Die Hemmschuhe für das Wirtschaftswachstum

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die Wirtschaftslage der Schweiz als äusserst entspannt anzusehen. Nicht umsonst schauen viele Nachbarn mit einer gewissen Portion Neid auf die Eidgenossen. Bestätigen konnte die Schweiz die ausgesprochen gute Rolle der eigenen Wirtschaft unlängst durch den ersten Platz – bereits zum sechsten Mal in Folge – beim jährlich aufgestellten Wettbewerbsindex des Weltwirtschaftsforums (WEF).

Trotzdem werden die kritischen Stimmen in der Schweiz immer lauter. Die Arbeitslosenquote ist auf 3 % hochgerückt, die Jugendarbeitslosigkeit ist zudem inzwischen auch in der Schweiz angekommen, Nullwachstum, im Jurabogen zeigt die eidgenössische Wirtschaft Abnutzungserscheinungen und die Konjunktur lahmt im Verhältnis zu früheren Zeiten. Es scheint so, als wenn zukünftig grosse Probleme auf die Schweizer Wirtschaft zukommen. Daniel Kalt, der Chefökonom der schweizerischen Grossbank UBS AG, sieht das allerdings differenzierter.

Attraktivität der Schweiz als verlässlicher Wirtschaftsstandort hat gelitten

Gerade das im zweiten Quartal des Jahres 2014 ermittelte Nullwachstum bereitet vielen Schweizern Kopfzerbrechen, zumal einige Wirtschaftsexperten in diesem Zusammenhang eine weitere Abkühlung der ökonomischen Lage in der an Kulturgütern reichen Schweiz befürchten. Kalt kann hier aber keine klare Tendenz in Richtung Abwärtsspirale erkennen. Ganz im Gegenteil. Der USB-Chefökonom geht sogar davon aus, dass das im zweiten Quartal gemessene Nullwachstum ein einmaliger Ausreisser bleibt. Er ist sich sicher, dass die eidgenössische Wirtschaft in den kommenden Quartalen wieder weiterwachsen wird. So stellt er denn auch unmissverständlich klar, dass die Schweizer Wirtschaft zumindest kurzfristig keine allzu grossen Sorgen bereiten wird.

Über einen längeren Zeitraum gesehen könnte die Schweizer Wirtschaft aber durchaus – zumindest leicht – das eine oder andere Problem bekommen. Auch wenn die Schweiz diesbezüglich im aktuellen WEF-Ranking wieder ihren ersten Platz bestätigen konnte, hat das internationale Renommee der Schweiz als stabiler und stets berechenbarer Standort gelitten. Laut Kalt sind auch quasi hausgemachte Unsicherheitsfaktoren an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig. Gerade die Erbschaftssteuerinitiative, die Ecopop-Initiative sowie zum Beispiel die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen sind international nicht gerade gut angekommen und haben der Schweiz in Bezug auf die Attraktivität als Standort einen Bärendienst erwiesen.

Mindestkurspolitik der Schweizerischen Nationalbank ist aktuell nicht verifizierbar

Hinzu kommt das inzwischen eingetrübte Verhältnis zur Europäischen Union, das gerade durch die Masseneinwanderungsinitiative nachhaltig gelitten hat und sich für das Interesse an der Alpenrepublik als Wirtschaftsstandort nicht als förderlich erweist. Eine weitere Baustelle ist die momentane Währungsfront. Erst kürzlich ist die kritische Grenze von 1,2050 Franken für einen Euro zum wiederholten Mal kurzzeitig unterschritten worden. Hier kommt es auf die weitere Entwicklung an. Eskaliert zum Beispiel die Situation in der Ukraine-Krise oder schwächeln die europäische Wirtschaft und auch der Euro weiterhin, ist es durchaus denkbar, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) zur Intervention gezwungen wird, um die schweizerische Währung gewollt zu schwächen.

Die SNB ist hier wahrlich nicht in einer komfortablen Lage und wird quasi in die Ecke gedrängt. Dabei muss sie sich in Geduld üben. Erst wenn die europäische Wirtschaft wieder auf einem nachhaltigen Wachstumskurs ist und daraus resultierend sich der Euro wieder stärker präsentiert, kann die SNB wieder behutsam entsprechende Devisenreserven veräussern und so ihre Bilanz verkleinern. Allerdings liegt ein derartiges Szenario in Anbetracht der augenblicklichen Lage noch in weiter Ferne. Selbst Berufsoptimisten zeigen bzw. äussern sich diesbezüglich extrem verhalten. Kalt schätzt diesbezüglich, dass es noch rund drei Jahre dauern werde, bis die SNB ihre Mindestkurspolitik aufgeben kann.


Politische Unsicherheiten als Hemmschuh für das Wirtschaftswachstum. (Bild: Picsfive / Shutterstock.com)
Politische Unsicherheiten als Hemmschuh für das Wirtschaftswachstum. (Bild: Picsfive / Shutterstock.com)


Politische Unsicherheiten als Hemmschuh für das Wirtschaftswachstum

Trotz dieser diversen politischen Irritationen sowie Unsicherheiten ist aber nach Meinung des UBS-Chefökonoms keine massgebliche Korrektur an den verschiedenen Märkten zu erwarten. Es sei denn, es kommt in naher Zukunft doch zu einem offenen, grossflächigen Krieg zwischen der Ukraine und Russland mit der Machtzentrale Moskau. Da Putin aber die Situation auch keineswegs vollends aus dem Ruder laufen lassen möchte, ist dieses Szenario kaum realistisch. Stattdessen wollen die Russen den jetzigen Status einer kontrollierten Unsicherheit sicherlich aufrechterhalten. So kann Putin den ehemaligen Republiken der Sowjetunion quasi das Signal geben, dass eine explizite Annäherung an die Europäische Union oder sogar die NATO in einem Fiasko münden werde.

Angesichts der skizzierten nationalen wie auch internationalen Entwicklungen wird die ganzheitliche Prognose für das eidgenössische BIP-Wachstum überaus deutlich nach unten korrigiert, verrät denn auch UBS-Chefökonom Kalt. Bislang waren die involvierten Ökonomen von einem Wachstum um die 2,1 % ausgegangen. Um diese Einschätzung aber noch zu erreichen, muss die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2014 ein extrem hohes Wachstum generieren. Grosse Hoffnungen ruhen dabei auf den mittelgrossen Unternehmen der Schweiz, die einerseits starke Bilanzen vorlegen und auf der anderen Seite gute Dividendenrenditen offerieren.

 

Oberstes Bild: © Stephen Finn – Shutterstock.com

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