Perfektion – von der Herrschaft des Intellekts

G. Jung – ein Klassiker der modernen Psychologie – entwickelte ein instruktives Modell psychologischer Wahrnehmungstypen. Er unterschied zum einen zwischen „Fühlen“ und „Denken“, zum anderen zwischen „(sachlichem) Wahrnehmen“ und „Intuieren“.

Obwohl viele Theoretiker die jungsche Typologie für angestaubt halten, ist sie in ihrer Konzeption in zahlreichen bewährten Modellen doch immer noch deutlich auszumachen.

Die Beliebtheit solcher Modelle rührt wohl daher, dass sie komplexe Sachverhalte funktionsgerecht pointiert verdichten, da uns ohne eine solche Verkürzung sonst einfach die Sprache fehlt, um diese zu erfassen und zu beschreiben.

Oder ergibt es etwa Sinn, operative Führungskräfte mit den Grundlagen des Leistungsmotivinventars LMI, eines Tests zur Messung der Leistungsmotivation, bekannt zu machen, ehe man sie auf ein neues Ziel verpflichtet?

Unterhaltsam, inspirierend, informativ: In seinem Blog schreibt Michael Defranceschi darüber, warum motivierte Mitarbeiter so gefährlich sind, wie man Change Management berechnen kann und woran man einen guten Coach erkennt.

Die Herrschaft des Intellekts

Eine „typische“ Falle für viele Unternehmen und Organisationen ist die Herrschaft des Intellekts.

Mancher herausragende Denker entwickelt komplexe Verfahren zur Verbesserung kleinster Nebensächlichkeiten … und legt damit, ohne es zu wollen, Schlingen für ambitionierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einfach anders gestrickt sind.

Auf Sicherheit bedachte Datenanalytiker, harmoniebedürftige Beziehungsmenschen, umtriebige Visionäre, erfinderische Chaoten.

Da wundert es einen nicht, wenn es im Gebälk knistert, sobald Menschen mit dabei sind, die die Welt nicht in erster Linie mit dem Intellekt erfassen.

In diesem Zusammenhang gibt es einige interessante Erscheinungen, die man sich genauer ansehen sollte.

Revolte

In jeder Organisation, in jedem Unternehmen gibt es Menschen, die den Eindruck erwecken, als seien sie jederzeit einer kleinen Revolte nicht abgeneigt.

Es hat den Anschein, als würden solche Menschen unausgesprochen „Widerstand leisten gegen alles Neue“, sie pflegen einen „Ja-aber-Standpunkt“ … oder wirken im Umgang grundsätzlich gereizt.

Oder es sind Charaktere, die ihre Umgebung in ständige Unruhe versetzen: oft unzufrieden, mit immer wieder neuen – teils unausgereiften – Ideen.

Da verpufft scheinbar nutzlos eine ganze Menge Energie. Schade eigentlich.

Im schlimmsten Fall eskalieren dadurch Konflikte, es grassieren Mobbing und Intrigen, Krankheit und Burn-out greifen um sich – oder es herrscht schlicht eine miserable Stimmung im Team.

Nur so viel Einsatz wie nötig

Oder es fehlt eventuell nur am Engagement: „Das ist nicht meine Sache!“ – „Den Job sollen andere machen.“ – „Das hat doch nichts mit mir zu tun!“

Aber wenn dann nur noch der nötigste Einsatz gezeigt wird, ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem alle Alarmglocken im Unternehmen oder im Team schrillen sollten.

Oder um es mit dem Offizier Marcellus in Shakespeares Hamlet zu sagen: „Da ist was faul im Staate Dänemark.“


Herrscht eine miserable Stimmung im Team? (Bild: © ProStockStudio – shutterstock.com)

Der inneren Kündigung folgt die Kündigung – und im Nachhall die Verleumdung

Wer lange genug nur mit angezogener Bremse funktioniert und weit unter seinen Möglichkeiten gearbeitet hat, lässt als (vor-)letzte Massnahme allzu oft die innere Kündigung folgen oder verlässt letztlich das Unternehmen – nicht selten unter Mitnahme des einen oder anderen Kollegen.

Solcherart aus dem Unternehmen Ausgeschiedene nehmen dann oft kein Blatt vor den Mund, wenn sie über ihren Arbeitgeber seligen Angedenkens sprechen – da kommt es zu Verleumdung, übler Nachrede, gar zum Shitstorm, um es neudeutsch auszudrücken.

Aus der Sicht des Arbeitgebers: zu einem „Employer Branding“, wie man es sich gerade nicht wünscht.

Verschenkte Möglichkeiten

Mit Blockierern, Revoltierern oder Kündigungsbereiten lässt sich natürlich nur schwerlich eine schlagkräftige Mannschaft aufbauen.

Doch an der Oberfläche solcher Phänomene lässt sich auch wertvolles Potenzial ausmachen.

Hier sei der Cartoon erwähnt, in dem ein braver Krawattenträger bei der Auswahl des Personals nur lauter Kopien seiner selbst berücksichtigt – um ihnen daraufhin gönnerhaft die Schulter zu tätscheln: „Ich gratuliere Ihnen, Herr Meier, Sie passen ausgezeichnet in unser Team!“

Doch Vorsicht: Es ist immer wieder alarmierend, wenn die Teamentwicklung zu harmonisch verläuft.

Schliesslich ist ein Team kein Kuschelklub, sondern eine Truppe, die ihre Herausforderungen fraglos mit einer gesunden Portion Konfliktbereitschaft und -fähigkeit bewältigen soll. Vorausgesetzt, sie will wirklich ehrgeizige Ziele erreichen.

Denn um mit einer komplexen Aufgabe fertigzuwerden, benötigt man meist eine ganze Reihe von verschiedenen Fertigkeiten und Fähigkeiten – und die kontinuierliche Anpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen.

Sich daran festzuhalten, dass die Patentlösungen der Vergangenheit auch heute noch wirken, kann einen schnell in die Bredouille bringen.

Vor allem solche Teammitglieder, die sich von der vorherrschenden „Teamkultur“ an den Rand gedrückt fühlen, sind oft diejenigen, die mit ihren Betrachtungsweisen eine Aufgabenstellung bereichern.

Es lohnt sich, solche Mitarbeiter genauer kennenzulernen. Und sei es nur, um im Fall einer Kündigung sicherzustellen, dass sie nicht zu Multiplikatoren der üblen Nachrede werden.

Denn kaum etwas ist unheilvoller als verletzter Stolz.

 

Oberstes Bild: © Jirsak – shutterstock.com

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Mehr zu Michael A. Defranceschi

beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit dem Themenbereich „Mensch und Leistung“, seit 2005 als selbständiger Trainer, Berater und Coach.
Als nach internationalem Standard zertifizierter Business Coach und Business Trainer ist er Mitglied der Expertsgroup Wirtschaftstraining & Coaching.

Der von ihm entwickelte softwarebasierte Beratungsansatz Quod.X® - Fact Based Company Coaching zeichnet sich aus durch hohe Effizienz bei minimalem Zeitaufwand und bewährt sich insbesondere in der Teamentwicklung im Dienstleistungsbereich.

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