Vorsicht: Schweizer Wirtschaft in Bedrängnis

Der Schweizer Wirtschaft ist im zweiten Quartal des Jahres 2014 sprichwörtlich die Luft ausgegangen; sie stagniert. Jedenfalls weist die aktuelle Schätzung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ein saisonbereinigtes Nullwachstum im Vergleich zum Vorquartal auf. Wenn bei den diesbezüglichen Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) auch die Stellen hinter dem jeweiligen Komma berücksichtigt werden, dann kann sogar von einem leichten Schrumpfen der eidgenössischen Wirtschaft gesprochen werden. Experten mahnen, dass diese Warnzeichen ernst genommen werden sollten.

Zwar sind die Zahlen, die lediglich für ein Quartal ermittelt werden, nicht immer zu 100 % aussagekräftig in Bezug auf die ganzheitliche Wirtschaftslage. Bei Betrachtung der entsprechenden Daten und Zahlen im Kontext der weiterführenden Informationen zur Schweizer Konjunktur können aber zumindest Trends und Entwicklungstendenzen herausgelesen werden. So hebt dann auch Bruno Parnisari, der beim Seco als Leiter des Ressorts Konjunktur fungiert, warnend den Zeigefinger und merkt an, dass der Schweizer Wirtschaft aller Voraussicht nach eine Abkühlung bevorsteht.

Seco warnt: Es gibt mehrere Signale für ein zukünftiges Schrumpfen des Wachstums 

Und in der Tat: Die entsprechenden Daten zum Bruttoinlandsprodukt sind beileibe nicht das einzige ausschlaggebende Signal für eine Abkühlung der hiesigen Wirtschaft. Alleine die aktuelle Erhebung im Hinblick auf das Verhalten der Konsumenten zeigt deutlich, dass hier bereits seit Anfang des Jahres eine Stagnation vorliegt. Im Jahr zuvor ist das Vertrauen der Konsumenten in die Schweizer Wirtschaft respektive in Schweizer Produkte noch kontinuierlich gestiegen. Ein ähnliches Bild skizzieren die offiziellen Daten zum Arbeitsmarkt: Hier zeigt sich nämlich, dass erstmals seit einer längeren Zeit der wohlwollend kommentierte Rückgang der Arbeitslosenquote gestoppt ist; aktuell liegt die Arbeitslosenquote bei 2,9 %.

Beim KOF-Konjunkturbarometer lassen sich diesbezüglich sowohl Licht als auch Schatten finden. Als Negativum kann hier sicherlich die Tatsache angesehen werden, dass der ermittelte Wert deutlich unter dem Anfang des Jahres veröffentlichten Wert liegt. Aber: Immerhin konnte gemäss der im August durchgeführten Erhebung dem vorherrschenden Abwärtstrend der Konjunktur endlich Einhalt geboten werden. Mit ein wenig Wohlwollen ist diesbezüglich sogar schon wieder ein zaghafter Anstieg zu beobachten. Rückläufig sind zudem auch die Bauinvestitionen. Dies fällt insbesondere dadurch ins Gewicht, dass diese bereits seit dem dritten Quartal des Jahres 2012 ohne Unterbrechung einen stets positiven Beitrag zum Wirtschaftswachstum in der Schweiz geliefert haben.


Der schwächelnde Aussenhandel beeinflusst auch die inländische Nachfrage negativ. (Bild: dedi57 / Shutterstock.com)
Der schwächelnde Aussenhandel beeinflusst auch die inländische Nachfrage negativ. (Bild: dedi57 / Shutterstock.com)


Der schwächelnde Aussenhandel beeinflusst auch die inländische Nachfrage negativ

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern konnte sich die Schweiz in der Vergangenheit auf eine stetig starke inländische Nachfrage verlassen. Da aber laut den vorgelegten Zahlen der Aussenhandel an Dynamik eingebüsst hat, leidet – aufgrund der Wechselwirkung – auch die inländische Nachfrage. Bruno Parnisari sieht auch hier die aktuellen Quartalsergebnisse als Alarmzeichen. Denn: Wenn der Aussenhandel weiter schwächelt und die jeweiligen Exporteure durch diesen Umstand in Zugzwang bzw. unter Druck geraten, wird dies – zumindest auf Dauer – auch die Zuliefererbetriebe und ihre Angestellten und somit wiederum deren Ausgabeverhalten negativ beeinflussen. Und das bedeutet ein Nachlassen der inländischen Nachfrage. Als Beispiel kann hier die sich in einer Schwächephase befindliche Automobilbranche in Deutschland genannt werden, was sich auch negativ auf Zuliefererbetriebe in der Schweiz auswirkt.

Angesichts dieser Fakten muss die Frage gestattet sein, ob die Schweiz doch wieder verstärkt in den starken Sog der Eurokrise gezogen wird? Immerhin skizzieren die entsprechenden Daten rund um das Wachstum innerhalb der europäischen Währungsunion – analog zu den Ergebnissen in der Schweiz – ebenfalls eine Stagnation im Bemessungszeitraum. Besorgniserregend für die Schweizer Wirtschaft sind dabei insbesondere die eher negativen Entwicklungen in Deutschland und Italien. So wies zum Beispiel Deutschland als wichtigster eidgenössischer Handelspartner im Hinblick auf das Export- und Importvolumen einen BIP-Verlust von über 0,2 % auf. Auch Italien mit seinem wirtschaftlichen Herz Mailand, der viertwichtigste Handelspartner der Schweiz, musste einen BIP-Rückgang in gleicher Grössenordnung hinnehmen.

Problem: Der reale Wechselkurs hemmt die eidgenössischen Absatzmöglichkeiten

Die angespannte Wirtschaftslage in diesen Ländern und teilweise auch in einigen Schwellenländern kann aber nicht als einziger Grund für die problematische Absatzsituation der Schweizer Exporteure angeführt werden. In diesem Zusammenhang spielen nämlich auch die indirekten Effekte der Sanktionen gegen Russland sowie der reale Wechselkurs entscheidende Rollen. Dabei rückt vor allem das reale Wechselkursverhältnis im Hinblick auf den Euroraum in den Fokus. Dieses ergibt sich aus dem Preisverhältnis und dem nominellen Wechselkurs (Devisenkurs). Diesbezüglich belastet die Preisentwicklung in Europa respektive im Euroraum die Konkurrenzfähigkeit der im Aussenhandel aktiven Schweizer Unternehmen. Hier muss zudem berücksichtigt werden, dass die schweizerische Nationalbank glaubwürdig und bislang auch erfolgreich an der Wechselkurs-Untergrenze von 1,20 Franken pro Euro festhält; dies verhindert im Umkehrschluss eine Aufwertung des Franken-Euro-Wechselkurses.

Auch ein Blick auf die Teuerungsrate lässt Ungemach erahnen. In der Schweiz hat sich die Teuerungsrate zwar bereits seit einem Jahr auf dem Wert null eingependelt, aber in der Eurozone ist ein komplett anderes Bild zu beobachten. Dort hat sich laut jüngster Schätzung die Teuerungsrate bis zum August 2014 auf 0,3 % zurückgebildet. Dies ist ein drastischer Rückgang; immerhin kam die Eurozone zuvor auf einen Wert von 1,3 %. Parnisari sieht trotz all dieser für die Schweizer Wirtschaft nicht unbedingt zuträglichen Entwicklungen oder zumindest Tendenzen Licht am Ende des Tunnels. Seiner Meinung nach sollte es in der Schweiz kurzfristig nicht zu einem überaus drastischen Konjunkturrückgang kommen.

 

Oberstes Bild: © xtock – Shutterstock.com

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