Vom Armeelieferanten zum Ausrüster einer Weltraum-Mission – Die "Victorinox AG"

Es gibt nur wenige Produkte, die ihre Herkunft so klar widerspiegeln wie Messer aus dem Hause „Victorinox“: Das darauf angebrachte rot-weisse Emblem weist ihnen eine eindeutige Abstammung aus der Schweiz zu. Doch schon bevor die heute weltberühmten Schneidwerkzeuge das charakteristische Zeichen und den Namen „Victorinox“ erhielten, haftete ihnen etwas ganz Besonderes an …

In loser Folge nehmen wir Sie mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Folgen Sie den Spuren namhafter Schweizer Unternehmen von den Anfängen bis in die Gegenwart und erleben Sie die Entwicklung einiger beispielhafter Produkte hautnah mit.

Die Messer des später weltweit bekannten Konzerns sind nämlich Produkte der ersten Schweizer Messermanufaktur überhaupt. Deren Gründer Karl Elsener hatte sich während seiner Gesellenzeit in Süddeutschland von den dort ansässigen Messerschmieden inspirieren lassen und nach seiner Rückkehr in die Heimat eine entsprechende Werkstatt eröffnet. Dieses zukunftsweisende Ereignis datiert aus dem Jahr 1884. Schon kurze Zeit später riefen Elsener und einige ihm nacheifernde Berufsgenossen den „Schweizer Messerschmiedverband“ ins Leben.

Dessen Mitglieder entwickelten um 1891 ein multifunktionales Werkzeug, das bei Soldaten regen Zuspruch fand. Es diente bei Manövern oder Fronteinsätzen sowohl als Essbesteck als auch zum Reinigen und Warten von Gewehren. Weil die praktischen Geräte in den renommierten Fabriken des benachbarten Deutschland jedoch wesentlich kostengünstiger hergestellt werden konnten, gab die preisbewusste Schweizer Armee ihren Bedarf lieber jenseits der Landesgrenzen in Auftrag.

Viele in der Schweiz tätige Messerschmiede mussten daraufhin die erst kurz zuvor aufgenommene Produktion von Messern wieder einstellen und Konkurs anmelden. Karl Elsener aber liess sich von der momentanen Situation nicht beirren: Er erwirkte mit finanzieller Unterstützung seiner Familie eine Nachlassstundung und entwickelte das ursprüngliche Soldatenmesser weiter. Die dabei entstandene Variante war deutlich leichter und verfügte über noch mehr Funktionen als ihr Vorgänger. Als wolle er die damit einhergehende Verbesserung auch namentlich deutlich machen, vertrieb Elsener sein Produkt fortan unter der Bezeichnung „Offiziersmesser“.

Zu seiner eigenen Überraschung erzielte er mit dem umbenannten und weiterentwickelten Werkzeug solche Gewinne, dass sein Unternehmen alle Gläubiger entschädigen konnte. Allerdings gehörten zu Elseners Kundenstamm weder Soldaten und Offiziere noch sonstige Armeeangehörige. Stattdessen dienten seine Messer vorwiegend Jägern, Anglern, Touristen und Freizeitsportlern. Sie alle wussten die Einsatzfähigkeit durch zahlreiche Vorschläge für Zusatzfunktionen immer weiter zu verbessern. Zur Erheiterung der Nachwelt gehörten zu den ersten nachträglich eingefügten Erweiterungen der ohnehin schon praktischen Taschenmesser ein Korkenzieher und ein Kapselheber.


Mit Wirkung vom 12. Juni 1897 liess Karl Elsener die aktuelle Version unter der Bezeichnung "Offiziers- und Sportmesser" patentieren. (Bild: Eugene Sergeev / Shutterstock.com)
Mit Wirkung vom 12. Juni 1897 liess Karl Elsener die aktuelle Version unter der Bezeichnung „Offiziers- und Sportmesser“ patentieren. (Bild: Eugene Sergeev / Shutterstock.com)


Mit Wirkung vom 12. Juni 1897 liess Karl Elsener die aktuelle Version unter der Bezeichnung „Offiziers- und Sportmesser“ patentieren. Knapp zwölf Jahre später fügte er dem Eintrag den Namen seiner unmittelbar zuvor gestorbenen Mutter hinzu: Victoria. Zugleich entwarf er ein Logo für seine Firma und beantragte, auch dieses unter gesetzlichen Schutz zu stellen. Bis heute bildet die Genehmigung seines Wunsches eine absolute Ausnahme in der Rechtsprechung, weil der Entwurf sich an die Schweizer Nationalflagge anlehnte, welche für kommerzielle Nutzung tabu ist.

Doch bei dieser Vereinnahmung von (Be-) Zeichnungen sollte es nicht bleiben, denn mit der 1921 erfolgenden Umbenennung in „Victorinox“ ging Elsener sogar noch einen Schritt weiter: Er fügte der bisherigen Firmenbezeichnung „Victoria“ das international gültige Zeichen für „rostfreien Stahl“ – INOX – an und wies sein Unternehmen damit als Verwender des neu entwickelten Werkstoffes aus. Eine Dekade danach installierte Elsener in seiner Fabrik die weltweit erste vollelektrische Härterei.

Auch in sonstigen Bereichen war „Victorinox“ stets führend. So konnte sich der nunmehr rund um die Erde bekannte Messerfabrikant ab 1978 rühmen, sogar ins All zu liefern, denn die Messer seiner Fabrikation begleiteten die Mannschaft des US-amerikanischen „Space Shuttle“ auf ihrer Weltraum-Mission.

Darüber hinaus wirkte der Konzern bei der Fabrikation von

  • Uhren
  • Reisegepäck
  • Parfum
  • Kleidung
  • Elektronik
  • Fahrzeugen

mit und erzielte auch auf diesen Betätigungsfeldern einen hohen Status mit beträchtlichen Einnahmen.

Der ursprünglichen Bedeutung als Messerfabrikant bleibt Victorinox mit einer Reihe innovativer Neuerungen und Weiterentwicklungen treu. Zu den aktuell gefragtesten Produkten der Firma gehören Messer mit patentierter Einhandautomatik und diversen Zusatzfunktionen, die bei Rettungseinsätzen und in der deutschen Bundeswehr zum Einsatz kommen.

Auf Grund dieser und zahlreicher anderer Fabrikate gehört Victorinox heute zu einem der bekanntesten und erfolgreichsten Unternehmen der Schweiz. Mit rund 900 Beschäftigten bildet der hiesige Standort die mitarbeiterstärkste Niederlassung des Konzerns. Weitere dicht besetzte Fabrikationsstätten finden sich in den USA, in Hongkong und in Mexiko.

Das berühmteste Victorinox-Produkt erkennen Verbraucher überall auf der Welt an der Aufschrift „Made in Switzerland“ – denn über die Herstellung seiner Taschenmesser wacht das Unternehmen bis heute am liebsten selbst. Sie werden nach wie vor im Hauptsitz Ibach/Gemeinde Schwyz produziert.

 

Oberstes Bild: © Vivid Pixels – Shutterstock.com

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Mehr zu Christiane Dietering

Christiane Dietering hat eine handwerkliche, zwei kaufmännische und eine Autoren-Ausbildung absolviert. Sie arbeitet als freie Texterin, Rezensentin und Journalistin in den Themenbereichen Kunst und Kultur. Ihre Hauptauftraggeber sind Veranstalter von Musikaufführungen, Lesebühnen und Erotik-Events.

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