Die Inflation ist noch nicht besiegt

Die Inflationsrate ist in den USA im Juli von 9.1% stärker als erwartet auf 8.5% gesunken. Die Finanzmärkte haben auf diesen Rückgang fast schon euphorisch reagiert. Die Rendite der 2-jährigen amerikanischen Staatsanleihe ist sofort um 0.20% gesunken.

An der Wallstreet machten die Aktienkurse einen Sprung um 2% nach oben. Die Aktien der Technologiefirmen waren wieder en vogue. Wäre die Inflationsrate stattdessen von 8.0% auf 8.5% gestiegen, hätte man wahrscheinlich von Stagflation und wirtschaftlichem Weltuntergang gesprochen.

Eine Inflationsrate von 8.5% ist immer noch sehr hoch und schmerzhaft. Es ist immer noch ein Wert, der zuletzt zu Beginn der 80er-Jahre gemessen wurde. Dass die Preise im Juli nicht mehr gestiegen sind, ist dem gesunkenen Benzin- preis zu verdanken. Dazu sind die Preise für Flugtickets, Hotels und Occasions- Autos gefallen. Allen ist gemeinsam, dass die Preise im ersten Halbjahr aussergewöhnlich stark gestiegen sind. Bei den meisten Produkten und Dienstleistungen ist dagegen keine Abnahme des Preisdruckes zu erkennen.

Peakinflation

Dass zumindest in den USA das Top bei der Inflationsrate überschritten ist, ist wahrscheinlich, vor allem weil das Benzin wieder billiger wird und die Nachfrage nach Rohstoffen aufgrund der sich abzeichnenden Konjunkturabschwächung zurückgeht. In der Eurozone und in geringerem Masse auch in der Schweiz zeigt der Trend jedoch immer noch nach oben.

Natürlich gibt es Argumente für ein nahendes Ende der hohen Inflationsraten. Bei den Rohstoffpreisen gab es in den letzten Monaten eine Entspannung, die sich positiv auf die Inputkosten auswirken wird. Zudem beginnt der Basiseffekt zu wirken. Die aktuellen Preise werden zunehmend mit den bereits gestiegenen Preisen vom Vorjahr verglichen. Es gibt auch Anzeichen, dass die Lieferkettenprobleme zwar nicht gelöst sind, aber doch abnehmen.

Nur langsamer Rückgang der Inflation

Dennoch ist die Inflationspipeline gut gefüllt. Bis die höheren Inputkosten den ganzen Produktionsprozess durchlaufen, braucht es seine Zeit. Vielfach kommen sie erst jetzt beim Endprodukt und damit im Konsumentenpreisindex an. Kommt hinzu, dass die Unternehmen die Preise rechtzeitig erhöhen wollen, solange die Nachfrage noch hoch ist. Die Preise werden deshalb proaktiv angehoben. Ein wichtiger Faktor für die Länge des inflationären Umfelds werden die Löhne spielen. Aufgrund des vorherrschenden Mangels an Personal werden die Firmen bei der Lohnfrage flexibler sein müssen als in den Jahren zuvor. Steigende Löhne steigern die Nachfrage. Zudem erhöhen sie die Kosten für Dienstleistungen, die durch die Rohstoffpreise und die Lieferkettenprobleme bisher kaum negativ betroffen waren.

Die Inflation wird dadurch länger hoch bleiben, auch in der Schweiz. Ich gehe davon aus, dass die Inflationsrate bis Ende Jahr auf 2.8% sinken wird. Im nächsten wird der Inflationsdruck durch die Konjunkturverlangsamung abnehmen, die Inflationsrate mit 1.5% Ende 2023 für die Verhältnisse in der Schweiz aber immer noch hoch sein. Dies wird der SNB nicht gefallen, weshalb sie ihren Leitzins in mehreren Schritten weiter anheben wird. Mitte des nächsten Jahres wird der Leitzins der SNB aus meiner Sicht 1.50% betragen.

 

Titelbild: stockwerk-fotodesign – shutterstock.com

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Mehr zu Dr. Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Herr Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 30 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von CHF 4,4 Milliarden. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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