Coaching soll Stärken ausbauen, Schwächen kann es nicht bekämpfen

Die Ansichten über den Sinn und Zweck eines Coachings sind sehr widersprüchlich. Nicht selten werden Coachings als Geldverbrennung verstanden, genauso oft sollen sie dazu herhalten, Schwächen bei einzelnen Personen oder gar innerhalb ganzer Unternehmensstrukturen zu beseitigen. Nur in wenigen Fällen wird Coaching wirklich als das verstanden, was es wirklich sein soll.

Coaching ist eine effektive Methode, um mit der geschulten Aussensicht des Coachs eigene Stärken und Fähigkeiten besser zu erkennen und wirksam in den Alltag zu transferieren. Hier geht es also nicht um Mängelbeseitigung, sondern vielmehr um das Stärken der Persönlichkeit in schwierigen oder unübersichtlichen Situationen.

Wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist …

… dann ist es in aller Regel zu spät. Besonders zu spät für ein Coaching, das gemachte Fehler niemals reparieren kann. Zu spät ist es in dieser Situation auch für personelle Konsequenzen, da der Fehler bereits passiert ist. Jetzt kann zwar der verantwortliche Mitarbeiter aus seiner Verantwortung entlassen und nötigenfalls vom Arbeitsplatz entfernt werden, die Folgen der fehlerhaften Entwicklung wirken jedoch weiter.

Klar muss sein, dass ein Coaching grundsätzlich nicht dazu angetan ist, die Schwächen einer Persönlichkeit oder eines Systems zu bearbeiten. Ein wirklich guter Coach kann diesen Schwächen bestenfalls eine starke Seite abgewinnen, indem die Sichtweise verändert wird und die Veränderungspotenziale erkennbar gemacht werden. Das allerdings können nur wirklich sehr gute Coaches, die zudem auch auf die ehrliche und aktive Mitarbeit ihrer Klienten bauen dürfen.

Die Aufgabe eines Coachs ist es nicht, Schwächen zu erkennen und Fehler zu vermeiden, sondern vielmehr Stärken herauszuarbeiten und deren Wirkung auf die Arbeit zu definieren. Coaching ist eben kein Mittel zur Schadensbegrenzung, sondern eine Methode der Persönlichkeitsentwicklung, die vor allem in hochspezialisierten Bereichen immer wichtiger wird und dort auch sehr erfolgreich eingesetzt werden kann.

Was Coaching so nützlich macht

Wer sich in sehr speziellen Arbeitsbereichen bewegt, kann seine Arbeitsweise oftmals selbst nur sehr wenig reflektieren. Das liegt nicht daran, dass solche Spezialisten zu einer gesunden Eigenreflexion nicht in der Lage wären oder diese nicht wollten. Vielmehr fehlt für eine solche Spiegelung der eigenen Arbeit der sprichwörtliche Spiegel. Einen solchen bietet beispielsweise ein erfahrener Coach, der sich nicht nur mit der Spezialität der jeweils ausgeführten Arbeit halbwegs auskennt, sondern vor allem eine neutrale Aussensicht auf die Persönlichkeit des Klienten bieten kann.

Genau diese Aussensicht macht das Coaching in solchen Bereichen besonders wichtig, in denen sonst keine vernünftige Fremdreflexion der jeweiligen Arbeitsweise geboten ist. Das betrifft Einzelkämpfer in den unterschiedlichsten Bereichen genauso wie Führungsverantwortliche, die beispielsweise Unternehmensbereiche in schwierigen Situationen übernehmen und dort für möglichst schnelle und effektive Veränderungen sorgen sollen. Massstab können hier nur selten reine Zahlenkolonnen sein. Auch wenn wirtschaftliche Kennziffern immer wieder interessant sind, so spiegeln sie doch nur einen Ausschnitt der tatsächlichen Veränderungen, nicht aber deren Kern wider.

Auf der anderen Seite lassen sich beispielsweise in der direkten Arbeit am Menschen gar keine wirtschaftlichen Kennziffern zur Hand nehmen, um die Wirksamkeit von Veränderungsprozessen zu erkennen. Auch hier bietet ein Coaching für die Beschäftigten eine wichtige Basis zur Verbesserung der Arbeit, weil Stärken zunehmend in den Vordergrund der Arbeit gerückt werden, während Fehler und Schwächen zunehmend von einer sachlicheren Warte aus bewertet werden können. Allerdings gilt auch hier: Coaching ist keine Reparaturarbeit!


Schwächen können nicht durch Coachings an sich kompensiert oder aufgearbeitet werden. (Bild: Brian A Jackson / Shutterstock.com)
Schwächen können nicht durch Coachings an sich kompensiert oder aufgearbeitet werden. (Bild: Brian A Jackson / Shutterstock.com)


Und wie sollen Schwächen kompensiert werden?

Schwächen können nicht durch Coachings an sich kompensiert oder aufgearbeitet werden. Selbst Schulungen und langjährige Fortbildungen sind kaum dazu geeignet, Schwächen wirklich effektiv zu bekämpfen. Die meisten Schwächen haben ihre tiefere Ursache in der Grundausstattung der jeweiligen Personen und deren Biografie. Diese Einsicht zeigt, dass ein Coaching gar nicht dazu in der Lage sein kann, solche tiefgehenden Schwächen effektiv auszumerzen.

Vielmehr sollte es darum gehen, neben der Erkenntnis der Schwächen selbst in einem Coaching daran zu arbeiten, wie diese kompensiert werden können. Die Frage ist also: Welche Mitarbeiter brauche ich, damit sie meine Schwächen kompensieren, sprich auffangen können?

Nur auf diese Weise lassen sich Schwächen wirklich ausgleichen, so dass die Konzentration auf die eigenen Stärken erhalten bleiben kann. Alles das ist zu entdecken und zu fördern, was der Einzelne wirklich gut kann und zur Verbesserung des Gesamtergebnisses in einen Prozess einbringen soll. Genau hier liegt auch der Arbeitsansatz für ein Erfolg versprechendes Coaching, das sich besonders klar und deutlich gegen eine Reparaturfunktion ausspricht.

Coachings zielgerichtet einsetzen

Entsprechend der angesprochenen Problematik ist es natürlich auch wichtig, Coachings gezielt einzusetzen. Einer neuen Führungskraft obligatorisch einfach nur einen Coach beizuordnen ist so lange sinnlos, wie die neue Führungskraft die Funktion des Coachings nicht vollkommen erkannt hat und sich entsprechend eher beobachtet und bewertet fühlt, anstatt den helfenden Charakter eines Coachings für sich zu erkennen.

Daher ist der erste Schritt für jedes Coaching die genaue Klärung des konkreten Bedarfs. Hier spielen drei zentrale Fragestellungen eine herausragende Rolle:

  1. Was wird vom Coaching erwartet?
  2. Was kann vom Coaching nicht geleistet werden?
  3. Auf welchen konkreten Arbeits- oder Persönlichkeitsbereich soll sich das Coaching beziehen?

Die Beantwortung dieser drei Kernfragen legt fest, welche Persönlichkeitsbereiche gestärkt werden können und wie der konkrete Ablauf eines Coachings aussehen kann, wenn es nicht als Reparaturwerkzeug für individuelle Schwächen verstanden wird.

 

Oberstes Bild: © Alexander Supertramp – Shutterstock.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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