Nachhaltigkeit kontra Wachstum!?

Ausrufezeichen, Fragezeichen. Allein diese Konstellation in der Überschrift zeigt schon, wie umstritten eine neue Herangehensweise an die wirtschaftlichen und ökonomiepolitischen Rahmenbedingungen der weltweiten Gesamtwirtschaft im 21. Jahrhundert ist. Kapitalismus ist auf Wachstum ausgerichtet, unter Einsatz aller verfügbaren Mittel. Neben den rein wirtschaftlichen und politischen Möglichkeiten gehört zu diesen Mitteln des Wachstums auch der Krieg – nach wie vor.

Wachstum wird vor allem in der Wirtschaft definiert als eine Anwachsen von Umsatz und Profit, Steigerung der Einflussmöglichkeiten selbst bis in den politischen Sektor hinein, Wachstum der Märkte mit allen gegebenen Mitteln und letztlich der Ausnutzung auch der wissenschaftlich-technischen Errungenschaften. Von Nachhaltigkeit wird zwar gern und viel gesprochen, umgesetzt werden solche Bestrebungen jedoch gar nicht oder oftmals nur halbherzig.

Warum Nachhaltigkeit so schwierig ist

Betrachtet man die wirtschaftspolitischen Umgebungsvariablen, zeichnet sich ein durchaus gutes Bild ab. Niemals waren die Menschen insgesamt besser versorgt, niemals zuvor gab es eine so geringe Kindersterblichkeit, niemals war die Lebenserwartung im Allgemeinen so hoch, wie heute. Sicherlich lässt sich dieser Zustand nicht auf alle Gebiete dieser Welt übertragen, insgesamt gesehen geht es aber den Menschen besser als jemals zuvor. Die Kehrseite der Medaille präsentiert sich eher trübe. Das ungebremste Wirtschaftswachstum führte zu einer unkontrollierten Ausbeutung der Rohstoffressourcen, zunehmender Umweltverschmutzung, Klimawandel, wachsenden Müllbergen und und und. Ein Szenario, das im Vergleich zur scheinbar heilen Kommerzwelt eher düster wirkt.

Dem schnellen Profit im Hier und Heute wird quasi alles geopfert, was den nachfolgenden Generationen einen Mangel bescheren wird. Dieser Mangel wird vor allem einer an echter Lebensqualität sein. Technologischer Fortschritt und eine Überversorgung mit Lebensmitteln und Konsumgütern bei gleichbleibender weltweiter Verteilungsungerechtigkeit wird eine lebenswerte Umwelt nicht aufwiegen können. Das Streben nach Schneller, Höher und Weiter wird letztlich kein befriedigendes Szenario für den Verlust an einer lebenswerten Umwelt sein.

Einige Wirtschaftsforscher, Politiker und auch ganz normale Menschen haben das längst erkannt und mahnen mehr oder minder laut zur Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit bedeutet jedoch in der Endkonsequenz, dass wir Güter produzieren, die möglichst lange halten und damit auch die Ökobilanz der Wirtschaft spürbar verbessern. Allerdings widerspricht eine konsequent durchgesetzte Nachhaltigkeit in der Konsumgüterproduktion den Gewinnbestrebungen der Unternehmen. Hier offenbart sich eine Problemlage, die nur schwierig zu lösen sein wird.


Nachhaltigkeit in der Konsumgüterproduktion kann nur gelingen, wenn Wachstum nicht mehr rein in Profit und Masse gerechnet wird. (Bild: nexus 7 / Shutterstock.com)
Nachhaltigkeit in der Konsumgüterproduktion kann nur gelingen, wenn Wachstum nicht mehr rein in Profit und Masse gerechnet wird. (Bild: nexus 7 / Shutterstock.com)


Wenn die Waschmaschine ein Leben lang hält

Deutlich wird der Widerspruch zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit am Beispiel einer Waschmaschine. Der Waschautomat ist im Prinzip dafür geschaffen, den Menschen die Arbeit der Wäschepflege zu erleichtern. Dazu haben die Geräte eine Entwicklung genommen, die durchaus beachtenswert ist. Aus Waschzuber, Kohlekessel und Waschbrett sind Maschinen gewachsen, die fast ohne unser Zutun alle Prozesse des Waschens übernehmen.

Von der technischen Seite her könnte eine Waschmaschine eigentlich ein Leben lang halten. Voraussetzung dazu wäre das Verbauen weniger verschleissanfälliger Teile oder ein einfacher Austausch dieser, der auch dem Benutzer möglich ist. Daran dürften allerdings die Waschgerätehersteller kein Interesse haben. Ihr Gewinn und letztlich ihr wirtschaftliches Bestehen hängt einzig und allein davon ab, wie viele Waschgeräte Jahr für Jahr verkauft werden können. Da geht es nicht um lebenslange Haltbarkeit, sondern um Produktlebenszyklen, die den Gewinninteressen der Industrie entsprechen. Je öfter eine Waschmaschine im Menschenleben gekauft werden muss, desto sicherer sind die Gewinne der Hersteller.

Analog zu diesem Beispiel könnten viele andere Produkte aufgezählt werden, die nicht wirklich auf Nachhaltigkeit, sondern auf Gewinnwachstum getrimmt sind. Fast jeder Lebensbereich ist von solchen Beispielen betroffen, geht es doch in der Wirtschaft letztlich nicht wirklich um Nachhaltigkeit, sondern um schnöde Gewinninteressen und um die Durchsetzung am Markt. Zweifler an dieser Theorie äussern Bedenken. Immerhin wäre es ja auch der technische Fortschritt, der zu immer neuen Maschinen und Geräten führt und damit natürlich auch Begehrlichkeiten bei den Menschen weckt.

Dem kann allerdings auch widersprochen werden. Schauen Sie sich einfach einmal im eigenen Haushalt um, wie viele Produkte aus Plastik sich dort ansammeln und eigentlich kaum bis gar nicht gebraucht werden. Sie landen alle über kurz oder lang auf dem Müll und belasten die Umwelt. Von den verbrauchten Rohstoffen einmal ganz abgesehen. Der Mensch muss letztlich nicht alles haben, um glücklich zu sein und ein lebenswertes Leben zu führen. Diese Einsicht setzt sich allerdings nur langsam durch.

Wenn Unternehmen wirklich nachhaltig produzieren würden

Dann hätte das natürlich auch Folgen für die Gesamtwirtschaft. Viel weniger Produkte müssten hergestellt werden, entsprechend aggressiver würde die Konkurrenzsituation werden. Einmal gesättigte Märkte müssten nicht immer wieder aufs Neue mit scheinbar besseren Produkten erschlossen werden. Die Preise müssten steigen, um Mitarbeiter entlohnen zu können und den enger gewordenen Markt auch für die Unternehmensgewinne selbst noch attraktiv erscheinen zu lassen. In der Folge würde ein Heer von Arbeitslosen entstehen, die wegen einer wahrhaftig nachhaltigen Produktion längst nicht mehr gebraucht werden würden. Wohin mit all diesen Menschen, die am Wirtschaftswachstum nicht mehr teilhaben könnten?

Hier offenbart sich die eigentliche Problematik des modernen Kapitalismus. Er hat keine Rezepte, wie aus blossem Wachstum echte Nachhaltigkeit werden könnte. Zwar lassen sich die einen oder anderen Märkte noch erobern, aber was dann? Eine Umkehr von der reinen Verbrauchsgesellschaft hin zur nachhaltig agierenden Bedarfsgesellschaft wäre erforderlich. Dazu bedarf es jedoch auch veränderter politischer Rahmenbedingungen. Ein weites Feld, das in den nächsten Jahrzehnten zu beackern ist.

 

Oberstes Bild: © romrf – Shutterstock.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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