Warum "lokal" wieder in ist: Wie das mobile Internet die Einkaufsgewohnheiten verändert

Der Siegeszug von Amazon & Co. schien bislang dem stationären Handel kaum eine Chance zu lassen. Zu bequem das Online-Shopping, zu gross die Auswahl. Doch das mobile Internet bringt den Detailhandel wieder zurück ins Spiel, sagen Experten.

Distanz spielt fast keine Rolle im E-Commerce. Ob die Buchbestellung nun aus Zürich, Lugano oder gar dem Ausland geliefert wird, ist dem Kunden egal; Hauptsache, billig und schnell. Mit dem rasanten Aufstieg des mobilen Internets jedoch gewinnt der Faktor Distanz wieder an Bedeutung, was lokale Händler für sich nutzen können.

Online-Shopping hat viele Vorteile, die klar auf der Hand liegen: kein Einkaufsstress, keine Öffnungszeiten, keine Anfahrtszeiten und -kosten. Dieser „Death of Distance“, wie er in der Fachliteratur genannt wird, brachte dem E-Commerce jedoch nicht den gemutmassten Totalsieg. Eine steigende Zahl von Wirtschaftswissenschaftlern geht davon aus, dass es keine unabhängige Online-Welt gibt, in der örtliche Gegebenheiten keine Rolle mehr spielen. Unsere physische Umgebung prägt unsere Vorlieben und Entschlüsse und beeinflusst somit das, was wir online kaufen. Im mobilen Internet fällt dieser Effekt noch stärker aus.

Warum ist der Detailhandel nicht schon geschlossen pleite gegangen?

Diese Frage haben sich manche vielleicht schon gestellt, angesichts der scheinbaren Übermacht der E-Stores. Die Antwort lautet nicht, dass immer noch viele ältere Menschen mit dem Internet nicht viel anfangen können, auch wenn das wahr ist. Nein, die Online-Shops haben schlichtweg einige gravierende Nachteile gegenüber den stationären Geschäften: Waren können nicht begutachtet werden, Rückgaben sind oft kompliziert, der Versand entweder teuer oder langwierig. Dieses Phänomen haben Fachleute „disutility“ getauft, was übersetzt soviel wie „Lästigkeit“ oder „Nachteiligkeit“ bedeutet.



In diesem Zusammenhang untersuchte Professor Avi Goldfarb von der Rotman School of Management der University of Toronto zusammen mit seinen Kollegen Chris Forman und Anindya Ghose, welchen Einfluss die Eröffnung eines grossen Kaufhauses wie Walmart oder Barnes & Noble auf die Bucheinkäufe bei Amazon hatte. Sie erhoben Zahlen aus fast 1500 Ortschaften in Nordamerika. Ergebnis: Menschen, die in der Nähe eines neu eröffneten Kaufhauses wohnen, kauften weniger bei Amazon ein als zuvor. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass die Offline-Welt doch nach wie vor einen gewaltigen Effekt auf das Online-Verhalten ausübt. Nachbarn hören oft ähnliche Musik, stehen auf ähnliche Autos und selbst soziale Netzwerke sind lokaler organisiert als man meint.

Das mobile Internet: Zweiter Frühling für den stationären Handel

Genau hier kommt das mobile Internet ins Spiel. Während beim klassischen Online-Zugang der Nutzer in einem geschlossenen Gebäude am Tisch sitzt, erlauben Smartphones und Tablets das Surfen von überall. Ladenbesitzer sind bereits in Angst, dass die Kunden nur hereinkommen, um die Produkte zu begutachten, dann aber aus Preisgründen online zu bestellen. Doch solche Befürchtungen sind nicht unbedingt gerechtfertigt. Im Gegenteil, beim mobilen Zugang ist der lokale Kontext sogar noch wichtiger als vom Desktop aus.

In einer weiteren Studie unter Beteiligung von Prof. Sang Pil Han von der Universität Hong Kong untersuchte Goldfarb die Beiträge von 260 Nutzern eines koreanischen Microblogging-Dienstes ähnlich Twitter. Am kleinen Bildschirm des mobilen Endgeräts wiesen diese ein anderes Verhalten auf als am heimischen PC. Da das Suchen schwerer fiel, klickten viele auf top-gelistete Anzeigen; auch gewannen lokale Geschäfte an Bedeutung. Mit jeder Meile (rund 1,6 Kilometer), die ein Laden näher am Standort des Nutzers war, stieg die Wahrscheinlichkeit des Klicks auf eine Anzeige um 23 Prozent. Am PC stieg die Wahrscheinlichkeit nur um 12 Prozent.

Fazit: Was On- und Offline-Business voneinander lernen können

Das mobile Surfen ist weniger „internet-artig“ als die klassische Bedienung via Desktop oder Notebook. Obwohl noch nicht klar ist, wie die Balance zwischen Online- und Offline-Handel in Zukunft aussehen wird, steht doch schon fest: Der Lokalhandel wird online präsent sein müssen – und im E-Commerce kommt man nicht drumherum, die Offline-Welt der Käufer besser zu kennen, um in der Erfolgsspur zu bleiben.

 

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