Warum ein Job, wenn mehrere drin sind: Die Portfolio-Karriere, Teil I

Mehrere Jobs gleichzeitig: Meist ist das ein unerwünschtes Szenario, oft aus der Notwendigkeit geboren und häufig in Ländern ohne Mindestlohn anzutreffen. Unter Karriere hingegen verstehen die meisten Menschen die Konzentration auf ein Spezialgebiet und eine Position, die man linear über die Jahre aufbaut. Wer würde einem Berufseinsteiger schon raten, drei parallele Berufsziele anzustreben? Klingt das nicht eher nach Unentschiedenheit und fataler Orientierungslosigkeit?

Tatsache ist, diese Perspektive auf die Erwerbstätigkeit gehört langsam, aber sicher der Vergangenheit an. Ein neues Konzept breitet sich aus: die Portfolio-Karriere. Eine erfolgreiche Berufslaufbahn muss nicht länger von der Einschränkung auf ein einziges Arbeitsfeld oder eine Branche gekennzeichnet sein. Stattdessen können sich auch unterschiedliche Teilzeit-Projekte zu einer sehr erfolgreichen Karriere addieren, die sich durch Flexibilität und vor allem Begeisterung auszeichnet – nicht viel anders als die sehr unterschiedlichen Anlagen innerhalb eines Investment-Portfolios, deren Risiken einander ausgleichen und die gerade in der Summe den finanziellen Erfolg ausmachen.

Wie sich dieser Portfolio-Ansatz umsetzen lässt und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, beschreibt dieser zweiteilige Beitrag.Dies ist ein Bericht über die Portfolio-Karriere in zwei Teilen. Hier das Inhaltsverzeichnis:

Teil 1: Warum ein Job, wenn mehrere drin sind: Die Portfolio-Karriere.

Teil 2: Warum ein Job, wenn mehrere drin sind: Die Portfolio-Karriere.Sind Sie der Portfolio-Typ?

Manchen Menschen erscheint eine solche Verteilung der eigenen Ressourcen auf verschiedene Projekte im besten Fall sehr anstrengend, im schlechtesten leicht schizoid. Andere jedoch denken sofort daran, dass der Portfolio-Ansatz ihnen endlich gestatten würde, aus der Monotonie ihres Vollzeitjobs auszusteigen und auch ihre vielen anderen Kompetenzen und Talente gewinnbringend einsetzen zu können. Mit anderen Worten: Die Portfolio-Karriere ist nicht für jeden geeignet – für Sie aber schon, wenn Sie von einer gleichbleibenden Tätigkeit schnell unterfordert und auf der Suche nach einem flexiblen Arbeitsmodus sind.

Hinzu kommt, dass Portfolio-Karrieren auch mehr als eine Einnahmequelle bedeuten. Dabei muss es keinesfalls um mehrere Festanstellungen in Teilzeit gehen, im Gegenteil. Viele Portfolio-Situationen zeichnen sich durch ein Nebeneinander von Anstellung und Selbstständigkeit aus. Sie können sogar die ideale Sprungbrettsituation sein, wenn Sie Freiberufler werden wollen, ohne aber das volle finanzielle Risiko eines Start-ups zu tragen.

Wichtig ist, dass Sie wissen, wo Ihre ganz persönliche Motivation für eine Portfolio-Karriere liegt und ob Sie bereit und gesundheitlich wie mental in der Lage sind, die damit verbundenen Herausforderungen in Ihre Lebensplanung zu integrieren.


Der Portfolio-Ansatz würde Ihnen gestatten, aus der Monotonie Ihres Vollzeitjobs auszusteigen. (Bild: Stokkete / Shutterstock.com)


Sie brauchen Abwechslung?

Wenn Ihnen Ihr Vollzeitjob zwar eigentlich Spass macht (und sie auch finanziell absichert), Sie aber dennoch nicht ausfüllt, kann ein Portfolio-Ansatz die viel sinnvollere Antwort sein als eine innere oder tatsächliche Kündigung.

Visualisieren Sie in Ruhe, welche alternativen Tätigkeiten Sie gerne ausführen würden, wie viel Zeit Sie ihnen widmen möchten, welcher Rahmen Ihnen hierfür am sinnvollsten erscheint (etwa eine zweite Stelle, eine freiberufliche Tätigkeit, eine Start-up-Gründung) und wie hoch das zweite oder dritte Einkommen sein sollte, um eventuelle Ausfälle beim jetzigen zu kompensieren. Denken Sie dabei nicht nur im Zusammenhang mit Ihrer Ausbildung und Ihren bisherigen beruflichen Erfolgen, sondern vielmehr im Kontext Ihrer vorhandenen Erfahrung, Ihrer Talente, Kompetenzen und Interessen, egal, wie und wo Sie diese gewonnen haben.

Lassen Sie sich nicht von Ihren eigenen Vorbehalten von diesen Gedankenexperimenten abhalten – und erzählen Sie am besten zunächst keinem Aussenstehenden von Ihrer Idee, damit Sie nicht von der Risikoscheu anderer mental zurückgehalten werden. Sie gestalten ab jetzt Ihre Karriere nach eigenen Vorstellungen, abseits des noch gesellschaftlich normierten Musters. Dafür benötigen Sie geistige Autonomie, keine externen Zwänge.

Natürlich wird auch bei Ihnen eine innere Stimme vor dem Aufgeben vorhandener Sicherheiten und den entstehenden Kosten warnen. Notieren Sie sich alle aufkommenden Zweifel und kontern Sie sie mit praktischen Gegenargumenten. Investieren Sie Ihre ganze Kreativität in ein Szenario der Machbarkeit. So müssen Sie im Falle einer kleinen Unternehmensgründung nicht etwa teure neue Räume anmieten – ein Kleingewerbe lässt sich unter Umständen sogar in der eigenen Mietwohnung anmelden.



Sie wünschen sich mehr Flexibilität?

Wenn Sie spüren, dass 9-to-5 Ihrem eigenen Lebensrhythmus nicht länger entspricht, oder aber Ihre Familiensituation und Ihren Nachwuchs organischer in Ihre Arbeitswelt integrieren möchten, kann der Portfolio-Ansatz ebenfalls eine Antwort sein. Studien haben ergeben, dass Eltern sogar produktiver sein können als Kinderlose – wenn sie sich selbst die flexiblen Rahmenbedingungen schaffen, um aus der vorhandenen Zeit das meiste herauszuholen. Eine Portfolio-Karriere lässt oft Arbeitszeiten zu, die unorthodoxer sind als die von Unternehmen vorgegebenen, etwa durch eine Kombination aus einer Teilzeittätigkeit im Betrieb und einem Homeoffice, in dem Sie auch abends oder am Wochenende aktiv werden können.

Manchmal bedeutet dies natürlich auch zusätzliche Anforderungen – und immer eine extrem stringente und selbstdisziplinierte Organisation einschliesslich eines ausgefuchsten Zeitmanagements. Auch hier ist Kreativität gefragt: Vielleicht benötigt Ihr derzeitiger Arbeitgeber Sie ja gar nicht zu 100 % an Ihrem Arbeitsplatz, solange Sie zuverlässig die gewünschten Ergebnisse liefern? Oft machen entsprechende Gespräche mit dem Vorgesetzten überraschende Freiräume auf. Gehen Sie hier allerdings sensibel vor; verbauen Sie sich nicht den Rückzug, falls ein derartiges Arrangement unmöglich ist. Das Management soll nicht mit dem Gefühl zurückgelassen werden, Sie hätten kein Interesse mehr an Ihrem Job.

 

Oberstes Bild: Warum ein Job, wenn mehrere drin sind – die Portfolio-Karriere. (© Ollyy / Shutterstock.com)

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Mehr zu Caroline Brunner

Caroline Brunner ist freiberufliche Online-Journalistin mit Fokus auf Arbeitspsychologie, Entrepreneurship, Kommunikation, Karriereplanung, Nachhaltigkeit und Verbraucherthemen.

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