Wann Sie statt zum Telefon zur Tastatur greifen sollten

E-Mails haben nicht den besten Ruf im Business: Sie sind Zeitfresser und bestenfalls mittelmässig sicher, wenn es um die Übermittlung diskret zu behandelnden Datenmaterials geht. Die Zahl der Studien, die die verlorene Arbeitszeit durch exzessive Mailkorrespondenz berechnet haben, geht in die Dutzende. Der E-Mail wird vorgeworfen, eine weitere Ursache für zunehmende Anonymität und ein Abflachen sozialer Kompetenz neuer Führungskräftegenerationen zu sein – und generell ist ihre Zukunft alles andere als gesichert.

Dies alles vorausgeschickt, hat die digitale Kommunikation dem ansonsten so gepriesenen Telefonieren dennoch in einigen Punkten viel voraus. Die oft zitierte Regel, bestenfalls immer das persönliche Gespräch zu suchen, ob von Angesicht zu Angesicht oder über den Hörer, und erst dann zu anderen Dialogformen zu greifen, kann sogar kontraproduktiv sein. Wir erläutern fünf Situationen, in denen eine E-Mail die zweifellos bessere Alternative zum Telefonat ist.

1. Eine unmittelbare Reaktion könnte ungewollte Verbindlichkeiten generieren 

Es gibt sensible Themen, die mit Bedacht besprochen werden wollen, zumindest von Ihrer Seite. Ihr Gesprächspartner aber möchte vielleicht schnellere Entscheidungen oder Stellungnahmen, als Sie zu geben bereit sind. Egal, wie direkt Sie sein mögen, die wenigsten Menschen entkommen dem unbewussten Zwang, verbindliche oder zumindest kompetente Antworten geben zu wollen. Das aber manövriert Sie schnell in eine Verbindlichkeit, die Sie vermeiden wollen. Deshalb kann es in solchen Fällen grundsätzlich besser sein, sich das Anliegen per Mail schildern zu lassen. Dann reicht eine kurze Empfangsbestätigung mit einer definitiven Zeitangabe, wann Sie sich mit einem inhaltlichen Feedback melden werden, um der Etikette zu genügen.

2. Ihre kommunizierten Inhalte sollten Dritten verfügbar sein

Egal ob diese als Zeugen fungieren sollen oder ob Sie jetzt schon wissen, dass Sie zu einem späteren Zeitpunkt weitere Teammitglieder ins Thema einbeziehen wollen: Telefonate produzieren kein Protokoll (es sei denn, Sie schneiden sie mit und transkribieren sie dann), Mails schon. Falls Sie bei einem Thema bereits im Planungsstadium wissen, dass es im Laufe seiner Entwicklung eine ganze Reihe von Mitarbeitern involvieren wird; oder falls Sie sichergehen wollen, dass alle Beteiligten sich auch in der Umsetzungsphase an ihre in der inkrementalen Planung gemachten Versprechen erinnern, dann führen Sie alle projektrelevanten Kommunikationsschritte von Anfang an konsequent per Mail und erstellen Sie ein schnell abrufbares, transparentes Archiv des Korrespondenzverlaufes. So haben auch Sie selbst schnell Zugang zu allen nötigen Informationen.

3. Ihr Projekt hat eine verbindliche Deadline

Ist dem so, sollten E-Mails ein integraler Bestandteil der von Ihnen angewandten Produktivitätsstrategie sein. Telefongespräche sind extrem schwer zeitlich einzugrenzen, solange Sie sich nicht den Ruf erwerben wollen, kurz angebunden und sogar unhöflich zu sein. Verschiedene Gesprächspartner erwarten individuell und kulturbedingt ein gewisses Mass an Small Talk – dem Effizienzkiller Nummer eins.

Sie können also weder die Dauer einzelner Telefonate noch deren Summe über den Verlauf eines Projektes in Ihrer Zeitplanung präzise kalkulieren. Dies macht einen meist unterschätzten Faktor beim Scheitern des Einhaltens von Projekt-Deadlines aus. Die Abarbeitung von Mails jedoch lässt sich aus Erfahrungswerten relativ präzise zeitlich kalkulieren – vor allem wenn Sie sich täglich einen Zeitblock frei halten, statt den ganzen Tag über kontinuierlich mit einem Auge in Ihrem Mail-Account zu hängen.

4. Sie versuchen, Stress zu vermeiden

Anstehende Telefonate verursachen nachgewiesenermassen mehr Stress als noch zu schreibende E-Mails. Das hängt an psychologischen Faktoren: Während Letztere hauptsächlich formelle Anforderungen an Sie stellen, beansprucht jedes Telefonat Ihre komplette soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz, wenn es erfolgreich sein soll. Das strengt an – umso mehr, wenn Sie ein eher introvertierter Typ sind, und ebenfalls, wenn die Akustik Ihres Grossraumbüros Ihnen bei jedem Telefonat die doppelte Konzentration abfordert.


Anstehende Telefonate verursachen nachgewiesenermassen mehr Stress als noch zu schreibende E-Mails. (Bild: Robert Kneschke / Shutterstock.com)
Anstehende Telefonate verursachen nachgewiesenermassen mehr Stress als noch zu schreibende E-Mails. (Bild: Robert Kneschke / Shutterstock.com)


Hinzu kommt, dass Telefontermine meist zu einem vereinbarten Zeitpunkt stattfinden, der Sie aus Ihrem Terminkalender förmlich anstarrt. Je mehr solcher fixen Verpflichtungen Sie vor sich sehen, desto grösser der Druck. E-Mails jedoch können Sie erledigen, wenn Ihnen danach ist, und sie danach als abgehakt betrachten, bis eine Antwort kommt. Nehmen Sie sich eine Stunde am Tag Zeit dafür – vielleicht sogar ausserhalb des Büros, als Mini-Auszeit jenseits der gewohnten Atmosphäre.

Ebenfalls problematisch: Fixe Termine unterbrechen fast immer Ihren Workflow. Untersuchungen haben ergeben, dass die nach einer solchen Unterbrechung wieder aufgenommene Arbeit nur noch halb so produktiv ist, wie sie davor war. Nicht nur das: Es dauert auch eine nicht unwesentliche Zeit, um überhaupt wieder ins Thema zu kommen.

5. Sie wollen Entscheidungen bezüglich bereits verfügbarer Informationen forcieren

Der Mensch ist bekanntlich faul. Wenn Kunden oder Kooperationspartner wissen, dass eine Telefonkonferenz bevorsteht, verlassen sie sich meist darauf, dass ihnen dabei nochmals alle Informationen vorgekaut werden, und verzichten auf das selber Lesen oder Durchgehen zur Verfügung gestellter Dokumente. Sie allerdings verlieren dabei eine enorme Menge an Zeit; mal abgesehen von der Frustration darüber, dass sorgfältig aufbereitetes Material offensichtlich von niemandem beachtet wurde. Nutzen Sie E-Mails, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Gegenüber sich selbst informiert, um dann nur noch auftauchende Fragen und Sonderfälle schriftlich zu erörtern.

 

Oberstes Bild: © Cienpies Design – Shutterstock.com

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Mehr zu Caroline Brunner

Caroline Brunner ist freiberufliche Online-Journalistin mit Fokus auf Arbeitspsychologie, Entrepreneurship, Kommunikation, Karriereplanung, Nachhaltigkeit und Verbraucherthemen.

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