Die Angst vor dem Erfolg

Unternehmer sind auch nur Menschen. Und manchmal recht eigenartige Zeitgenossen. Auf der einen Seite streben sie den ganz grossen Erfolg an, auf der anderen haben sie aber auch Angst vor dem absoluten Durchbruch. Noch mehr als die Unternehmer selbst sind aufstrebende Führungskräfte von dieser Angst betroffen. Warum das so ist und wie dieser Angst erfolgreich begegnet werden kann, soll hier dargestellt werden.

Der Weg nach oben

Dennis hat Betriebswirtschaft studiert, ein Jahr Auslandssemester, einen glänzenden Abschluss hingelegt und stieg dann gleich in einen der weltweit grössten Pharmakonzerne ein. Der Start hat prima geklappt, die Karriereleiter stand zu jeder Zeit an der richtigen Stelle und wollte einfach nur erklommen werden. In wenigen Jahren hat es Dennis vom kleinen Abteilungsleiter ganz nach oben geschafft. Die Berufung zum CEO war der bislang absolute Höhepunkt in seinem Leben.

Was der jungen Führungskraft bislang so leicht und erfolgreich von der Hand ging, kommt plötzlich ins Stottern. Dennis fühlt sich überfordert, vergisst immer wieder wichtige Termine, delegiert Entscheidungen, die er hätte treffen sollen, nach unten und fühlt sich am oberen Ende der Karriereleiter so gar nicht wohl. So hatte er sich den Chefposten ganz oben nun wirklich nicht vorgestellt. Ein persönliches Gespräch mit Dennis offenbart die Ursachen der Unsicherheit, die sich letztlich als pure Angst erweisen sollten.

Dennis hat Angst

Der junge Mann vor mir scheint rein optisch nicht das zu sein, was man sich landläufig unter ängstlich vorstellt. Herzlicher fester Händedruck, klarer Blick unter einem sauber gezogenen Scheitel, charismatische Erscheinung, sportlich mit breiten Schultern und durchweg gut gekleidet. So sehen echte Erfolgsmenschen aus.

Dennis hat mich gerufen, weil er sich so gar nicht erfolgreich fühlt. Seitdem er nun ganz oben in der Chefetage des Pharmariesen sitzt, scheint nichts mehr wirklich gelingen zu wollen. Der Weg auf den Chefsessel war mit harter Arbeit gepflastert, die er aber zu jeder Zeit bewältigen konnte. Bis er dann allein in diesem repräsentativen Büro mit Vorzimmerdame und Ausblick über das Businessviertel sass. Seitdem scheint Schluss mit lustig zu sein.

Schnell steigen wir tiefer ins Gespräch ein. Wir reden lange, was bedeutet, dass Dennis viel erzählt und ich ausser ein paar Zwischenfragen intensiv zuhöre. Am Ende des Gespräches weiss ich, warum Dennis mich gerufen hat. Dennis hat Angst. Angst vor der Verantwortung, die er nun ganz alleine tragen muss, Angst vor dem Nichts über ihm und der Reihe von Erwartungen unter ihm. Und Angst vor sich selbst, vor allem vor dem Versagen.

Misserfolge müssen erlebt und verkraftet werden

Bis vor einiger Zeit wusste Dennis lediglich, wie Misserfolg geschrieben wird, erlebt hat er ihn eigentlich noch nie wirklich. Das ist es auch, was ihm jetzt so zusetzt. Er weiss nicht, wie sich ein persönlicher Misserfolg anfühlt und wie damit umzugehen ist. Schliesslich brauchte er sich dieser Situation zumindest im beruflichen Leben noch nie zu stellen. Jetzt drohen solche Misserfolge täglich und können praktisch die Folge jeder Entscheidung sein, die er treffen muss. Deshalb gibt Dennis die Entscheidungen auch so gern nach unten ab.

Rückversicherungen fehlen

Auf seinem Weg nach oben hatte Dennis immer Vorgesetzte und Vorbilder. Hier konnte er sich orientieren und die Rückversicherung für das einholen, was er tat oder zu tun gedachte. Auch diese Rückversicherung ist mit der Übernahme des höchsten Postens im Unternehmen verloren gegangen. Ersetzt werden kann sie nur durch ein gutes Mass an Selbstmotivation und dem steten Vergleich mit der Konkurrenz.

Wenn Dennis Glück hat, findet er vielleicht auch befreundete Kollegen aus der Führungsriege, die ihm ohne Neid und Konkurrenzgebaren zur Seite stehen können. Letzteres scheint aber eher unwahrscheinlich. Die grossen Chefs haben keine wirklichen Freunde im Unternehmen, bestenfalls Bewunderer, Nachahmer und potenzielle Nachfolger, die auf den Posten ganz oben scharf sind. Zu Hause kann er sich auch keine Unterstützung in fachlichen Fragen holen, seine junge Frau weiss nichts von dem, was er wirklich tut. Davon erzählt er jetzt zu Hause auch nicht mehr.


Grosse Karrieresprünge können auch in tiefen Stürzen enden. (Bild: alphaspirit / Fotolia.com)


Grosse Karrieresprünge können auch in tiefen Stürzen enden

Dennis weiss, dass er jetzt ganz oben ist, eigentlich wollte er auch hierhin. Jetzt, auf dem Gipfel der Karriere, weiss er intuitiv, dass die Gefahr eines Absturzes besonders gross ist. Auch das macht ihm Angst. Es gibt keinen Weg mehr nach oben, nur noch den nach unten oder raus aus dem Unternehmen. Weder das eine noch das andere ist für Dennis denkbar. Er wollte auf diese Position kommen. Jetzt ist er angelangt und will hier auch bleiben. Deshalb hat er mich gerufen.

Lösung für das Problem

Nach mehreren weiteren langen Gesprächen und einigen stillen Wanderungen durch die Umgebung der Metropole konfrontiere ich Dennis mit seinem eigentlichen Problem. Das Thema Angst wird ebenso auf den Tisch gelegt wie die Problematik des fehlenden Führungskräftecoachings. Niemand hat ihn zu irgendeiner Zeit auf diesen Posten vorbereitet. Deshalb wusste er auch nichts von den wirklichen Anforderungen hier oben, nichts vom Druck, den Erfolg bereiten kann, und vor allem nichts von seinen Ängsten.

Die gehen wir seit einem Vierteljahr gemeinsam an, und zunehmend besser findet sich Dennis in seine neue Rolle ein. Vor allem mit mehr Sicherheit und einem frischen Selbstverständnis, das er von sich selbst nicht erwartet hätte. Dennis wird allmählich zum echten CEO und stellt jetzt auch seinen Führungskräften ein individuelles Coaching in Veränderungsprozessen zur Verfügung. Eine weise Entscheidung, die Dennis ganz allein getroffen und durchgesetzt hat.

 

Oberstes Bild: © Kostiantyn – Fotolia.com

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Mehr zu Olaf Hoffmann

Olaf Hoffmann ist der kreative und führende Kopf hinter dem Unternehmen Geradeaus...die Berater.
Neben der Beratertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen und Privatpersonen in Veränderungssituationen ist Olaf Hoffmann aktiv in der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.
Als Autor für zahlreiche Blogs und Webauftritte brilliert er mit einer oftmals bestechenden Klarheit oder einer verspielt ironisch bis sarkastischen Ader. Ob Sachtext, Blogbeitrag oder beschreibender Inhalt - die Arbeiten des Autors Olaf Hoffmann bereichern seit 2008 in vielfältigen Formen das deutschsprachige Internet.

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