Geht es aufwärts mit Europa?

Geht es bergauf mit Europa? Nach Banken-, Finanz- sowie Immobilien- und Arbeitslosenkrisen herrscht jetzt vielleicht ein zumindest vorrübergehendes Klima der Besserung.

Konkret bezieht sich das EU-Statistikamt Eurostat auf die Inflationsrate und die Arbeitslosenquote, welche europaweit in den letzten Monaten gesunken sein sollen. Ob sich dahinter nur eine Art Frühjahrsaufschwung verbirgt oder ob es für die krisengeplagten Länder tatsächlich wieder ein wenig Anlass zur Freude gibt, zeigen wir in diesem Artikel.

Ausnahmsweise wird nicht alles teurer

Im Mai 2014 sank die Inflationsrate in Europa auf 0,5 %, wenn man der Statistikabteilung von Eurostat Glauben schenken möchte. Auch im März bezifferte sich die Inflation auf diesen Wert, im April war ein kurzzeitiger Anstieg auf 0,7 % zu verzeichnen. Damit überraschte Europa vor allem die bei den Banken angestellten Ökonomen, denn diese hatten nicht mit einem abermals deutlichen Rückgang der Inflationsrate gerechnet.

„Schuld“ daran, dass insgesamt überhaupt eine Inflation im Euro-Raum festgestellt werden konnte, waren unterdessen allein die Dienstleistungen: Deren Preise sind im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt 1,1 % gestiegen, im April waren es gar 1,6 %. Ohne Dienstleistungen wären die Preise in diesem Monat überhaupt nicht angestiegen und die Einwohner Europas hätten (zumindest kurzfristig) gar von gesunkenen Preisen profitiert. Nicht einmal Tabak und Alkohol und ähnliche Genussmittel haben zugelegt: Nur um 0,1 % kletterten die Preise für diese und ähnliche Produkte im Mai.

Der Arbeitsmarkt als Profiteur

Die offenbar entspannte Wirtschaftslage zeichnet sich auch am Arbeitsmarkt in zahlreichen europäischen Ländern ab: Eurostat will hier ermittelt haben, dass sich die Arbeitslosenquote von 11,8 % auf 11,7 % im Vergleich zwischen März und April 2014 verringert hat. Was eigentlich ein Grund zur Freude wäre, verblasst jedoch angesichts des Rekordhochs vom letzten Jahr: 12 % betrug 2013 die durchschnittliche Arbeitslosenquote in ganz Europa. Anders gesagt, haben innerhalb eines halben Jahres nur 0,2 % mehr Menschen eine Arbeit gefunden. Zwar ist jeder neu geschaffene Arbeitsplatz zunächst begrüssenswert, aber an den absoluten Zahlen ändert das wenig.

Demnach gingen im April 2014 25,4 Millionen Menschen in Europa keiner Arbeit nach, davon entfallen allein 18,8 Millionen auf den Euro-Raum. Zwar sank die Arbeitslosenzahl dadurch um 151’000 Menschen – aber auch diese Zahl wirkt nur wie ein Tropfen auf den heissen Stein, wenn man die zweistellige Millionenzahl der noch arbeitssuchenden Bevölkerung betrachtet.

Ist das wirklich ein Europa?

Die Unterschiede insbesondere zwischen den Mitgliedsstaaten der EU fallen dabei so eklatant aus, dass man kaum noch von der Zugehörigkeit zu einer Staatengemeinschaft sprechen kann. Auch hier helfen einige Zahlen weiter: Innerhalb der EU führen Österreich und Deutschland mit einer Arbeitslosenquote von 4,9 % beziehungsweise 5,2 %. Am anderen Ende des Spektrums warten hingegen Griechenland und Spanien: 26,5 % und 25,1 % betragen dort die Arbeitslosenquoten. Auch Länder wie Portugal, Irland, Frankreich oder Italien „glänzen“ mit zweistelligen Beiträgen zur Arbeitslosigkeit. Angesichts dieser Zahlen fällt es schwer, noch von einem einzigen Europa zu sprechen.

Einen beträchtlichen Anteil an den unschönen Ergebnissen trägt auch die Jugendarbeitslosigkeit: 22,5 % der Personen zwischen 15 und 24 Jahren in der EU hatten keine feste Anstellung. Zwar darf man diesen Wert nicht überinterpretieren – beispielsweise zählen auch Studenten zu den erwerbslosen Menschen, obwohl sie schliesslich zweifelsohne einer (wenn auch nicht wirtschaftlich messbaren) Tätigkeit nachgehen –, aber die Signale fallen dennoch eindeutig aus. Besserung soll in den kommenden Monaten und Jahren aber auch durch die EZB eintreten.


Inflation. (Bild: wavebreakmedia / Shutterstock.com)
Inflation. (Bild: wavebreakmedia / Shutterstock.com)


Wie hoch darf die Inflation steigen?

Die Europäische Zentralbank äusserte sich Ende Mai zur Inflation: Mittelfristig solle diese im EU-Raum bei weniger als 2 % liegen, wobei man diesen Wert aber wohl fast erreichen werde. Die sich seit Oktober 2013 haltende Rate von weniger als 1 % solle man daher nicht überbewerten, da sie kein langfristig realistisches Ziel sei. Ohnehin gehe es der EZB nicht um kurzfristige Monatsbetrachtungen, sondern um eine anhaltende Rate von weniger als 2 % über die gesamten nächsten Jahre. Bislang ist davon jedoch nicht viel zu spüren – im Gegenteil.

So sank beispielsweise in Portugal die Inflationsrate über die vergangenen Monate sogar in den negativen Bereich, so dass sich die Preise insgesamt leicht verringert haben. Für die Verbraucher und den „kleinen Mann“ mag das zunächst begrüssenswert sein. Langfristig jedoch würden auch diese Länder unter sinkenden Preisen leiden: Ein Lohnrückgang wäre die Folge, falls die negative Inflationsrate im gesamten europäischen Raum um sich greifen würde. Auch würde es Staaten schwerer fallen, die bereits gemachten Schulden zurückzuzahlen – was gerade für die erwähnten Länder wie Griechenland oder Portugal katastrophal wäre. Es bleibt also zu hoffen, dass die EZB auf ihrer nächsten Sitzung am 5. Juni die richtigen Schritte einleiten wird.

 

Oberstes Bild: © Ing. Andrej Kaprinay – Shutterstock.com

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