Aus für den Internet Explorer

Das blaue „e“ ist sicher den meisten von uns wohlbekannt. Rund zwei Jahrzehnte lang hat der Internet Explorer unzählige Menschen mit dem Internet verbunden, aber mindestens ebenso viele zur Verzweiflung getrieben. Er wurde gehasst, zur Hölle gewünscht und verspottet. Nun hat sich Microsoft – endlich! – entschlossen, mit der Windows-Version 10 einen Nachfolger für den Browser-Dino bereitzustellen.

Kennt eigentlich noch jemand Netscape? Otto Normaluser wahrscheinlich nicht. Dabei war der Netscape Navigator Anfang der 1990er Jahre das dominante Werkzeug auf dem Markt, um im Internet zu surfen. Noch 1997 kam der Browser auf etwa 72 Prozent Marktanteile, Microsofts IE dagegen gerade mal auf 18 Prozent. Da hatte Bill Gates dem Konkurrenten aber schon den Kampf angesagt. Mit viel Geld in der Hinterhand und dem meistverbreiteten Betriebssystem auf dem internationalen Markt zog Microsoft im Jahr 1995 in den Browserkrieg. Die erste Version wurde allerdings exklusiv für Windows 95 geschaffen und musste noch extra bezahlt werden. Zur Windows-Grundausstattung gehörte erst der IE 2.0.

Eine Anekdote belegt, dass die Gefechte nicht nur auf virtueller Ebene ausgetragen wurden. Zur Einführung der vierten Auflage des IE bauten Microsoft-Mitarbeiter über Nacht vor der Netscape-Zentrale ein riesiges IE-Logo auf. Netscape reagierte prompt mit einer ebenso grossen Mozilla-Dinofigur und dem Hinweis auf die Verbreitungszahlen. Aber wie gesagt, das war 1997. Microsoft hatte den unschätzbaren Vorteil, seinen Browser zusammen mit Windows ausliefern und auf die Bequemlichkeit der Nutzer zählen zu können. Der IE 6 lief bereits auf 90 Prozent aller PCs weltweit und galt damals durchaus als fortschrittlich.

Dann aber wurde Microsoft selber zu bequem. Die Programmierer wiegten sich in Sicherheit und verschliefen eine Entwicklung nach der anderen. Warum sollten sie sich auch anstrengen? Der Explorer lief auf jedem Windows-PC und war vermeintlich der schnellste Weg ins Netz. Zeitweise wurde das Entwicklerteam sogar komplett aufgelöst. Das Ergebnis: Über die Jahre sank die Performance, die erwähnten Sicherheitslücken taten sich auf, neue Web-Standards wurden nicht unterstützt. Der Ruf des Browsers wurde immer schlechter, viele User sprachen verächtlich vom „ZombIE“. Das einstige Vorzeigeprojekt des Unternehmens verkam im besten Fall zu einer Lachnummer.

Ernsthafte Anstrengungen unternahm der Softwareriese erst wieder ab dem Jahr 2006. Positive Weiterentwicklungen, regelmässige Updates und massive Image- und Werbekampagnen sorgten dafür, dass die Version 10 wieder einigermassen dem Stand der Technik entsprach. Allerdings war der Schaden schon sehr gross – und die Konkurrenz hatte nicht geschlafen. Schliesslich musste sich Microsoft auch noch einem Kartellverfahren der EU beugen, weil das Unternehmen durch die Einbindung des IE in Windows keine freie Browserwahl der User zuliess.

Seit einigen Jahren machen versiertere Nutzer zu Recht einen grossen, grossen Bogen um das Programm. Allenfalls wird er nach einer Windows-Neuinstallation EINMAL als Werkzeug genutzt, um sofort einen anderen Browser herunterzuladen. Weitaus fähigere Kandidaten gibt es genug: Firefox, den Nachfolger des Netscape Navigator, Google Chrome, Opera und den Safari von Apple. Zwar belegen Analysen, dass der IE immer noch rund 50 Prozent Marktanteile hält, aber das liegt wohl an der grossen Zahl alter PCs, die noch in Betrieb sind.


Verbreitung des Internet Explorers (Bild: El T, Wikimedia)

Microsoft hat offiziell eingestanden, dass das Image des IE nicht mehr zu retten ist. Für den Erfolg der nächsten Windows-Generationen dürfte es deshalb besser sein, wenn das Programm nicht mehr Bestandteil des Betriebssystems ist. Folgerichtig hat Microsoft nun den Gnadenstoss für den Internet Explorer verkündet, zumindest im Bereich der privaten Nutzer. Aus Kompatibilitätsgründen kann der Browser in Unternehmen noch länger genutzt werden, soll aber keine Weiterentwicklung erfahren. Zwar wird der IE erst endgültig tot sein, wenn auch der letzte „infizierte“ Rechner auf der Müllhalde gelandet ist, aber immerhin wird mit Windows 10, das im Sommer 2015 erscheinen soll, ein neuer Microsoft-Browser das Licht der Welt erblicken. Der Codename lautet „Spartan“ und wurde laut Hersteller völlig neu entwickelt. Der Name erinnert – gewollt? – an die alte griechische Militärmacht aus Sparta. Will Microsoft damit andeuten, dass der nächste Browserkrieg heraufzieht? Aus der Marketing-Abteilung heisst es dazu, ein finaler Name stehe noch nicht fest.

Kann Spartan der Konkurrenz wie Firefox oder Chrome die Stirn bieten? Oder rechnet Microsoft erneut mit der Bequemlichkeit der Windows-User? Bekannt ist bisher, dass der Browser schneller, schlanker und aufgeräumter daherkommen und auch auf Smartphones laufen soll. In die Oberfläche werden Social-Media-Funktionen integriert sein sowie die Möglichkeit, Webseiten auch offline zu lesen.



Ob Microsoft Erfolg hat, wird sich zeigen. Firefox und Chrome liegen seit Jahren in der Gunst der Nutzer ganz weit vorn, dank schneller Zugriffszeiten, einer stetigen Weiterentwicklung und – wie zum Beispiel bei Firefox – unzähliger Plug-ins, die von der Open Source Community kostenlos bereitgestellt werden. Auch die Bequemlichkeit der User könnte für den Softwaregiganten wieder eine Rolle spielen, diesmal allerdings andersherum: Warum soll ich mich mit Spartan, oder wie immer der neue Browser heissen mag, auseinandersetzen? Ich bin mit Firefox oder Chrome doch gut bedient und völlig zufrieden.

 

Oberstes Bild: Der Internet Explorer wird bald eingestellt. (© IEs 4 Linux Project, Wikimedia, GNU)

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Mehr zu Ulrich Beck

hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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