An den Kapitalmärkten scheint die Inflation vorbei zu sein

Die Zinsen in der Schweiz sinken wieder. Sie folgen damit dem internationalen Trend. Die Zeit der höheren Zinsen scheint vorbei zu sein. Ob das auf reinem Wunschdenken oder auf einer guten Prognosefähigkeit basiert, werden die nächsten Monate zeigen. Bezüglich letzterem sind Zweifel angebracht. Nichtsdestotrotz: Der Swapsatz für 10-jährige Franken-Anlagen ist seit Mitte Oktober von 2.33% auf 1.68% gefallen. Die 10-jährige Anleihe der Eidgenossenschaft rentiert mit 1.03% nur noch knapp über der 1%- Marke.

Von der SNB wird nur noch eine Erhöhung des Leitzinses von heute 0.50% auf 1.25% erwartet. Spätestens im März ist es vorbei mit Zinser- höhungen der SNB.

Ausgelöst wurde das erleichterte Zurücklehnen durch tiefere Inflationsraten in den USA und in der Schweiz. Dass die absoluten Werte immer noch sehr hoch sind, scheint keine Rolle zu spielen. In der Schweiz ist die Inflationsrate im Oktober auf 3.0% gefallen, in den USA auf 7.7%. Fast schon euphorisch wurde vermerkt, dass auch die Kernrate ohne die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise tiefer ausgefallen ist. Die statistische Inflationsrate ist jedoch nur eine Annäherung an die effektive Inflationsentwicklung und die einzelnen Monatswerte sind mit Vorsicht zu beurteilen. Die angedeutete Trendumkehr nach unten wird sich zuerst bestätigen müssen.

Zu früh für Entwarnung von der Inflationsfront

In der Schweiz dürfte die Inflationsrate zu Beginn des nächsten Jahres wieder steigen, wenn höhere administrierte Preise wie der Strompreis in die Berechnung ein-fliessen. Umfragen bei Unternehmen zeigen zudem, dass viele von ihnen ihre Preise weiter erhöhen wollen, solange die Nachfrage nach den Produkten noch da ist. Die ersten Lohnabschlüsse und der anhaltende Personalmangel deuten darauf hin, dass die Lohnkosten deutlich steigen werden. Von einer Lohn-Preis- Spirale zu sprechen, ist in der Schweiz verfrüht, aber die Ansätze dazu sind nicht zu unterschätzen. Die Konjunktur wird sich im ersten Halbjahr 2023 zwar auch in der Schweiz deutlich abkühlen, insbesondere im Exportbereich. Zu einem starken Anstieg der Arbeitslosenzahlen wird es aber nicht kommen. Zusammen mit den höheren Einkommen wird das den privaten Konsum und damit die Nachfrage nach vielen Produkten stabil halten.

Zinsanstieg zu erwarten

Die Zentralbanken versuchen der Stimmung entgegenzuwirken, dass die Inflation vorbei sei. Sie betonen die Notwendigkeit weiterer Zinserhöhungen. Das gilt auch für die SNB. Ihre Rufe verhallen aber ungehört. Es scheint sich zu rächen, dass die Fed und die EZB in den letzten Jahren immer wieder eingeknickt sind, wenn es an den Finanzmärkten kritisch wurde.

Die Inflation in der Schweiz wird nach dem erneuten Ansteigen zu Jahresbeginn langsam absinken, aber erst gegen Ende Jahr wieder die Marke von 2% unterschreiten. Die SNB wird die Zinsen stärker anheben müssen, als dies der Markt aktuell erwartet, wenn sie einen positiven Realzins anstreben will. Ich gehen deshalb davon aus, dass bis Mitte des nächsten Jahres der Leitzins auf 2.00% steigen wird. Ist dies der Fall, sind die heutigen Kapitalmarktzinsen zu tief, insbesondere die Renditen der Eidgenossen-Anleihen.

 

Artikelbild: Symbolbild © Phongphan – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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