6 Warnsignale einer problematischen Unternehmenskultur

Unternehmenskultur ist ein Begriff, der in den letzten Monaten zunehmend an Brisanz gewonnen hat. In sozialen Medien, vor allem auf Twitter, finden immer häufiger offene Diskussionen enttäuschter Arbeitnehmer statt. Sie beschweren sich über die Abwesenheit einer positiven Kultur, die Negativphänomene wie fehlende Gleichstellung, Mobbing oder gläserne Decken verhindern könnte.

Umso sensibler sollten Sie für die Unternehmenskultur Ihres zukünftigen Arbeitgebers sein. Ein noch so hohes Gehalt und interessantes Aufgabenprofil können diesen Aspekt Ihres Arbeitsalltages nicht kompensieren. Wir haben sechs eindeutige Indizien zusammengestellt, bei denen Sie hellhörig werden sollten. Keines davon stellt, für sich betrachtet, bereits ein echtes Problem dar. Wenn sich diese Anzeichen einer Negativkultur aber häufen, sollten Sie Ihre Arbeitsgeberwahl nochmals überdenken.

1. Zu viel Lärm um (fast) nichts

Google hat es vorgemacht – viele andere Unternehmen folgen: das um Entertainment-Elemente und Life-Style-Module optimierte Arbeitsumfeld. Teure Kaffeemaschinen, Lounge-Ecken, Zen-Gärten, Flipper-Maschinen in der „Chill-Out Area“: Sie sollen zum Wohlgefühl und zu den nötigen Entspannungspausen, aber auch zum Kreativitätsfluss bei Mitarbeitern beitragen.

Studien belegen, dass die Strategie funktioniert. Leider haben diese positiven Ergebnisse viele andere Firmen auf die Idee gebracht, Tischfussball im Aufenthaltsraum würde aus ihnen automatisch ein innovatives Unternehmen machen. Seien Sie also auf der Hut, wenn Ihnen die Spielecke als Symptom von Mitarbeiterförderung und Zukunftsfähigkeit verkauft wird. Tischfussball ist eine feine Sache; sich damit zu rühmen, ziemlich entlarvend.

Denn Objekte dieser Art stellen nur die sichtbaren Symptome einer durchdachten Arbeitnehmerkultur dar. Deren Substanz zeigt sich in anderem: in flexiblen Arbeitszeiten, Ergebnisorientierung statt Stechuhrüberwachung oder breit aufgestellten Entscheidungsfindungsprozessen. Wird der Tischtennistisch im Innenhof offensiver thematisiert als etwa die Transparenz der Kommunikationsprozesse, ist wahrscheinlich mehr Schein als Sein am Werk.

2. Nur die Alphatiere haben eine Höhle

Wenn Sie ein Grossraumbüro betreten, in dem nur die Geschäftsführer und Projektleiter ihre Büros haben, deren Türen auch noch grundsätzlich verschlossen scheinen, dann ist der Fluss zwischen Management und Team gestört. Natürlich muss es gerade in Grossraumbüros Rückzugsorte geben; aber diese sollten allen Mitarbeitern offen stehen.

Ein wenig anders sieht die Sache aus, wenn die Büros Glaswände haben oder ihre Türen ganz offensichtlich für einen konstanten Austausch geöffnet sind. Haben Sie aber den Eindruck einer konsequenten Abschottung der oberen Hierarchien nach unten, dann kann das Unternehmen noch in den Kommunikationsphilosophien der 1980er-Jahre gefangen sein. Gleiches gilt für Schreibtische und Bürostühle: Sind die der Teamleiter und Geschäftsführer offensichtlich hochwertiger und ergonomischer, sollten Sie sich umdrehen und gehen.


Wenn Sie ein Grossraumbüro betreten, in dem nur die Geschäftsführer und Projektleiter ihre Büros haben, deren Türen auch noch grundsätzlich verschlossen scheinen, dann ist der Fluss zwischen Management und Team gestört. (Bild: Celiafoto - Shutterstock.com)
Wenn Sie ein Grossraumbüro betreten, in dem nur die Geschäftsführer und Projektleiter ihre Büros haben, deren Türen auch noch grundsätzlich verschlossen scheinen, dann ist der Fluss zwischen Management und Team gestört. (Bild: Celiafoto – Shutterstock.com)


3. Kultur? Wie meinen Sie das?

Eine konstruktive und gelebte Unternehmenskultur ist fast immer ein bewusster und aktiv initiierter Prozess, über den Personaler und Management gerne und ausführlich berichten. Kommt dieser Punkt in Ihrem Jobinterview überhaupt nicht zur Sprache, dann ist das schon etwas bedenkenswert, aber vielleicht noch kein Anlass zur Sorge. Gerade in inhabergeführten KMU kann die Kultur organisch gewachsen und nicht bewusst gestaltet, aber dennoch ausgesprochen lebendig sein. Aber hierüber wird Ihr Interviewpartner zumindest auf Nachfrage hin gerne sprechen. Wenn Sie stattdessen auf eine Mauer des Schweigens, thematische Ablenkung oder Gegenfragen zu Ihrer Person stossen, sollten Sie sich Gedanken machen.

4. Verstaubte Arbeitsatmosphäre

Eine lebendige Kultur drückt sich in einem lebhaften, kommunikativen Daily Business aus. Genau diesen Eindruck sollten die Mitarbeiter auf Sie machen, wenn Sie sich das Unternehmen zeigen lassen (worauf Sie mindestens beim zweiten Interview bestehen sollten). Tauschen die Mitarbeiter sich sichtbar gerne aus? Herrscht ein inspiriertes, freudvolles Miteinander oder eher ein schweigendes Nebeneinander? Wirken die Mitarbeiter hektisch und unter Druck? Oder eher in Bewegung und unter positivem Eustress?

Wie sehen die Räume aus? Sind sie gleichzeitig funktional und angenehm eingerichtet? Arbeiten hier Menschen, die sich mit ihrem Arbeitsplatz identifizieren – oder herrscht entweder kalter Purismus oder eine allgemeine Schmuddeligkeit? Folgen Sie Ihrer instinktiven Reaktion hinsichtlich der gelebten Arbeitsatmosphäre.

5. Keine Work-Life-„Balance“

Versuchen Sie, Ihren Rundgang oder Ihr Interview möglichst spät am Tag zu absolvieren. Wie viele Mitarbeiter sind offensichtlich noch mitten in der Arbeit, ohne auch nur den Hauch einer allgemeinen Aufbruchsstimmung? Ergebnisorientierung ist oft nicht mit einem Nine-to-five-Job vereinbar – das ist richtig. Die Frage ist aber, ob Überstunden, Endlosmeeting, Wochenendeinsätze etc. vom Management forciert und jene Mitarbeiter hochgelobt werden, die kein Privatleben zu haben scheinen und die Idee einer Work-Life-Balance verächtlich beiseiteschieben.

6. Offensive Werte-Manifeste

Werte und Kultur bedingen einander natürlich. Aber eine gelebte Unternehmenskultur ist ein organisch wachsender, meist nonverbal transportierter Prozess, keine von oben dekretierte Philosophie. Wenn Sie die Unternehmenswerte fein säuberlich in zehn Punkten aufgelistet an Wänden von Meeting-Räumen, schwarzen Brettern, Desktops und auf Schreibtischen sehen, sollten Sie aufmerksam werden. Dann handelt es sich oft um eine von Kommunikationsagenturen und Unternehmensberatern entworfene Hülle um einen nicht vorhandenen Kern. Wenn Sie ansonsten einen wirklich guten Eindruck vom Unternehmen haben, dann fragen Sie einfach nach, wie es zu dem Manifest kam.

 

Oberstes Bild: © Grasko – Shutterstock.com

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Mehr zu Caroline Brunner

Caroline Brunner ist freiberufliche Online-Journalistin mit Fokus auf Arbeitspsychologie, Entrepreneurship, Kommunikation, Karriereplanung, Nachhaltigkeit und Verbraucherthemen.

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