Wachsen und doch nah am Kunden bleiben

Viele Start-ups fangen klein und mit einem überschaubaren Kundenkreis an. Das hat auch Vorteile: Geschäftsführung und Vertrieb sind nah am Kunden, können so optimal kommunizieren, hören sofort heraus, wenn etwas nicht stimmt, und erkennen reale Bedürfnisse schnell genug, um Abnehmer langfristig zu halten.

Dennoch: Jeder Entrepreneur strebt Unternehmenswachstum an, auch wenn das zwangsläufig eine gewisse Distanz zum Kunden und seinen Erwartungen mit sich bringt. Nachhaltig denkende Unternehmer planen diese mögliche Entwicklung von Anfang an mit ein und machen sich früh mit Instrumenten und Wegen vertraut, die Kundennähe auch bei betrieblichem Wachstum ermöglichen.

Denn wenig ist gefährlicher, als wenn das Management immer weiter in einen betriebswirtschaftlichen Elfenbeinturm abdriftet. Dort kann man zwar mit Zahlen und Konzepten jonglieren – der Umsatz aber wird an der Basis gemacht, dort, wo Produkt- und Dienstleistungsportfolio aufeinandertreffen. Wir zeigen Ihnen die besten Wege, in Kundennähe zu bleiben, auch wenn die Firmengrösse neue Entscheidungsfindungsprozesse notwendig macht.

  1. Wer ist mein Kunde eigentlich? 

Darüber geben natürlich zunächst die Umsatzzahlen Auskunft. Welche Produkte verkaufen sich am häufigsten wo und zu welchen Zeiten? Welche performen nicht so gut wie eigentlich erwartet? Über diese Kennzahlen erfahren Unternehmen unmittelbar, was Kunden brauchen und wo Entwicklungs- und Marketingabteilung sie entweder falsch eingeschätzt oder die falschen Kanäle genutzt haben, um sie zu erreichen. Es ist daher wichtig, die entsprechenden Daten aus allen Abteilungen zu sammeln und abzugleichen.

Bei der nachfolgenden Analyse hilft das Tante-Emma-Prinzip: Ladenbetreiber sind alles gleichzeitig – Einkauf, Vertrieb, Werbeabteilung, Reklamationsstelle. Sie sehen Kundenreaktionen unmittelbar und können sich sehr schnell daran anpassen. Genauso sollte die Geschäftsführung auch mit den hereinkommenden, zunächst einmal abstrakten Daten umgehen. Sie müssen wieder zu lebendigen, dreidimensionalen Kundenprofilen zusammengesetzt werden, die fast visuell greifbar im Raum zu stehen scheinen.

Dies kann dann noch sinnvoll durch Webanalyse-Tools ergänzt werden – ob nun im eCommerce oder im stationären Handel. Denn Online-Statistiken beobachten nicht nur Internet-Käufe, sondern das gesamte Kundenverhalten auf den Unternehmenswebseiten und Shops: Wie lange verbleiben Kunden auf welchen Seiten und bei welchen Inhalten? Über welche Kanäle sind sie auf die Seite gelangt? Welche kostenfreien Angebote nehmen sie am häufigsten in Anspruch? Auch diese Daten lassen einen überraschend detaillierten Blick auf das Kundenprofil zu.


Mit Online-Statistiken beobachten Sie das gesamte Kundenverhalten auf den Unternehmenswebseiten und Shops. (Bild: © Rido – shutterstock.com)

  1. Was würde mein Kunde mir gerne erzählen? 

Dass der Unternehmer nicht mehr im persönlichen Kundenkontakt steht, bedeutet nicht, dass er nicht andere, digitale Wege zum Austausch nutzen könnte. Gerade für ein zuverlässiges und konstruktives Reklamationsmanagement ist die Generierung multipler Kommunikationskanäle enorm wichtig. Oft ist hier der schriftliche Weg sogar sinnvoller als der mündliche (etwa durch letztlich uninteressierte Callcenter-Mitarbeiter), da archivierbare Beschwerdeprotokolle für die Forschungs- und Entwicklungsverantwortlichen und die Produktion hilfreiche Wegweiser sein können. Dies gelingt am besten, wenn der Rücklauf mit der Bitte um genaue Angabe von Gründen verbunden ist. Wichtig ist nur, dass Kunden auf Fragen und Anregungen innerhalb von 24 Stunden eine individuelle Antwort erhalten – sonst tragen sie ihren Unmut in die Öffentlichkeit.

Aber auch abgesehen vom Worst Case bietet das Internet eine Vielzahl an interaktiven Plattformen für den Kundenkontakt, zum Beispiel E-Mails, Blogs mit Kommentarfunktion, Social Media wie Facebook oder Foren. Natürlich wäre es für jeden Geschäftsführer zu aufwendig, sich stundenlang mit einzelnen Kommentaren, Anfragen und Rezensionen auf Social-Media-Plattformen zu beschäftigen. Sinnvoll ist es aber, per Analysetools und redaktionell aufbereiteten Querschnitten einmal wöchentlich einen Überblick über die Reputation des Unternehmens, die Akzeptanz des Portfolios und die Ansichten der eigenen Zielgruppe zu Wettbewerbern zu gewinnen.

Gleiches gilt für die direkte interaktive Kommunikation und das Feedback an den Kunden. Natürlich können diese aus Zeitgründen nicht mehr 1on1 stattfinden. An die Stelle des direkten Kontakts kann aber ein Newsletter oder ein Blog treten, in dem die Geschäftsführung auf die wichtigsten der zuvor herausgefilterten Aspekte und Vorschläge unmittelbar eingeht und so eine direkte und glaubwürdige Nähe zu Kundenanliegen kommuniziert.

  1. Wie nutzt mein Kunde das Produkt eigentlich für sich? 

Eine der grossen Gefahren bei reduzierter Kundennähe ist die fehlende Einsicht in den tatsächlichen Kundennutzen. Produkt und Dienstleistung mögen perfekt mit den zuvor von der Marktforschung eruierten Kundenbedürfnissen im Einklang sein. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass der Kunde dies auch selbst so empfindet, beziehungsweise das Unternehmensangebot nicht völlig anders für sich in Gebrauch nimmt als gedacht. Nur ein Beispiel sind elektrische Zigaretten: Zunächst zur Rauchentwöhnung entwickelt, werden sie immer mehr als Genussmittel gekauft.

Hier können Umfragen weiterhelfen, um ein gutes Produkt kontinuierlich weiter in die richtige, wenn auch vielleicht überraschende Richtung zu entwickeln. Mit einem Incentive für die Beantwortung verbunden, können sie zeitgleich mit dem Kauf und dann in regelmässigen Abständen nach dem Produktkonsum durchgeführt werden. Dazu bedarf es zuvor einer Kundenkontaktdatensammlung.



Aber auch hier gilt: Besteht eine Win-win-Situation, etwa durch Bonuspunkte, freie Produktsamples, Preisausschreiben oder kostenloses Downloadmaterial, sind viele Kunden zur Kontaktaufnahme oder dem Hinterlassen ihrer Kontaktdaten am Point-of-Sale oder beim Onlinekauf bereit.

 

Oberstes Bild: © EDHAR – shutterstock.com

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Mehr zu Caroline Brunner

Caroline Brunner ist freiberufliche Online-Journalistin mit Fokus auf Arbeitspsychologie, Entrepreneurship, Kommunikation, Karriereplanung, Nachhaltigkeit und Verbraucherthemen.

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