird der bestehende Markt deutlich überschätzt, was nicht selten zu herben Enttäuschungen in der weiteren Entwicklung von Unternehmen, Produkten, Leistungen und Abverkäufen führt. Hier müssen gerade junge Unternehmen einen wahrhaft langen Atem beweisen, bevor sie sich fest und sicher am Markt etabliert haben.


Jegliche Euphorie, die sich nicht nachhaltig mit echten Zahlen untermauern lässt, sollte nach Möglichkeit unterbleiben. (Bild: Dooder / Shutterstock.com)


Jegliche Euphorie, die sich nicht nachhaltig mit echten Zahlen untermauern lässt, sollte nach Möglichkeit unterbleiben. Sachlichkeit, ein kritisches Hinterfragen der Marktsituation und nicht zuletzt die Weiterentwicklung von Produkt und Leistung sind jetzt das Gebot der Stunde. Und schliesslich muss auch am Verhalten der Konkurrenz geprüft werden, ob Marktnachfrage, Preis und Distribution die Versprechen halten können, mit dem neue Produkte und Leistungen auf den Markt gehen.

Für all diese Aktivitäten in der Marktbeobachtung und -beeinflussung braucht es eigentlich keine teuren Marktforschungsinstitute, sondern lediglich eine gute Portion gesunden Menschenverstandes und den nötigen Faktor Zeit. Wer weder das eine noch das andere mitbringt, kann natürlich auch entsprechende Agenturen mit der Marktforschung und Angebotspositionierung beauftragen.
Oberstes Bild: © Ivelin Radkov – Shutterstock.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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